Die Ostsee-Zeitung hat im letzten Jahr über 10.000 Exemplare weniger pro Tag verkauft. Die Abozahlen sinken stetig. Der Einzelhandel bricht weg und die Digitalabos sind in diese Rechnung schon mit einbezogen. Sie können die Abwärtsspirale der OZ nicht kompensieren. Auch wenn die Zeitung nach Informationen einen Überschuss von neun Millionen Euro erwirtschaftete, hat die Geschäftsführung 2022 mehr als 45 Mitarbeitende gekündigt. Die Gewerkschaft Verdi Nord und der DGB Nord verurteilen die Kündigungen, schreiben von unerträglichen Maßnahmen und kündigen „massive Proteste“ an. Die OZ hat 2022 ihre eigene Druckerei dichtgemacht, das OZ-Anzeigenblatt eingestellt und die OZ-Bildbearbeitung geschlossen. Gesellschaftlich ist das eine Katastrophe. Verdi vermutet dahinter eine Strategie des Lohndumpings. Die OZ wird nun beim Nordkurier gedruckt. Auch der DGB Nord vermutet hinter der gesamten Umstrukturierung, dass die OZ Tariflöhne umgehen will. Die OZ hat die Fragen von KATAPULT MV hierzu nicht beantwortet. Journalistisch ist die Lage ebenfalls prekär. Die Ostsee-Zeitung verfälscht Zitate, betreibt in vielen Fällen Schleichwerbung und nutzt Kommentare aus den Sozialen Medien ohne sorgfältige Prüfung als Quelle der journalistischen Recherche. In einer Angelegenheit ist die OZ jedoch stark: Sie engagiert erfahrene Anwälte, die versuchen, kritische Äußerungen über die OZ gerichtlich untersagen zu lassen. Die OZ ist gegen einige Äußerungen aus dem KATAPULT-MV-Artikel über die OZ vom 24. Februar mithilfe ihrer Anwälte rechtlich vorgegangen, zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dauert das Verfahren noch an. Ein von den Anwälten angegebener juristischer Gegenstandswert von 60.000 Euro wirkt einschüchternd. Auch für uns. KATAPULT MV hat dennoch entschieden, jetzt erst recht einen umfangreichen Artikel über die OZ zu bringen. Transparenzhinweis: Ich bin in zwei Fällen auch persönlich von der extrem irreführenden Berichterstattung der OZ betroffen. Deshalb sind in diesem Artikel noch viel mehr Quellen als gewöhnlich enthalten, damit ihr es nachvollziehen und nachprüfen könnt. Macht euch selbst ein Bild von der Situation. 1. Schleichwerbung: Ostsee-Zeitung verkauft Werbung als Journalismus
2. Die OZ fälscht Zitate
3. Die OZ veröffentlicht Falschmeldungen
4. Die OZ druckt das Internet aus
5. Die OZ betreibt Sensationsberichterstattung 1. Schleichwerbung: Ostsee-Zeitung verkauft Werbung als Journalismus Der deutsche Presserat hat der OZ 2006 eine Rüge erteilt. So etwas ist für Medien unangenehm. Warum hat der Presserat das gemacht? Die OZ hat Artikel sieben des Pressekodex verletzt: Verbot von Schleichwerbung. Das Medienhaus aus Rostock hat sich seitdem nicht gebessert. Die OZ veröffentlichte im vergangenen Jahr allein in einem einzigen Monat 26 Artikel über die Kreuzfahrtreederei Aida. Immer positiv, immer unkritisch. Die Zeitung wirkt wie eine Marketingmaschine des Konzerns. Das Problem: Genau eine solche Art von Artikeln verstößt gegen den Pressekodex und kann als Schleichwerbung eingeordnet werden. In manchen dieser Artikel informiert sie über Fahrtrouten, organisiert Gewinnspiele mit Bezug auf Aida, informiert darüber, wie umweltfreundlich solche Reisen seien – obwohl das auch inhaltlich natürlich komplett falsch ist. Hier wird die Leserschaft doppelt getäuscht: Das sind keine seriösen journalistischen Artikel und Kreuzfahrten sind nicht umweltschonend. Manche Kreuzer fahren mit umweltschädlichem Diesel, manche bereits mit Gas, was am Ende aber wenig ausmacht: Viele Aida-Gäste reisen per Flugzeug an, machen Urlaub auf dem Aida-Dieselschiff und fliegen dann wieder mit dem Flugzeug nach Hause. Umweltschädlicher kann ein Urlaub nicht sein. Fliegen und Kreuzfahrten gehören zu den umweltschädlichsten Verkehrsarten und Aida-Kund:innen kombinieren beide. Und was schreibt die OZ? - „Kreuzfahrten boomen wieder: Wie ganz MV davon profitiert“
