Hebammen sind die Fachfrauen zu den Themen Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach. Sie beraten und betreuen (werdende) Mütter in Schwangerschaft, Geburt, Neugeborenenzeit, Wochenbett und Stillzeit. Dafür arbeiten sie entweder als Angestellte in Kreißsälen von Kliniken oder freiberuflich. Freiberufliche Hebammen, die außerklinische Geburten anbieten, müssen jährlich 10.000 Euro Beitrag zur Berufshaftpflichtversicherung zahlen. Und immer mehr Kliniken schließen in den letzten Jahren ihre Geburtshilfe dauerhaft oder vorübergehend. 1991 gab es in Deutschland 1.186 Kliniken, in denen Geburten möglich waren. 2018 waren es nur noch 665. 2021 schlossen elf Kreißsäle in Deutschland. Einer davon ist der des Sana-Krankenhauses in Bergen auf Rügen. So gibt es auf der größten Insel Deutschlands seit einem Jahr keine Geburtsstation mehr. Zumindest vorübergehend. Wann die Geburtshilfe wieder öffnen kann, steht noch nicht fest. Die Gründe für die vorübergehende Schließung: anhaltender Hebammenmangel und Fluktuation im Team der Ärzt:innen. Werdende Mütter müssen nun zur Entbindung nach Stralsund fahren. Ausnahme: Kaiserschnitte oder andere operative Eingriffe. Dabei gab es schon vor der Schließung Lücken in der flächendeckenden Versorgung in MV, gerade in ländlichen Gegenden. Das höchste Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, der Gemeinsame Bundesausschuss, empfiehlt maximal 40 Autominuten bis zur Entbindung. Aus einigen Gebiete in MV lässt sich unter dieser Maßgabe keine Einrichtung rechtzeitig erreichen. Lange Wege oder Versorgungsqualität Trotzdem empfiehlt eine Studie des Essener Institute for Health Care Business (HCB) von 2021, mindestens die Hälfte der Geburtsstationen in MV zu schließen. „Aus wirtschaftlichen Gründen können sich nicht alle Krankenhausstandorte aus eigener Kraft halten“, heißt es dort. „Die Geburtshilfe sollte (...) bewusst unter Inkaufnahme weiterer Strecken so zentralisiert werden, dass vorbereitende Angebote wohnortnah zur Verfügung stehen, die eigentliche Geburt aber in größeren Zentren stattfindet.“ Dabei sollen gerade kleine Geburtsstationen mit unter 500 Geburten bis mittelgroße mit 500 bis 1.000 Geburten im Jahr schließen. Nur größere Häuser mit hohen Fallzahlen würden wirtschaftlich arbeiten. Häufig wird in diesem Zusammenhang der Richtwert von 500 Geburten jährlich genannt; die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe nennt 400 Geburten im städtischen, 250 bis 300 im ländlichen Raum. Kleinere Stationen als Sicherheitsrisiko Doch laut dem HCB müsse eine Klinik mindestens auf 1.000 Geburten im Jahr kommen, um die Geburtshilfe wirtschaftlich zu betreiben. Gleichzeitig würden die großen Häuser neben der Wirtschaftlichkeit auch eine hohe Versorgungsqualität sichern, während wenige Geburten eine geringere Qualität der Geburten bedeuten würde. „Die Verantwortlichen argumentieren sehr gerne mit vermeintlichen Vorteilen von großen Geburtsstationen“, heißt es dazu auf der Internetseite des Vereins Mother Hood. „Demnach würden kleinere Stationen ein Sicherheitsrisiko darstellen. Für diese weitverbreitete Annahme fehlen jedoch aktuelle Forschungsergebnisse. Die psychische und physische Gesundheit von Mutter und Kind bleibt außen vor.“ Hebammenstudium an der Uni Rostock Im Herbst 2019 wurde der Hebammenberuf bundesweit akademisiert. Seitdem muss studieren, wer Hebamme werden möchte. Seit dem Wintersemester 2020/2021 gibt es den dualen Bachelorstudiengang Hebammenwissenschaft an der Universitätsmedizin Rostock in Kooperation mit dem Klinikum Südstadt sowie elf Kliniken in MV für den Praxisteil der dualen Ausbildung. Nach sieben Semestern erhält man sowohl die staatliche Zulassung als auch einen Bachelor of Science. 2020 begann der Studiengang mit 27 Studentinnen, 2021 nahmen 24 Frauen das duale Studium in Rostock auf. Noch lernen die Studentinnen bis Sommer zusammen mit dem letzten Jahrgang der Hebammenausbildung an der Berufsschule „Alexander Schmorell“. Hebammenhilfe kann von jeder Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerin oder stillenden Frau in Anspruch genommen werden, die Kosten übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen. Dazu, wie viele Hebammen in MV arbeiten, liegen keine Daten vor. Im Hebammenverband MV sind 267 vorwiegend freiberufliche Hebammen registriert. Auf der Landkarte der Unterversorgung sieht es in MV trotz der Schließungen von Geburtsstationen noch nicht nach einem Mangel aus. Neben klassischen Hebammen gibt es laut dem Verein Doulas in Deutschland in MV drei sogenannte Doulas. Diese geburtserfahrenen Frauen begleiten zusätzlich zur Hebamme Geburten in Kliniken, Geburtshäusern oder zuhause. Dabei kümmern sie sich um das Wohlbefinden der Gebärenden, nicht jedoch um die medizinische Versorgung. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!