Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln veröffentlichte Ende letzten Jahres Routenberechnungen, die Aufschluss über die Einsatzgeschwindigkeit der Feuerwehren in Deutschland geben. Sie beruhen auf insgesamt 26.000 Geokoordinaten, die in einem Datensatz des Onlinekartendienstes Open Street Map unter dem Begriff fire station hinterlegt waren. Die tatsächliche Existenz von Feuerwachen an diesen Punkten wurde stichprobenartig kontrolliert. Wie das IW in der dazugehörigen Nachricht resümiert, schneiden besonders Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg dabei schlecht ab. Heißt: Nirgendwo sonst in Deutschland müssen die Menschen länger auf die Brandbekämpfer:innen warten als im Nordosten. Dabei berücksichtigte das IW in seinen Berechnungen noch nicht einmal die Anfahrt der Feuerwehrleute zu den Wachen und die jeweiligen Rüstzeiten, sondern nur die reine Fahrtzeit – bei normalem Verkehr. Davon ausgehend liege laut IW die Annahme nahe, „dass vor allem freiwillige Feuerwehren zum Einsatzort tatsächlich länger brauchen als in der Analyse berechnet“. Verantwortung liegt bei den Gemeinden Verantwortlich für den Brandschutz vor Ort sind hauptsächlich die Gemeinden. Sie stellen größtenteils freiwillige Feuerwehren auf, sind aber auch für die Definition sogenannter Schutzziele zuständig. „Schutzziele in der Gefahrenabwehr beschreiben, wie bestimmten Gefahrensituationen begegnet werden soll.“ Für deren Erfüllung müssen Qualitätskriterien festgelegt werden. Im Hinblick auf Feuerwehreinsätze sind das nach Angaben des Innenministeriums MV die folgenden: Zum Ersten die Mindesteinsatzstärke. Sie legt fest, wie viele Einsatzkräfte mit entsprechenden Qualifikationen und welche Einsatzmittel an der Einsatzstelle benötigt werden. Zum Zweiten die Eintreffzeit. Diese „umfasst den Zeitraum von der Alarmierung der Feuerwehr [...] bis zum Eintreffen einer Einheit zur Gefahrenabwehr an der Einsatzstelle“. Und zum Dritten der Erreichungsgrad. Er beschreibt den „Anteil aller Einsätze, bei dem Eintreffzeit und Mindesteinsatzstärke eingehalten“ wurden. Sind die Schutzziele und die Qualitätskriterien festgelegt, so ergeben sich daraus „die erforderlichen Standorte von Feuerwehrhäusern und deren Ausstattung mit Fahrzeugen“. 30 Minuten in Warrenzin, eine Minute in Pudagla Mit Blick auf die Routenberechnungen des IW ist besonders die Eintreffzeit als Größe interessant. Hierzu heißt es in der Feuerwehrorganisationsverordnung MV, es sei anzustreben, „dass die Feuerwehr innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches nach Möglichkeit innerhalb von zehn Minuten nach Alarmierung an der Einsatzstelle“ eintrifft und entsprechende Gefahrenabwehrmaßnahmen einleitet. Legt man diesen Richtwert als Orientierung zugrunde und schaut sich diesbezüglich die Daten des IW an, so wurden für 202 Gemeinden in MV Anfahrtszeiten von zehn Minuten und mehr zu 95 Prozent der Menschen errechnet. Zum Beispiel in Wustrow (Mecklenburgische Seenplatte) mit 13,7 Minuten, in Bernstorf (Landkreis Nordwestmecklenburg) mit 15,1 Minuten oder Behren-Lübchin (Landkreis Rostock) mit 17,8 Minuten. Am längsten braucht die Feuerwehr laut IW-Berechnung übrigens in Warrenzin (Mecklenburgische Seenplatte) mit 30,5 Minuten. Am schnellsten am Einsatzort ist sie auf der Insel Usedom in Pudagla (Landkreis Vorpommern-Greifswald) mit errechneten 1,3 Minuten. Viele Ehrenamtliche, wenig Berufsfeuerwehr Der Brandschutz wird in Mecklenburg-Vorpommern sowohl durch Berufs- als auch durch freiwillige Feuerwehren gewährleistet. Sechs Berufsfeuerwehren, nämlich in Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald und Wismar, stehen mit circa 800 hauptberuflich Beschäftigten über 900 freiwilligen Feuerwehren mit rund 25.000 ehrenamtlich Tätigen gegenüber. Und so wird die Weite des Flächenlandes Mecklenburg-Vorpommern hauptsächlich von den Ehrenamtlichen der freiwilligen Feuerwehren abgedeckt. „Ohne sie wären die Anfahrtszeiten besonders auf dem Land um ein Vielfaches länger, da die Hauptberufler aus weit entfernten größeren Städten anrücken müssten“, schreibt dazu das IW. Die „Feststellung, dass die Feuerwehren in MV mehr Zeit benötigen, bedeutet [...] nicht, dass sie ihren Verpflichtungen nicht in ausreichendem Maße nachkommen“, reagiert das Landesinnenministerium auf die IW-Berechnungen. Zudem verfüge Mecklenburg-Vorpommern nicht nur „über ein leistungsfähiges Feuerwehrsystem“. Auch die „Mischung aus ehren- und hauptamtlichen Kräften“ habe sich bewährt. Es sei allerdings „notwendig, ständig einsatzbereite Feuerwehren mit ausreichend Personal vorzuhalten“. Doch genau das ist das Kernproblem für viele Gemeinden. Es herrscht Personalmangel bei der freiwilligen Feuerwehr. Das Innenministerium erklärt diesen Umstand mit „dem demographischen und wirtschaftlich-strukturellen Wandel“. Für die Gemeinden bedeutet es, die freiwilligen Feuerwehren möglichst attraktiv zu halten. Und auch die freiwilligen Feuerwehren selbst müssen sich intensiv um Nachwuchs bemühen. Damit liegt die Verantwortung zwar wiederum auf ehrenamtlichen Schultern, doch eines steht dennoch fest: Wer sonst kann zukünftige Feuerwehrleute besser begeistern als diejenigen, die schon heute in ganz Mecklenburg-Vorpommern mit viel Herzblut für die Sache aktiv sind? Und ohne die MV definitiv weit schlechter dastünde. Dieser Artikel erschien in Ausgabe 4 von KATAPULT MV. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!