- „Dass es Arosa wieder gut geht und dass es auch bei Aida bergauf geht, sind gute Nachrichten für ganz MV“
- „Endlich wieder vernünftiger Urlaub: Kreuzfahrtsaison startet in Warnemünde“
- „Kreuzfahrt: Philip Lieske aus Ribnitz-Damgarten fand auf der Arosa sein Glück“ „Vernünftiger Urlaub“ ist falsch. Ob und auf welchem Schiff Herr Lieske sein Glück fand, ist irrelevant. Diese Liste der Jubel- und Nonsensartikel könnte man ewig weiterführen. Selbst anfänglich kritisch klingende Texte enden damit, dass Aida modern ist und bald alles besser wird, auch wenn sich bereits viele Leute aus Warnemünde über den Öl- und Dieselgestank beschweren. Selbst den Vorschlag der Aida, mitten im russischen Krieg gegen die Ukraine wieder russische Häfen ansteuern zu wollen, kritisiert die OZ nicht. Im Gegenteil. Sie packt den Vorschlag in eine Überschrift: „Prinzip Hoffnung: Aida bietet wieder Kreuzfahrten nach Russland an“. Das ist zwar ein Zitat, aber eine Redakteurin hat eben auch die Freiheit, zu entscheiden, was eine Überschrift in den Fokus rücken soll und was nicht. Und was, wenn Aida Geburtstag feiert? Dann ist die OZ mittendrin: „Aida feiert 25. Geburtstag: Die ganze Jubiläumsshow als Video zum Ansehen“. Noch mal: Sowas kann man nicht Journalismus nennen. Das ist Hofberichterstattung. Auch wieder mit dabei: ein Gewinnspiel für eine Reise im Wert von 1.500 Euro. Die OZ wirkt hier eher wie eine Werbepartnerin und weniger als das journalistische Medium, das sie eigentlich sein sollte. Die OZ unterhält wirtschaftliche Beziehungen zu Aida und teilt ihren Leser:innen das nicht ehrlich mit. Wer das macht, verletzt den Pressekodex, Artikel 7. Aber sie täuscht eben auch Menschen, die in unserer Region leben. Einige von ihnen glauben dann womöglich wirklich, dass Kreuzfahrten umweltschonend sind. Und: Für Anzeigenblätter zahlt man eigentlich kein Geld. Höchstwahrscheinlich hängen viele OZ-Einnahmen an Aida-Werbegeldern. Beide Firmen sind in gewisser Weise voneinander abhängig. Die OZ braucht das Geld, die Aida braucht positive Kreuzfahrtnews aus ihrem Heimathafen Rostock. Man könnte auch sagen, der Aida-Pressesprecher ist der beste seiner Art. Ihm ist es offenbar in unvergleichlicher Weise gelungen, eine gesamte Zeitung wie die Pressestelle seines Arbeitgebers wirken zu lassen. Aus seiner Perspektive ist die Sache genial gelaufen, denn sie gipfelt in OZ-Artikeln, die so beginnen: „Darf man sich also freuen, wenn die Kreuzfahrten wieder boomen und die Besucherzahlen geradezu explodieren? Ja, man darf.“ Die OZ erteilt hier also ihre ausdrückliche Erlaubnis „zum Freuen“. Noch mal: Kreuzfahrten gelten als eine der dreckigsten Arten des Tourismus. Dänische Wissenschaftler:innen schätzen, dass Schiffsabgase für etwa 50.000 vorzeitige Todesfälle in Europa verantwortlich sind. Kurz: Kreuzfahrten sind eine ökologische und medizinische Katastrophe. Schleichwerbung für Flusskreuzfahrten zum Lockdown Es gibt noch weitere Fälle von Schleichwerbung bei der OZ. In Vorpommern schreibt das OZRedaktionspaar Kai und Christin Lachmann mindestens drei Artikel über seine Flusskreuzfahrt mit dem Unternehmen A-Rosa. Es gehört nicht zu Aida. Doch auch dafür werden ermäßigte Angebote angepriesen, ein Artikel beginnt direkt mit dem Mittagsangebot: „Boeuf Bourgignon, Rotbarschfilet oder doch lieber Waldpilz-Lasagne?