Der Instant-Messenger Telegram gilt aktuell als das wichtigste Kommunikationsmittel der Szene. Das Chatprogramm gilt als sicher. Eine Klarnamenpflicht existiert nicht. Die Registrierung ist mit jeder x-beliebigen Telefonnummer möglich. Der Anbieter verweigert bisher die Kooperation mit deutschen Sicherheitsbehörden. Telegram ermöglicht es Nutzern, sich in Chatkanälen zu organisieren. Für Meck-Vorp haben die Veranstalter:innen der Corona-Proteste rund 25 solcher Gruppen gegründet. Diese haben Namen wie zum Beispiel „Schwerin Schweig Nicht“, „Demmin hält zusammen“ oder „Güstrow MV steht auf“. Die Mitgliederzahlen schwanken von einigen Dutzend bis weit über tausend User. Inhaltlich weisen alle Gruppen Bezüge zu extremistischen Strömungen auf. Auffällig ist dabei die heterogene Zusammensetzung der Szene. Die Pandemie wird von Reichsbürgern gleichermaßen missbraucht wie von Neonazis und Akteuren, denen es in erster Linie um die Delegitimation der demokratischen Ordnung geht. Von Reichsbürgern bis Neonazis In der Güstrower Gruppe finden sich beispielsweise jede Menge Inhalte aus der Reichsbürger-Szene. Reichsbürger eint im Wesentlichen, dass sie die Existenz der Bundesrepublik verleugnen und stattdessen von einem Fortbestand des Deutschen Reichs unter alliierter Besatzung ausgehen. Bei den „Querdenker“-Protesten waren Reichsbürger bundesweit von Beginn an sehr präsent. Die Verfassungsschutzbehörden stufen Reichsbürger als Extremisten ein. In Meck-Vorp sind sie nach Angaben der Landesbehörde für Verfassungsschutz in den Landkreisen Ludwigslust-Parchim und Mecklenburgische Seenplatte besonders aktiv. Für das Jahr 2019 bezifferte das Innenministerium das Personenpotenzial auf 550 Anhänger:innen. Dass die Corona-Skeptiker in Güstrow offenbar mit der Szene verbandelt zu sein scheinen, überrascht keineswegs. Mit Rüdiger Hoffmann, Galionsfigur des Reichsbürger-Vereins „Staatenlos.info“, ist ein bekannter Protagonist der Szene in der Gegend ansässig. In der Gruppe „Güstrow MV steht auf“ wird permanent auf die Kanäle von „Staatenlos.info“ verlinkt. Der „Oldschool-Neonazi“ könnte sich auch unter Corona-Demonstrant:innen in Ludwigslust wohlfühlen. Jedenfalls lässt das der Chatkanal „Ludwigslust steht auf“ erahnen. Der Administrator schreibt seinen Benutzernamen in nordischen Runen. Ein bekannter NPD-Aktivist ist ebenfalls mit von der Partie. Inhaltlich kreisen die Diskussion um Verschwörungsmythen und Fake News rund um Corona aus aller Welt. Als Feindbilder müssen – wie in vielen dieser Gruppen – Wissenschaftler und prominente Politiker herhalten. Delegitimation des Staates Damit steht der Chatkanal mit seinen etwa 150 Benutzer:innen gewissermaßen repräsentativ für die meisten der regionalen Ortsgruppen. Jedenfalls, was die Inhalte angeht. Jeder Mythos, jede noch so absurd klingende Falschmeldung wird in den Demogruppen ausgeschlachtet. Politische Entscheidungsträger werden permanent verächtlich gemacht. Von den berechtigten Sorgen und Nöten der Menschen, die vor Ort pandemiebedingt Schaden erlitten haben, ist in keiner dieser Gruppen ein Wort zu lesen. Ebenso wenig wird den Schicksalen der Menschen Beachtung geschenkt, die an Covid-19 verstorben sind. Wie auch, wenn man die Existenz dieser Krankheit kontinuierlich verleugnet oder herunterspielt? Damit stehen die Organisator:innen der Demos für jenen neuartigen politischen Extremismus, den das Bundesamt für Verfassungsschutz seit April 2021 als staatsdelegitimierend charakterisiert. Gemeint ist, dass Extremisten demokratische Entscheidungsprozesse sowie die entsprechenden Institutionen von Legislative, Exekutive und Judikative in sicherheitsgefährdender Art und Weise verächtlich machen, um deren Autorität zu untergraben. Die Chatgruppen belegen, dass die Veranstalter:innen der Demos flächendeckend Verbindungen zu Rechtsextremisten und Reichsbürgern zumindest in Kauf nehmen. Teilweise stammen sie selbst aus diesen Milieus. Andernorts – etwa in Schwerin – verbreiten sie über ihre Kanäle unkommentiert deren Inhalte und machen sich diese damit zu eigen. Faktenchecks seriöser Medien werden nicht verlinkt. Von einer ergebnisoffenen Debatte kann kaum die Rede sein. Vielmehr scheint es den Teilnehmenden um eine Selbstbestätigung des eigenen Weltbildes und die Zementierung bereits feststehender Ansichten zu gehen. Ein weiteres Indiz gegen die Annahme, man habe es mit einer demokratischen Bürgerbewegung zu tun. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!