Bereits im Dezember vergangenen Jahres begann die Fehde zwischen dem Psychosozialen Zentrum Rostock für Geflüchtete und Migrant*innen (PSZ) und dem Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern. Denn in der Dezember-Ausgabe veröffentlichte die Mitgliederzeitschrift der Ärztekammer MV den Artikel „Ehrenamtliches Engagement junger Ärztinnen und Ärzte“. In diesem nannte die Zeitschrift das PSZ kurzerhand „Psychosoziales Zentrum Rostock für Geflüchtete und Migranten“ – ohne Genderstern und damit Symbol der Mehr- und Vielgeschlechtlichkeit (KATAPULT MV berichtete). Franziska Rebentisch, Ärztin am PSZ, schrieb einen Brief an die Redaktion des Ärzteblattes und bat darum, den bewusst gewählten Eigennamen künftig ungeändert zu übernehmen. Die Antwort kam vom Stellvertretenden Chefredakteur, Vizepräsidenten der Ärztekammer und Facharzt für Chirurgie in Rostock, Wilfried Schimanke. Doch nicht persönlich, sondern öffentlich im Ärzteblatt mit vorangestellter Einleitung der Redaktion: „Auf Wunsch der Autorin des Leserbriefes veröffentlichen wir den gesamten Schriftwechsel mit dem Vizepräsidenten Dr. Schimanke und wollen damit verdeutlichen, wie skurril die Entstellung der deutschen Sprache durch den Genderwahn werden kann. Falsch verstandener Feminismus entstellt nicht nur die Sprache, sondern besitzt das Potential zur Spaltung der gesamten Gesellschaft.“ Ärzteblatt Mecklenburg-Vorpommern In dieser Einleitung sah der Deutsche Presserat einen Verstoß gegen den Pressekodex und erstellte einen Hinweis für das Ärzteblatt, wie der Presserat KATAPULT MV auf Nachfrage mitteilte. Der Beschwerdeausschuss des Gremiums urteilte, dass in der redaktionellen Einleitung zur abgedruckten Zuschrift Franziska Rebentisch indirekt schwere Vorwürfe gemacht worden seien: Sie würde den Feminismus falsch verstehen und dadurch die Gesellschaft spalten. Die Formulierungen seien laut dem Gremium dazu geeignet, die Ärztin in ihrer Ehre zu verletzen. Damit verstoße das Ärzteblatt gegen die Präambel sowie Ziffer 1, 2 und 9 des Pressekodex. „Selbstverständlich darf die Redaktion ihre Meinung zu diskriminierungssensibler Sprache veröffentlichen, aber die Leserbriefschreiberin mit der Einleitung des Briefes öffentlich vorzuführen, entspricht nach Auffassung der Mitglieder nicht der in der Präambel geforderten Vorgabe, die ‚publizistische Aufgabe fair nach bestem Wissen und Gewissen‘ wahrzunehmen, sowie dem ‚Ansehen der Presse‘ nach Ziffer 1 des Kodex.“ Franziska Rebentisch habe mit der Veröffentlichung ihres Briefes in dieser Form nicht rechnen und sich nicht gegen die erhobenen Vorwürfe wehren können, heißt es weiter. „Die Sorgfaltspflicht beim Umgang mit Leserbriefen wurde grundsätzlich verletzt.“ Präambel: „[Herausgeber:innen und Journalist:innen] nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr. …“ Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde: „… Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien. …“ Ziffer 2, Richtlinie 2.6 – Leserbriefe: „Bei der Veröffentlichung von Leserbriefen sind die Publizistischen Grundsätze zu beachten. Es dient der wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit, im Leserbriefteil auch Meinungen zu Wort kommen zu lassen, die die Redaktion nicht teilt. …“ Ziffer 9 – Schutz der Ehre: „Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.“ Eine an ihn gerichtete Beschwerde wegen des ursprünglichen Artikels vom Dezember 2021 hingegen wies der Presserat ab: „Die Redaktion durfte den Eigennamen des Vereins abkürzen, da der Verein auch mit der Abkürzung eindeutig zuzuordnen ist.“ Räumt jedoch ein: „Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, dass die Redaktion für die Leserschaft deutlich macht, wie der Eigenname der Organisation lautet.“ Vom Ärzteblatt MV heißt es, es habe den Hinweis des Presserats zur Kenntnis genommen. „Das Thema ist damit abgeschlossen“, so Wilfried Schimanke. Es sei das erste Mal gewesen, dass das Ärzteblatt Kontakt mit dem Presserat hatte. Der Deutsche Presserat ist ein Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle. Er hat die „Publizistischen Grundsätze“, auch Pressekodex genannt, festgeschrieben. Dabei handelt es sich um berufsethische Grundregeln des Journalismus. Der Presserat hat drei Möglichkeiten, Verstöße gegen den Pressekodex zu sanktionieren: Hinweis, Missbilligung und Rüge. Hinweise ergehen bei geringeren Verstößen gegen den Pressekodex, Missbilligungen bei schweren. Bei beiden Maßnahmen erhalten die Redaktionen eine ausführliche Begründung für die Sanktionen und ihnen bleibt es selbst überlassen, ob sie die Sanktion veröffentlichen. Die härteste Sanktion des Rates ist die Rüge. Sie wird bei schwerwiegenden Verstößen ausgesprochen und ist die einzige, die der Rat selbst öffentlich macht. Nur in Ausnahmefällen, wie aus Gründen des Opferschutzes, werden diese nicht veröffentlicht. Eigentlich müssen auch die sanktionierten Medien die Rügen veröffentlichen. Und zwar im gerügten Medium selbst, in angemessener Form und mit Aufführung der verletzten Ziffern des Pressekodex. Doch da es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung der Presse handelt, werden nicht alle ausgesprochenen Rügen veröffentlicht. Weitergehende Sanktionsmöglichkeiten hat der Presserat nicht. Dieser Artikel erschien in Ausgabe 10 von KATAPULT MV. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!