“ Das wirkt eher wie eine Anzeige und nicht wie Journalismus. Ob die Autor:innen die Kosten der Fahrt selbst getragen haben, erfährt man aus den Texten nicht. Die beiden haben hier jegliche journalistische Standards abgelegt. Ein und dasselbe Unternehmen porträtieren sie mindestens drei Mal in einem einzigen Monat. Mal das Essen, mal den Routenverlauf und wo man zusteigen kann, mal wie doll das „Restaurant-Feeling“ aufkommt. Das alles hat keinen gesellschaftlichen Wert. Das Fazit ihrer Reise ist dann auch wenig überraschend: Ja, man könne so eine Reise trotz Corona machen und mit dem Essen ist wohl auch irgendwer, den sie auf dem A-Rosa-Boot getroffen haben, „zufrieden“. Das Ganze passierte offensichtlich zur Hochzeit des Corona-Lockdowns. Kein Hindernis für die OZ, trotzdem Stimmung für Kreuzfahrten zu machen und prophylaktisch auch eine Begründung mitzuliefern, warum man das nun darf: „Man habe sich ja schon die letzten Monaten mit dem Virus beschäftigt, warum nicht für ein paar Tage mal vergessen.“ Na ja. Da würden einem eigentlich viele Gründe einfallen. Kai und Christin Lachmann haben wohl zur Beantwortung der eigenen Frage einen Blackout gehabt. Eine Anfrage von KATAPULT MV, ob diese Berichterstattung von A-Rosa bezahlt wurde, wer die Artikel in Auftrag gegeben hat und warum gleich drei Artikel über die gleiche Firma in einem Monat erscheinen mussten, ließen die Lachmanns und auch die Ostsee-Zeitung Greifswald unbeantwortet. Die Fälle, in denen die OZ Angebote und Preise von größeren Firmen nennt, beschränken sich nicht nur auf Aida und A-Rosa. Die Zeitung pendelt immer wieder zwischen Gefälligkeitsjournalismus und offensichtlicher Schleichwerbung. Im vergangenen Dezember schrieb mir die OZ eine Mail. Chefredakteur Andreas Ebel will mich sprechen. Es geht eigentlich darum, ob die Lokalredaktion in Greifswald zumacht oder nicht. Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Die Lage ist unklar. Ich soll darüber aber am besten gar nicht berichten. Am Ende des Gesprächs frage ich Ebel, ob es wirtschaftliche Beziehungen zwischen Aida und OZ gibt. Antwort: Ja, es gibt wirtschaftliche Beziehungen. Wichtig sind ihm dabei aber zwei Sachen, sagt er. Erstens: Die OZ macht auch kritische Beiträge über Aida und zweitens: Ich darf auf keinen Fall schreiben, dass die OZ wirtschaftliche Beziehungen zu Aida unterhält. Deshalb auch das Telefonat und keine Mail. Okay. 2. Die OZ verfälscht oder missbraucht Zitate Die Ostsee-Zeitung berichtet nicht ergebnisoffen. Konkret sieht das so aus: Am 30. August 2022 veröffentlichte die Ostsee-Zeitung den Text Energiekrise in MV: Sind stimmungsvoll beleuchtete Weihnachtsmärkte 2022 in Gefahr. Der Artikel war auf dem Cover und sollte darstellen, dass die Klimabewegung Fridays for Future kritisch zu den Weihnachtsmärkten steht: Die OZ druckte am Ende das hier:
„Auch die Aktivisten der Rostocker ‚Fridays for Future‘-Bewegung (FFF) fordern, dass der Weihnachtsmarkt seinen Beitrag in der Energie-Krise leistet: Natürlich müsse auch über die Volksfeste diskutiert werden, heißt es von Hannes Scharen, dem Sprecher der Gruppe.“ Was hat Fridays for Future Rostock wirklich geantwortet?
