Sie haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) durch einen Hungerstreik zum Gespräch gezwungen, vor dem Bundeskanzleramt Kartoffeln gepflanzt und Pferdemist ins Bundeslandwirtschaftsministerium gekippt: der Aufstand der letzten Generation macht seit Oktober mit Formen des zivilen Ungehorsams bundesweit auf sich aufmerksam. Mit Vorträgen will die Initiative über ihre Forderungen informieren. Auch in Schwerin und Greifswald finden diese statt. Am Mittwochabend war Melanie als Vortragende in Schwerin angekündigt, wurde dann aber von Kai aus Rostock vertreten. Etwa 15 Teilnehmer:innen folgten der Einladung ins Schweriner Bernhard-Schräder-Haus. Reporter Peter Scherer bei dem Vortrag der „letzten Generation“ am Mittwoch in Schwerin. (Foto: Chris Loose) Bevor Kai zum Thema kam, informierte er über seine politische Biografie. Die reichte von der Mitgliedschaft in der SPD und bei den Grünen bis zu Extinction Rebellion. Nun sei es für ihn an der Zeit, die Bewegung Aufstand der letzten Generation durch friedlichen Widerstand zu unterstützen. Er schilderte in drastischen Worten die Konsequenzen der „Erderhitzung“ und wie viele Millionen Menschen schon durch die Umweltzerstörung zu Tode gekommen seien. Den globalen Norden, der seine Vorherrschaft erhalten wolle, machte er für die Ausbeutung und Verelendung afrikanischer Staaten verantwortlich. Katastrophen wie Kriege, Flüchtlingselend und Pandemien seien wiederkehrende Phänomene. Die Klimakrise aber sei einzigartig: Einmal geschmolzenes Eis der Arktis beziehungsweise Antarktis bekomme die Erde nie wieder zurück. Der jahrzehntelange Protest und die vielen Demonstrationen gegen die Klimakrise hätten bislang nicht ausreichend Ergebnisse gebracht, um den drohenden Kollaps unserer Erde zu verhindern. Damit verstößt die Bundesregierung laut der Website der Bewegung gegen Artikel 20a des Grundgesetzes. Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Art. 20a, GG Daher sei es für Kai an der Zeit, den „legitimen Widerstand“ zu eskalieren. Er beruft sich dabei auf Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Der umgehende Widerspruch aus dem Publikum, das Widerstandsrecht gelte nur, wenn die verfassungsmäßige Ordnung gefährdet sei, und dies sei gegenwärtig nicht der Fall, wurde nicht detailliert diskutiert. Für Freitag rief die „letzte Generation“ in 14 Städten bundesweit – darunter auch Greifswald – zur solidarischen Unterstützung ihrer jüngsten Kampagne „Essen retten – Leben retten“ auf: Unterstützer:innen sollten Essen aus Supermarkt-Mülltonnen entnehmen – „containern“ – und anschließend öffentlich verschenken. Mit dieser leichten Form des zivilen Ungehorsams fordern die Aktivist:innen der letzten Generation von der Bundesregierung ein Lebensmittelrettungsgesetz, das es verbietet, Lebensmittel wegzuwerfen. So sollen das Containern entkriminalisiert und Lebensmittelverschwendung gestoppt werden. Bewegung droht mit Störungen von Häfen und Flughäfen Die zweite Forderung ist die nach rechtlichen Maßnahmen für eine echte Agrarwende bis zum Jahr 2030 in den ersten 100 Tagen der neuen Bundesregierung. Auf die Frage, was dies konkret bedeute, antwortete der Referent, dass man für „eine nachhaltige und klimaneutrale Landwirtschaft“ eintrete. In ihrem offenen Brief an die Bundesregierung vom Mittwoch fordert die letzte Generation die Umsetzung aller Empfehlungen des Klima-Bürgerrats, um dieses Ziel zu erreichen. Für ihre Forderungen schrecken die Klimaschützer:innen auch nicht vor anderen Formen des zivilen Widerstands wie Autobahnblockaden und Abseilaktionen zurück. Doch diese werden aktuell pausiert – bis Sonntag. Das ist die Frist, die sie der Bundesregierung und Olaf Scholz in ihrem offenen Brief gesetzt haben. Bis dahin fordern sie eine Stellungnahme der Bundesregierung zu den Empfehlungen des Klimarats und einen verlässlichen Zeitplan bis zum Einbringen des „Essen-Retten-Gesetzes“ in den Bundestag. Dann würden sie ihre Störaktionen beenden. Doch: „Beim Ausbleiben einer solchen Reaktion werden wir zusätzlich anfällige Infrastruktur in diesem Land stören und zum Innehalten bringen. Häfen und Flughäfen sind für uns Ausdruck eines unveränderten fossilen Alltags, den wir aus Liebe zu unseren Familien, Freund:innen und allen Mitmenschen nicht hinnehmen können.“ Auch auf diese Formen des zivilen Ungehorsams scheinen die Aktivist:innen vorbereitet zu sein. Auf der Veranstaltung in Schwerin schilderte ein Christian in einem Video, dass Polizeigewahrsam inklusive Einzelhaft für ihn erträglich wären. Dort wurde auch ein Aktionstraining inklusive Klärung rechtlicher Fragestellungen bei den Widerstandsaktionen zugesagt. Christian wies darauf hin, dass sich die Gemeinschaft der Aktivist:innen umeinander kümmere und um die psychische Gesundheit sorge. Für alle, die die Störaktionen mit dem damit verbundenen Risiko einer Festnahme nicht unterstützen wollen, bot Referent Kai an, durch Unterschriftenaktionen und Geldspenden den „friedlichen Widerstand“ unterstützen zu können. Die Publikumsbeiträge machten deutlich, dass die Teilnehmer:innen die Besorgnis um die Zukunft unseres Planeten teilten. Widerspruch bekam Kai aber, als es um die Mittel ging, die der Aufstand der letzten Generation einsetzt, um die Kampagnenziele zu erreichen. In einem demokratischen Rechtsstaat, einer parlamentarischen Demokratie gäbe es rechtskonforme Mittel, seine Forderungen durchzusetzen, wenngleich sich aber auch Verständnis für zivilen Ungehorsam im Publikum fand. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!