Am 10. Dezember stimmte der Bundestag mit großer Mehrheit für die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Nach dem neuen Paragrafen des Infektionsschutzgesetzes müssen Mitarbeitende medizinischer Einrichtungen bis Mitte März vollständig geimpft oder genesen sein. Die betroffenen Unternehmen sind verpflichtet, den Impf- oder Genesenenstatus ihrer Beschäftigten zu prüfen. Liegt der Nachweis nicht bis zum Stichtag 15. März vor, sind den zuständigen Stellen – in der Regel handelt es sich um das örtliche Gesundheitsamt – die Daten der betreffenden Person mitzuteilen. Patient:innen in Krankenhäusern und Pflegeheimen besonders gefährdet Der Gesetzgeber begründete die Entscheidung für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht mit der Gefährlichkeit einer Coronainfektion für jene besonders gefährdete Personengruppen, die vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen behandelt werden oder dort leben. Diese seien auf einen vollständigen Impfschutz von Ärzt:innen und Pfleger:innen angewiesen. Aus medizinisch-epidemiologischer Sicht sei eine sehr hohe Impfquote in Situationen notwendig, in denen Beschäftigte Kontakt zu jenen Personengruppen haben. Ungeachtet der Gefahr für ihre Patient:innen sind deutschlandweit nach wie vor viele Pflegekräfte nicht geimpft. Einige vertreten sogar offen Verschwörungsideologien. So sind auch auf den Corona-Demonstrationen in Mecklenburg-Vorpommern regelmäßig Menschen aus dem Gesundheitssektor vertreten. In Schwerin werden die Aufzüge beispielsweise von einem Block aus weiß gekittelten Menschen angeführt, die nach eigenem Bekunden im Gesundheitswesen tätig sind. Eine Führungskraft des Schweriner Hospizes engagierte sich sogar als Ordnerin. Hohe Impfquote in MVs größten Krankenhäusern In Mecklenburg-Vorpommern sind Impfverweigerer unter den Pflegekräften aber eher eine Ausnahme. Das zeigen etwa die Zahlen aus den vier größten Kliniken MVs. So sind an den Schweriner Helios-Kliniken 93 Prozent der Mitarbeiter:innen geimpft und am Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum in Neubrandenburg 88 Prozent. Das Universitätsklinikum Greifswald bezifferte die Quote der ungeimpften Mitarbeiter:innen Ende Januar auf sechs bis acht Prozent. In der Universitätsmedizin Rostock sind aktuell 326 von 4.500 Beschäftigten nicht immunisiert, das entspricht gut sieben Prozent. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt jedoch nicht nur für Krankenhäuser. „Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern circa 8.000 bis 10.000 Unternehmen, die unter die einrichtungsbezogene Impfpflicht fallen“, erklärt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Die Zahlen beinhalten auch Praxen, Physiotherapien und freiberuflich tätige Hebammen. Die Landesregierung geht davon aus, dass fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten dort bisher nicht geimpft sind. Mehr Pflegekräfte melden sich arbeitssuchend Ob sich die ab morgen geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht auch auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt, möchte die Bundesagentur für Arbeit so nicht bestätigen. Jedoch stellte sie im Dezember und Januar fest, dass sich mehr Pflegekräfte als gewöhnlich arbeitssuchend gemeldet haben. Waren es in MV im Winter 2019/20 noch 313 Meldungen, sind es diesen Winter im gleichen Zeitraum 652 Personen. „In unseren statistischen Auswertungen liegen keine Informationen vor, aus welchen Gründen eine Arbeitsuchendmeldung erfolgt“, betont Margit Haupt-Koopmann, Leiterin der Regionaldirektion Nord. Über einen ursächlichen Zusammenhang mit der Impfpflicht könne nur spekuliert werden. „Er liegt aber nahe“, meint Haupt-Koopmann. Gleichwohl dürften unter den Arbeitsuchenden auch Beschäftigte sein, die sich nicht länger dem Risiko aussetzen möchten, Coronapatient:innen zu versorgen. Auch diejenigen, die im zweiten Pandemiewinter die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht hätten, würden sich in den Zahlen bemerkbar machen, so Haupt-Koopmann. Beschäftigte, die ihren Beruf wegen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ab 16. März nicht mehr ausüben dürfen, können auch Arbeitslosengeld beantragen. Da die Ablehnung der Impfung, solange keine allgemeine Impfpflicht gilt, einen wichtigen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstelle, trete auch keine Sperrfrist für das Arbeitslosengeld ein, so das Bundesarbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit in einem gemeinsamen Statement. Digitale Lösung des Landes für Meldepflichtige Für den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind die Länder zuständig. Die Landesregierung habe in den letzten Monaten enorme Anstrengungen unternommen, um die Gesundheitsämter der Kommunen und die meldepflichtigen Einrichtungen und Unternehmen bestmöglich bei der Umsetzung zu unterstützen, teilte Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) vergangenen Mittwoch mit. Meldepflichtigen wird ab morgen eine Onlineplattform zur Verfügung stehen. „Wir stellen als Land damit Kommunen und Arbeitgebern eine vollumfängliche digitale Lösung zur Verfügung“, so Drese. Die Meldeplattform soll Kommunen und Unternehmen gleichermaßen entlasten. Das Tool besitze zudem einen hohen Sicherheitsstandard. Datenerfassung und Verfahren seien mit dem Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt worden. Keine sofortigen Beschäftigungsverbote geplant Obwohl ungeimpften Beschäftigten die Arbeit im medizinischen Bereich auch ganz untersagt werden kann, soll dieser Schritt laut Landesregierung nicht sofort gegangen werden. „Kein ungeimpfter Beschäftigter in einer Pflegeeinrichtung oder Arztpraxis erhält ein sofortiges Beschäftigungsverbot“, betont Drese. Fehlt ein Nachweis, ist unvollständig oder ungültig, dann ist der Arbeitgeber erst mal in der Pflicht, das Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Nach dieser Meldung folgt zunächst ein Aufforderungsschreiben an den Beschäftigten durch das zuständige Gesundheitsamt. Innerhalb einer gesetzten Frist muss darauf geantwortet werden. Im Anschluss erfolgen eine Prüfung und gegebenenfalls ein Anhörungsverfahren. Am Ende dieses Prozesses entscheidet das zuständige Gesundheitsamt einzelfallbezogen. Zur Entscheidungshilfe möchte das Gesundheitsministerium die Gesundheitsämter mit einer Weisung unterstützen. So solle sichergestellt werden, dass für die Betroffenen auch bei begonnenem Verfahren jederzeit die Möglichkeit einer Impfung bestehe, so Drese. Verfassungsgericht billigt Impfpflicht Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist derzeit noch Gegenstand einiger beim Bundesverfassungsgericht eingereichten Verfassungsbeschwerden. Zwar billigte das Gericht die Einführung mit Beschluss vom 10. Februar bereits, doch entschieden die Verfassungsrichter:innen damit nicht abschließend über die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahme. So kann die Impfpflicht bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden umgesetzt werden. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!