Die Klimaschutzgruppe Fridays for Future Rostock sieht Bemühungen zum Sparen von Energie als grundsätzlich positiv an. Jedoch geht die Diskussion um den Weihnachtsmarkt an den wirklich wichtigen Themen vorbei, so Hannes Scharen von Rostock for Future [...]. In der OZ stand das Gegenteil von dem, was der Fridays-for-Future-Sprecher gesagt hat. FFF bat im Nachgang den OZ-Redakteur um eine Berichtigung. Erfolglos. Der Artikel wurde auch in der Onlineversion nicht korrigiert. Es geht weiter. Am 22. Januar 2023 veröffentlichte die OZ den Artikel Greenpeace-Mitglied aus MV: Wir brauchen Atomkraft und Kohle. Diesmal ist das Zitat korrekt. Was ist falsch? Die zitierte Person mag zwar Greenpeace-Mitlied gewesen sein, vertritt aber nicht die Position von Greenpeace. Viele Lesende werden bei der Überschrift jedoch denken, dass Greenpeace hinter diesen Äußerungen stehe. Greenpeace beschwerte sich über die irreführende Berichterstattung: „Dieser Mensch spricht NICHT für uns. Wir sind klar gegen Kohle und Atomkraft und wir urteilen grundsätzlich NIE über andere Teile der Umwelt- und Klimabewegung [...].“ Eine Korrektur oder mindestens einen Hinweis darauf, dass Greenpeace die Sache tatsächlich genau andersrum sieht, gab es auch hier nicht. Der Artikel ist weiterhin online. Es geht weiter. Am 5. Februar veröffentlichte die OZ dann unter Lesermeinungen den Artikel Rostock steigt aus der Kohle aus: „Der Strom kommt dann wo genau her?“ Offensichtlich hat die OZ diese Lesermeinung aus ihrer Facebook-Kommentarspalte kopiert, ohne das zu kennzeichnen. Dazu später mehr. Auch interessant: Die OZ veröffentlicht einen Kommentar von Bernd Sturzrehm. Er schrieb: „Mit dieser Energiepolitik haben wir uns längst zum Gespött in der EU gemacht.“ Überraschend ist das Zitat, weil die OZ es bereits zum zweiten Mal nutzt. Zuvor tat sie dies vier Monate zuvor in einem Artikel vom Oktober 2022. Den Facebook-Kommentar gibt es wirklich, die OZ klärt ihre Lesenden nicht darüber auf, von wo er kommt, dass er alt ist und das Profil hinter dem Facebook-Konto wahrscheinlich nicht sorgfältig geprüft. Es wirkt so, als sammelt sich die OZ irgendwelche Kommentare aus irgendeinem Jahr raus, verpanscht sie zu einem Artikel und sagt niemandem, woher das alles stammt. Es ist zudem fraglich, ob Leute, die etwas auf Facebook kommentieren, „OZ-Leser“ genannt werden können. Die Quote derer, die kommentieren, ohne den Artikel gelesen zu haben, ist in allen Sozialen Medien hoch. Diesen Ort als Quelle der Meinungsbildung zu nutzen, ist kritisch. Diese Fälle zeigen, wie traurig Journalismus werden kann. Die OZ druckt nicht einfach nur das Internet aus, sie druckt sogar das alte Internet aus – aber ohne Angabe der Quelle. So gesehen ist das Internet nachvollziehbarer als die Ostsee-Zeitung. 3. Die OZ verbreitet einen falschen Verdacht Die Vorwürfe in Beiträgen der OZ-Redakteurin Martina Rathke waren hart: Mögliche Veruntreuung von Spenden durch KATAPULT sowie angeblich drohende strafrechtliche Ermittlungen. Sie stigmatisieren KATAPULT und mich in extremer Weise. Aber die Vorwürfe waren leicht zu entkräften. Ich habe in einem Transparenzbericht dargestellt, wohin die Spenden gegangen sind. Ich habe Quellen genannt und der OZ auch mitgeteilt, dass sie irrte, indem sie darüber spekulieren ließ, dass Spenden nicht rechtmäßig eingesetzt wurden. Dass das Bundesfinanzministerium in Krisenfällen die Zweckgebundenheit von Spenden