Zum bundesweiten Wahlkampfauftakt der AfD in Schwerin wurden 1.000 Teilnehmer erwartet. Letzten Endes fanden etwa 350 AfD-Sympathisanten den Weg in den Alten Garten vor dem Schweriner Schloss. Gegen die rechtsextreme AfD und für ein weltoffenes Schwerin demonstrierten 160 Menschen lautstark in Sicht- und Hörweite auf der Schlossbrücke. Im Publikum: Thor-Steinar-Klamotten und Brandstifter Mit der Bitte, dass „alle fremden Symbolika, die nicht AfD-immanent sind, außer der Deutschlandflagge, hier heute nicht gezeigt werden“, startete die Alternative für Deutschland vor dem Schweriner Landtag in ihren Wahlkampf. Trotzdem im Publikum: Leute in Thor-Steinar-Kluft und andere rechte Symbole. Während beim Gegenprotest, unter anderem organisiert vom Bündnis „Schwerin für alle“, eine bunte Mischung aus Jung und Alt vertreten war, sah man bei der „Alternative“ hauptsächlich Männer. Im AfD-Publikum stand neben ein paar jungen alternativen „Nipstern“ auch einer der verurteilten Brandstifter von Rostock-Lichtenhagen: Ronny Sanne. Auf der Bühne: Spitzenkandidat im Malermeisterkostüm und jede Menge Nervosität „Wow, schick gemacht heute“, äußerte sich Leif-Erik Holm überrascht, als die Spitzenkandidat:innen Chrupalla und Weidel durch den Regen auf die Bühne kamen. Weidel lachte nervös, Handwerksmeister Chrupalla: „Ja, extra, extra für euch.“ Applaus aus der Menge. Sein Outfit für den ersten Eindruck bei Meck-Vorps Publikum: blaues Poloshirt und blütenweiße Malerlatzhose. Sein Dienstwagen: 7er BMW. Die Themen für die AfD sind in diesem Wahlkampf nach eigenen Angaben „innere Sicherheit“, „Freiheit“ und „Normalität“. Bei Alice Weidels Ansprache war von der AfD-Spendenaffäre ihres Kreisverbands Bodensee im Juni jedoch nichts zu hören, obwohl ein Gericht die Partei zu einer Strafzahlung von fast 400.000 Euro verurteilt hat – Normalität ausstrahlen, eben. Auf Zwischenrufe wie „Halt die Fresse“ reagierte Weidel mit Lachen, mit der Frage „Wer von euch war das?“ und „Applaus für diesen Helden“. Kurz darauf steht Chrupalla wieder in seinem Maßanzug auf der Bühne. Ganz nach Empfehlung des AfD-Leitfadens für die Bundestagswahl: frisch gewaschen, sauber und gebügelt. Der Bundesvorsitzende forderte anschließend paradoxerweise ein „raus aus der Angstindustrie“ und warf den Altparteien und Leitmedien „Panikmache“ vor. Neben Anknüpfungsversuchen an „Querdenker“-Themen sprach Chrupalla in Schwerin nun von einer kommenden „Schicksalswahl“. Seit seinem Amtsantritt ist die Zustimmung zur AfD von 15 auf 10 Prozent gesunken, im Osten sei die Partei laut Chrupalla jedoch weiterhin „Volkspartei“. Erst kürzlich gab er im ARD-Sommerinterview zu, dass er kein Problem mit der Aufstellung nachweislich rechtsextremer Kandidaten hat. Spendenaffäre und Sexismus Nach der Rede von Chrupalla (der Schwierigkeiten mit der Aussprache von Mecklenburg-Vorpommern hat und besser einfach Meck-Vorp gesagt hätte, Anm. d. Red.) enterte MV-Fraktionschef Nikolaus Kramer das Rednerpult und begrüßte das Publikum mit den Worten: „Hallo Schweriiiin! Hallo Mecklenburg-Vorpommern! Ja, und natürlich auch meine Mädels. Hallo Mädels! Von wegen Kramer ist frauenfeindlich, ist totaler Käse, ist er nämlich alles, nur nicht frauenfeindlich“ – und spielte damit auf seine kürzliche Aussage an, Frauen seien für die Politik weniger geeignet als Männer. Nikolaus Kramer von der AfD MV sagt erst was Frauenfeindliches und fügt dann hinzu, dass er alles andere als frauenfeindlich ist. Wer erklärt’s ihm? Die Umfragewerte der Partei für die Bundestagswahl verharrten zuletzt auf niedrigem Niveau, bundesweit bei zehn bis elf Prozent. Anders sieht es in Meck-Vorp aus, wo die Partei Mitte Juli bei 16 Prozent lag. Der Nordkurier gab in seiner eigenen Umfrage an, die AfD komme in Vorpommern mit 24 Prozent sogar auf die größte Zustimmung unter allen Parteien. Parlamentarischer Geschäftsführer Weber rät von Wahl seiner eigenen Partei ab In Meck-Vorp machte die AfD immer wieder Schlagzeilen mit parteiinternen Auseinandersetzungen, Rücktritten, zwei verpatzen Landesparteitagen und öffentlich ausgetragenen Flügelkämpfen. Vor einem Jahr musste sich der Kreisverband Rostock auflösen, nachdem er Unterstützung für den Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz bekundet hatte. Kalbitz wurde 2020 nach einigem juristischen Hin und Her aus der Partei ausgeschlossen, da er seine Mitgliedschaft in der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ verschwiegen haben soll. Kurz darauf legte er auch seinen Fraktionsvorsitz nieder, da gegen ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung (Milzriss nach Faustschlag in den Bauch) eines Parteikollegen ermittelt wurde. Der Kreisverband Rostock stellte sich hinter Kalbitz, doch auch zahlreiche Satzungsverstöße sollen zur Auflösung des Kreisverbandes durch den Landesvorstand geführt haben. Der Führungsstil von Landeschef Leif-Erik Holm wurde seitdem in AfD-Kreisen als „diktatorisch“ bezeichnet. Allen voran: Rechtsaußen und Rechtswissenschaftler Ralph Weber, gegen den aktuell aufgrund seiner Äußerungen ebenfalls ein Parteiausschlussverfahren läuft. Er äußerte sich in den letzten Monaten abfällig über die Landesspitze und soll die Kandidat:innen für die Landtagswahl als „unfähige Gurkentruppe“ und „Kanalratten“ betitelt haben. Am 6. August gipfelten Webers Aussagen in einem Facebook-Post mit einer klaren Empfehlung: „Keine Erststimme für Stephan Reuken und die AfD.“ Der Wahlkreis habe laut Weber Besseres verdient. Trotz allem: Die Bundesspitze der Partei steht in Schwerin hinter der Landespartei – ihr bleibt im aktuellen Doppelwahlkampf auch nichts anderes übrig. Der Wahlkampfauftakt der AfD endete knapp eine Stunde früher als geplant. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!