Die Ursachenforschung im Hinblick auf die Umweltkatastrophe in der Oder geht weiter. Aktuell vermuten Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), dass eine Algenart und deren Gift für das massive Fischsterben verantwortlich sein könnte. Die Alge konnte laut Angaben des IGB „massenhaft in Gewässerproben aus der Oder“ nachgewiesen werden. Und auch das zugehörige Algengift ist mittlerweile bestätigt. IGB: Natürlich Ursache unwahrscheinlich Eine Analyse von Satellitendaten scheint diesen Ansatz zu unterstützen. So konnte auf Grundlage einer hohen Chlorophyll-Konzentration in der vergangenen Woche eine massive Algenblüte in der Oder festgestellt werden. Die Daten, die ebenfalls für Ende Juli und Anfang August ausgewertet wurden, zeigen, dass sich die Konzentration von Chlorophyll im Juli in der Oder noch auf mittlerem Niveau bewegte und nur „im südlichen Flussabschnitt um die Stadt Opole“ leicht erhöht war. Anfang August zeigte sich dann ein „sprunghafter Anstieg“ auf Höhe von Wrocław/Breslau, während sich in der vergangenen Woche die Algenblüte „wie eine Welle weiter flussabwärts verlagert und auf einen größeren Bereich der Oder ausgedehnt“ hat. Wie das IGB mitteilte, sei ein solches Massenaufkommen der Algen auf hohe Salzgehalte im Wasser zurückzuführen, „die nur durch industrielle Einleitungen entstehen können“. Algen im Haff nachgewiesen, aber in geringer Konzentration In Mecklenburg-Vorpommern beobachten unter anderem Politik, Experten und Umweltverbände den Zustand des Stettiner Haffs. Bei einem Treffen der Verbände mit Umweltminister Till Backhaus (SPD), gab dieser am 23. August erneut Entwarnung. Zwar habe sich die in Verdacht stehende Algenart auch im Kleinen Haff, dem deutschen Teil, nachweisen lassen, doch sei „die Konzentration gering“ und das Vorkommen dieser Algen dort „nicht ungewöhnlich“, so Backhaus. Tote Fische gebe es auch weiterhin keine. Es existiere damit kein Hinweis darauf, dass sich das Algengift auf das Ökosystem im Haff auswirkt und somit ein Fischsterben auslösen könnte, teilte der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND MV) auf KATAPULT MV-Anfrage mit. Verdünnungseffekt der Ostsee schützt das Haff Unter anderem die Algen, aber auch andere Wasserparameter wie der Sauerstoffgehalt im Haff sollen weiter „engmaschig überwacht“ werden, so der BUND MV weiter. Als Erklärung für die geringe Gefahr im Haff bisher sieht der Naturschutzverband den Verdünnungseffekt der Ostsee an. Es herrsche derzeit eine Windrichtung, die Ostseewasser ins Haff und auch in die Oder hineindrücke. Da durch die derzeitige Trockenheit die Oder weniger Wasser führt, vermische sich das Süß- mit dem Salzwasser wesentlich schneller. Nabu fordert gezielte Wasserproben tiefer Haffbereiche Vom Naturschutzbund MV (Nabu) kommt eine andere Erklärung. Im Haff würde aktuell Wasser mit unterschiedlichen Salzgehalten aufeinandertreffen, die sich kaum vermischen. Das Wasser mit höherem Salzgehalt sinke aufgrund höherer Dichte ab, konzentriere sich demnach „in den tiefsten Bereichen der jeweiligen Gewässer“. Im Haff seien das beispielsweise die Fahrrinnen großer Schiffe, wo sich das „verseuchte Wasser“ aus der Oder sammele. Da das Haff an vielen Stellen jedoch eine verhältnismäßig geringe Wassertiefe aufweist, gebe es eben auch große Flächen mit „normalem“, viel weniger salzhaltigem, „leichterem“ Wasser. Dorthin könnten etwa Fische ausweichen. In der „räumlich begrenzten Oder“ gebe es dagegen „kaum Ausweichmöglichkeiten“ und damit einen entsprechend hohen Anteil betroffener Wasserlebewesen. Aus diesem Grund fordert der Nabu MV, speziell an den tiefsten Stellen des Haffs gezielt Wasserproben zu entnehmen. Es müsse zusätzlich zum großflächigen Monitoring überprüft werden, ob nicht an den tiefen Stellen Maßnahmen zur Reduktion der „Giftfracht“ ergriffen werden müssten. Bisher circa 300 Tonnen toter Fisch eingesammelt Dass die Ursache für die Umweltkatastrophe wohl menschengemacht ist, davon gehen mittlerweile nicht nur die Wissenschaftler:innen vom IGB aus. Auch die Politik sieht Indizien dafür. Diese „Mensch-gemachte Katastrophe in der Oder“ sei wohl auch vermeidbar gewesen, so Umweltminister Backhaus. Neben genehmigten Einleitungen in die Oder habe es auch 170.000 ungenehmigte gegeben. Die polnische Wasserbehörde meldete – ebenfalls am 23. August – 282 nicht genehmigte Abwasserleitungen, die entdeckt und jetzt nachverfolgt werden. Diesbezüglich bestehe dringender Handlungsbedarf, betont Backhaus. Er wolle sich per Brief an Bundesumweltministerin Steffi Lemke (SPD) wenden und eine lückenlose Aufarbeitung fordern. In der Zwischenzeit wurden sowohl in Polen als auch in Brandenburg bereits fast 300 Tonnen toter Fisch von der Wasseroberfläche der Oder gesammelt. Die angrenzenden Brandenburger Landkreise und die Stadt Frankfurt an der Oder verbieten bis auf Weiteres per Allgemeinverfügung sowohl die Wasserentnahme als auch das Baden und Angeln in der Oder. Warnungen und Empfehlungen fürs Kleine Haff gelten weiterhin In Mecklenburg-Vorpommern hat der an das Stettiner Haff angrenzende Landkreis Vorpommern-Greifswald ebenfalls Schutzmaßnahmen ergriffen und nach eigenen Angaben am 13. August eine Bevölkerungswarnung ausgesprochen. So wird empfohlen, auf das Angeln und Fischen im Kleinen Haff und die Nutzung des Wassers zu verzichten. Das Landesgesundheitsministerium hat zudem am 15. August eine Warnung für die Badegewässer rund um das Stettiner Haff ausgegeben. Er sei aber zuversichtlich, dass die Empfehlungen für das Kleine Haff bald wieder aufgehoben werden könnten, so Backhaus. 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