aufhebt, ist allen klar, die in diesem Bereich arbeiten. Ob der von der OZ befragte Anwalt das wusste oder nicht – in dem Artikel kam es jedenfalls nicht zur Sprache. Ich hatte in der letzten Ausgabe von KATAPULT MV darüber berichtet und der OZ per Mail Fragen gestellt. Meine Fragen wurden nicht beantwortet. Eine Richtigstellung wurde – wie auch in den anderen Fällen – nicht gedruckt. Frau Rathke musste den grob irreführenden Artikel offenbar in kurzer Zeit schreiben. Sie betrieb Verdachtsberichterstattung ohne vernünftige Recherche. Dafür zitiert sie zwei selektive Kommentare aus den Sozialen Medien und nennt dabei noch nicht mal den Namen der Kommentierenden. Das ist kritisch. Der OZ brachte der Artikel viele Klicks. Manche Leute haben vielleicht ein Abo bei der OZ abgeschlossen, weil der Artikel hinter der Paywall war. Übrigens: Die OZ-Anwälte nennen die Paywall „Mehrwertschranke“. Ich habe Frau Rathke und auch den Chefredakteur Ebel darum gebeten, Stellung zu beziehen und eine Berichtigung zu veröffentlichen. Sie lehnten das ab. Martina Rathke scheint auch mindestens einen Artikel mit Schleichwerbung veröffentlicht zu haben. Wir bekommen den Hinweis, dass auch sie in einem Artikel Produkte, Angebote, Preise und Preisrabatte nennt, ohne dass ein tragfähiger journalistischer Grund erkennbar wäre. Bereits die Überschrift ihres Artikels wirkt wie der Slogan eines Reisebüros: „Hoteliers reagieren mit Preissenkungen, kurzentschlossene Urlauber sparen jetzt.“ Sie lässt dann noch einen Hotelier zu Wort kommen, dessen Hotel natürlich namentlich genannt wird: „Wir bieten Kurzentschlossenen ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Die Formulierung „attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis“ wirkt für ein journalistisches Medium deplatziert. Im Text wird dann noch ein Reiseportal mit Internetseite genannt. Ob Rathke Geld von diesem Portal bekommen hat oder nicht, ist unklar. Denn: Frau Rathke hat die diesbezüglichen Fragen von KATAPULT MV nicht beantwortet, was für Journalist:innen ungewöhnlich ist. Der zweite große Fall von OZFalschberichterstattung betrifft die Landesregierung MV. Die Kritik an der Landesregierung ist sicher berechtigt, aber die OZ hat offensichtliche Fehler bei der Recherche gemacht, die man als solche auch leicht erkennen kann. In einer Pressemitteilung vom 21. März schreibt die Staatskanzlei MV: „Darüber hinaus enthält die Berichterstattung der Ostsee-Zeitung bedauerlicherweise mehrere Falschaussagen.“ In der Meldung werden insgesamt vier Falschmeldungen der OZ aufgezählt. Es geht darum, wann wer was über eine verbrannte Steuerakte gewusst hat, wann Ministerpräsidentin Schwesig sich dazu geäußert hat und wie offen die Verbindung zu Nord Stream kommuniziert wurden. Auch hier wirken die OZ-Falschaussagen so, als wären sie wegen einer unzureichenden Recherche zustande gekommen. Auch hier korrigiert die OZ nichts. 4. Die OZ druckt das Internet aus Ein Beispiel: Ein Artikel über den Gründer von Karls Erdbeerhof besteht inhaltlich fast ausschließlich aus einem Instapost vom Gründer von Karls Erdbeerhof. Der  Artikel ist im Grunde eine Kopie des Instaposts. Das ist journalistisch gesehen fragwürdig. Der Höhepunkt dieser Berichterstattung ist die von Juliane Lange produzierte Rubrik „Lesermeinung“. Oft ist nicht klar, woher die Kommentare kommen. Facebook, Twitter, Grindr? Man weiß es nicht. Es gibt in vielen Fällen auch keine eigenen Überschriften, dafür werden bereits Kommentare genutzt. Das hat mit journalistischer Arbeit wenig zu tun, sondern wirkt eher, als stünde dahinter eine politische Agenda. Dass die Zusammenstellung eine selektive Angelegenheit ist, fällt schnell auf, vor allem, wenn die Kommentare schon mehrere Monate alt sind und die OZ sie trotzdem noch mal druckt. Ein Beispiel für eine selektive Kommentarauswahl: „Klimaprotest im Gericht: ‚Ob er selbst merkt, wie lächerlich er sich macht?