Als der Landtag 2020 eine Enquetekommission zur Zukunft der medizinischen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern einsetzte, war auch die Versorgung mit Hausärzt:innen im Bundesland Thema. In der Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung MV (KVMV) zum Fragenkatalog der Kommission heißt es bezüglich der Versorgungslage in MV, dass von 27 sogenannten Mittelbereichen „15 von einer [...] in absehbarer Zeit drohenden Unterversorgung im hausärztlichen Bereich betroffen“ sind. Seit dieser Stellungnahme ist ein Jahr vergangen. Doch auch die aktuelle Bedarfsplanung aus diesem Oktober sieht 14 Versorgungsbereiche in Mecklenburg-Vorpommern von drohender Unterversorgung betroffen. Wie kommt es zu dieser Einschätzung? Hintergrund: Versorgungsgrad und Bedarfsplanung Die KVMV ist für die Bedarfsplanung der hausärztlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich. Um den Bedarf zu ermitteln, ist Meck-Vorp in 22 Mittelbereiche eingeteilt. Dazu kommen die Städte Schwerin, Rostock, Stralsund, Greifswald und Neubrandenburg als Oberzentren und damit eigenständige Planungsbereiche. Für jeden Planungsbereich ist eine sogenannte Soll-Arztzahl vorgeschrieben. Sprich, so viele Ärzt:innen sind für die Versorgung der Bevölkerung dort notwendig. Oder andersherum betrachtet: Für jeden Planungsbereich wird festgelegt, wie viele Einwohner:innen auf eine:n Ärzt:in kommen sollen, auch unter Berücksichtigung der Altersstruktur vor Ort. Um die Versorgungslage vor Ort einschätzen zu können, wird dem Soll- der Ist-Zustand gegenübergestellt – der Versorgungsgrad ist das Ergebnis. Generell gilt: Ist die Anzahl Einwohner:innen je Ärzt:in niedrig, so zeigt dies ein hohes Versorgungsniveau, ist die Zahl hoch, ist es entsprechend umgekehrt. Eine Unterversorgung in einem Bereich liegt vor, wenn der Versorgungsgrad unter 75 Prozent fällt. Mit dem Versorgungsgrad hat die KVMV einen Überblick über den jeweiligen Ärzt:innenbedarf in den Regionen und kann daran die Bedarfsplanung anschließen. Diese regelt die Anzahl der Ärzt:innen in den Regionen und ihre Verteilung. Die KVMV bestimmt also, wo sich Mediziner:innen niederlassen können. Die ambulante Versorgung muss überall sichergestellt werden, demnach müssen Hausärzt:innen möglichst wohnortnah für die Menschen erreichbar sein. Ärzt:innen sollen sich folglich dort niederlassen, wo sie gebraucht werden. Hier werden Hausärzt:innen gesucht Für Mecklenburg-Vorpommern hat sich die Zahl der freien Hausärzt:innenstellen in den vergangenen Jahren verändert. Waren im Sommer 2019 noch insgesamt 149 Stellen offen, sank die Zahl im Sommer 2020 auf 104,5. Die aktuelle Bedarfsplanung der KVMV vom Oktober enthält nur noch 94,5 freie Stellen. Die KVMV führt den Rückgang der zu besetzenden Stellen auf verschiedene Faktoren zurück. Beispielsweise auf die Veränderung der Anzahl zugelassener Ärzt:innen und der Bevölkerungszahl. Sie sieht jedoch auch eine Umstellung der Mittelbereiche als mögliche Ursache. Diese seien nämlich im November 2019 verändert worden, was „unabhängig vom tatsächlichen Versorgungsbedarf vor Ort eine statistische Reduktion der offenen Stellen“ ergebe. Kritik an der Bedarfsplanung Es ist bereits absehbar, dass sich am System der Bedarfsplanung Kritik entzündet. So schreibt die KVMV etwa in ihrer Stellungnahme gegenüber der Enquetekommission, dass die 30 Jahre alten Maßstäbe der Bedarfsplanung, anhand derer eine Über- oder Unterversorgung festgestellt wird, „rein statistisch“ und „offensichtlich ungeeignet“ seien, um die tatsächlich notwendige medizinische Versorgung abzubilden. Damit könne man nicht den tatsächlichen medizinischen Bedarf der Bevölkerung ermitteln. Die KVMV fordert deshalb die Überarbeitung der Regelung. So solle etwa die Krankheitslast, die sogenannte Morbidität, als Faktor in der Bedarfsplanung berücksichtigt werden. Hausärzt:innen und Patient:innen werden älter Doch wieso droht denn nun eigentlich eine Unterversorgung in MV? Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen MV kann für einen Bereich eine drohende Unterversorgung aussprechen, falls diese zum Beispiel aufgrund der Altersstruktur der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte erwartet werden kann. Und tatsächlich werden Hausärzt:innen tendenziell immer älter. Schaut man bundesweit, so waren sie 2011 im Durchschnitt 53,5 Jahre alt, 2020 waren es schon 55,4 Jahre. In Meck-Vorp sind laut KVMV derzeit etwa ein Drittel aller Hausärzt:innen 60 Jahre oder älter. „Da eine Praxisauf- oder -abgabe in der Regel mit 63 Jahren erfolgt, müssen diese in den nächsten Jahren nachbesetzt werden“, prognostiziert die KVMV. Für MV sind das nach aktuellem Stand 300 Hausärzt:innen, die aus Altersgründen in den kommenden Jahren ausscheiden werden. Zusätzlich müsse auch die Reduzierung von ärztlicher Arbeitszeit berücksichtigt werden, die sich aus der Umwandlung von Niederlassung in Anstellung ergebe. Laut KVMV ein anhaltender Trend. Während niedergelassene Ärzt:innen in Meck-Vorp circa 52 Stunden pro Woche tätig sind, arbeiten angestellte Ärzt:innen im Durchschnitt nur etwa 27 Stunden. Doch nicht nur die Ärzt:innen werden älter. Mecklenburg-Vorpommern ist auch stark vom demografischen Wandel betroffen. Werden die Patient:innen älter, wächst ihr Bedarf an ärztlichen Leistungen. Der drohenden Unterversorgung entgegenwirken Leider führe die bloße Ausweisung offener Stellen im Bedarfsplan nicht automatisch zu deren Besetzung, erklärt die KVMV. Vielmehr müssten zum einen niederlassungswillige Ärzt:innen vorhanden sein und es zum anderen auch attraktive Angebote der Kommunen für sie und ihre Familien geben. Laut Gesundheitsministerium MV stellen Land und KVMV bereits jetzt umfangreiche Fördermöglichkeiten für die hausärztliche Versorgung bereit. Es steht beispielsweise zusätzliche finanzielle Unterstützung in Aussicht, wenn sich Hausärzt:innen in einem Planungsbereich niederlassen, der von Unterversorgung bedroht ist. So etwa ein Investitionskostenzuschuss für eine Praxiseröffnung, der sich je nach Versorgungsgrad der Region zwischen 25.000 und 75.000 Euro bewegen kann. Um einer tatsächlich eintretenden Unterversorgung entgegenzuwirken, müsse, laut Gesundheitsministerium, vor dem Hintergrund der alternden Bevölkerung aber vor allem weiterhin ärztlicher Nachwuchs gewonnen werden. Die Ausgangslage dafür ist in Meck-Vorp gut – zwei Universitäten bilden zukünftige Ärzt:innen aus. Doch laut KVMV gehe da noch mehr. Vor allem müssten Studienplätze an diejenigen vergeben werden, die später auch in MV praktizieren wollten. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits unternommen. Sie gehen auf das in diesem Jahr in Kraft getretene Landarztgesetz zurück, welches dem Ärztemangel in ländlichen Regionen entgegenwirken soll. 32 der 400 Studienplätze der Humanmedizin wurden in diesem Wintersemester an Bewerber:innen vergeben, die sich nach Studienende verpflichten, „als Hausärzte in ländlichen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns tätig zu sein“. Meck-Vorp im Deutschlandvergleich Das Gesundheitsministerium MV sieht die aktuelle Versorgungslage als bedarfsgerecht an. Doch es weist auf ein Stadt-Land-Gefälle hin. Städtische Regionen seien tendenziell wesentlich besser versorgt als ländliche. Dieses Bild zeigt sich nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gegenüber KATAPULT MV erklärte, sei die Situation in den ländlichen Regionen Meck-Vorps vergleichbar mit der in anderen Bundesländern. Auch sie sieht jedoch die Versorgung insgesamt als gesichert an. Das zeige sich daran, dass über 90 Prozent der Bürger:innen innerhalb von zehn Minuten den nächsten Hausarzt erreichten. Trotzdem sieht auch die KBV deutschlandweit einen Ärzt:innenmangel, der auch Hausärzt:innen einschließt. Besonders im ländlichen Raum bestünden Probleme bei der Nachfolgesuche. Dieser Artikel erschien in Ausgabe 3 von KATAPULT MV. Er wurde am 9. Februar 2022 aktualisiert.  MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!