‘“ Das ist wohl ein Zitat in der Überschrift. Woher es stammt, wie viele Kommentare es insgesamt gab, was der Grund war, es auszuwählen, weiß niemand. Sich dafür zu entscheiden, genau dieses Zitat in die Überschrift zu packen, ist schlechte Politik, aber kein Journalismus. 5. Die OZ betreibt Sensationsberichterstattung Wenn man ein regionaler Monopolist ist, ist die Verantwortung besonders groß, denn niemand hat im Norden von MV die Chance, eine andere Zeitung mit umfangreichem Lokalteil zu lesen. Deshalb ist es kritisch, dass sich die OZ relativ offen als eine Art Bild-Zeitung des Nordens profiliert. Der Anteil der Sensationsberichterstattung ist hoch und die Zuneigung zu Bild zeigt sich auch an Äußerungen des OZ-Chefredakteurs. Die OZ gehörte mal zu Springer. OZ-Chefredakteur Andreas Ebel twittert immer mal wieder etwas über Kai Diekmann. Diekmann badet im See und liest die Ostsee-Zeitung. Das ist keine Kleinigkeit. Diekmann war als Bild-Chef für viele Rügen des Presserats verantwortlich. Sensationsberichterstattung, Verletzung des Persönlichkeitsrechts – die Anklagepunkte des Presserates sind vielfältig. Diekmann bei Twitter abzufeiern, das muss man wirklich wollen. So viele andere Tweets gibt es nicht beim OZ-Chefredakteur – außer ein paar Hinweise zur Aida. Er retweetet sowas wie „(...) Kreuzfahrtschiffe als Dreckschleudern zu bezeichnen ist nicht fair“. Als Journalist müsste man hier eigentlich einschreiten und sagen: Dreckschleuder geht eigentlich klar. Das ist fair. Chefredakteur Ebel ist bei Twitter einigermaßen tot. Die Tweet-Reaktionen gehen gegen null. Das ist eigentlich egal, aber es gibt einen Hinweis darauf, dass die OZ von Leuten geführt wird, die sich mit den Sozialen Medien schlecht auskennen. Das ist ein Problem für die Zeitung, aber auch für MV. Wenn sich selbst Medienleute nicht mit Medien auskennen, dann fühlt man sich hier in etwa so abgehängt, wie MV auch von außen oft gesehen wird. Wie sieht die Umsetzung des skandalisierenden Bild-Stils aus? Die OZ veröffentlicht sieben Fotos eines von einem Traktor überfahrenen Autos. Der Mensch darin starb noch an der Unfallstelle. Dass die OZ den Unfall in dieser Genauigkeit darstellt und sogar zwei Artikel daraus macht, geht weit über das allgemeine Interesse der Bevölkerung hinaus. Das ist Sensationsberichterstattung.  Die OZ nennt den Wohnort eines Mannes, der sich in einem Anti-Nazi-Projekt engagiert (er ist KATAPULT MV bekannt). Der Ort ist sehr klein und das Fahrzeug des Betroffenen ist Thema der Berichterstattung, sodass die genaue Adresse leicht herauszufinden ist und in den Folgetagen die Räder des Wagens gelockert werden. Anderer Fall: Die OZ veröffentlicht das Video eines brennenden Hauses. Unklar ist zu dem Zeitpunkt, ob darin ein Mensch verbrennt. Die Person galt zunächst als vermisst, die Angehörigen mussten bei der OZ mitverfolgen, wie ihr Haus niederbrannte. Die Bewohnerin hat das Feuer nicht überlebt.

Die OZ verharmlost Neonazis und schreibt von „Personen des rechtspolitischen Spektrums“. Die Artikel von Stralsund-Redakteurin Ines Sommer könnten direkt von der AfD stammen. Beim Thema Geflüchtete lässt sie eine Person immer wieder deutlich ausführlicher zu Wort kommen als alle anderen: Dario Seifert. Dass dieser Dario Seifert menschenverachtende Ansichten vertritt, aus der rechtsextremen Szene kommt und in der Jugendorganisation der NPD war, das lässt Ines Sommer von der OZ in all diesen Artikeln weg.

Die OZ verkündet nach der Insolvenz eines Bäckers die Übernahme der Beschäftigten in einen anderen Bäckereibetrieb, obwohl sie zugesichert hatte, den Artikel erst zu veröffentlichen, nachdem auch die Mitarbeitenden informiert wurden. Die OZ veröffentlicht die Anschrift und Informationen über das Wohngebäude einer demenzkranken Frau, die überfallen, ausgeraubt und vergewaltigt wurde. Neben ihrem Wohnort werden damit auch sensible medizinische Informationen öffentlich. Die Familie hat nun Angst vor weiteren Überfällen (Link vorhanden, aber aus Datenschutzgründen nicht abgedruckt). Uns haben viele Mails mit Beispielen erreicht, in denen die OZ falsch berichtet hat. Oft wurde keine Berichtigung veröffentlicht, obwohl darum gebeten wurde. Aus Datenschutzgründen oder aufgrund persönlicher Wünsche nach Nichtnennung haben wir hier nicht alle angeführt. Kommentar: Der OZ fehlt Mut Die fehlende Bekanntheit des Chefredakteurs zieht sich durch die Stadt. Ich habe 100 Menschen in Rostocks Innenstadt gefragt, ob sie wissen, wer Andreas Ebel ist. 96 wussten es nicht. Drei sagten, dass Ebel eine Klinik in Bad Doberan sei und eine Person wusste, wer er ist. Warum ist das relevant? Das mächtigste Medienorgan MVs hat kein Gesicht. Es gibt keine Person, mit der man es in Verbindung bringt. Das kann Vorteile haben und ist auf den ersten Blick harmlos, aber eventuell fällt es auf diese Weise leichter, sich bei Kritik einfach wegzuducken. Besser noch: Man muss sich nicht mal wegducken, weil man gar nicht existiert. Es gibt in der ganzen OZ keine ernstzunehmende öffentliche Verantwortung. Keine Person, die das Unternehmen wirklich repräsentiert. Die Bevölkerung wird immer wieder getäuscht, sie beschwert sich, respektlos behandelt zu werden, und bei der OZ gibt es anscheinend niemanden, der sich dafür wirklich verantworten muss. Wenn KATAPULT kritisiert wird, dann stehe ich gerade, dann verantworte ich zusammen mit der KATAPULT-Chefredaktion das, was wir gemacht haben. Bei der OZ wird nicht wirklich Verantwortung übernommen, was sich schon daran zeigt, dass Berichterstattungen oftmals nicht korrigiert werden. Manche OZ-Probleme sind Einzelfälle, manche sind systematisch. Einige verstoßen höchstwahrscheinlich gegen den Pressekodex und andere verhöhnen die Menschen im Land. Fehler können passieren, auch im Journalismus. Was nicht geht: Eine Zeitung, die sich verhält, als wären Falschmeldungen über die Menschen, die hier leben, egal. Eine Zeitung, der Aufrichtigkeit fehlt. Eine Zeitung, die sich durch ein fehlendes Korrektiv im eigenen Haus unglaubwürdig macht. Die OZ muss eine Berichtigungsspalte einführen und offensiv ansagen: Ja, auch wir machen Fehler. Und wir berichtigen sie. Was für ein starkes Signal wäre das. Aber dafür ist eben Mutnötig. Als mein letzter Artikel über die OZ bei KATAPULT MV veröffentlicht wurde, habe ich mir ein großes Demoschild gebaut und bin damit alleine gegen die OZ protestieren gegangen. Ich bin damit in der Greifswalder Innenstadt, in der Rostocker Innenstadt, in Warnemünde am Strand und auf dem OZ-Dach in Rostock herumgelaufen. Ich habe das Ganze bei Twitter und Instagram dokumentiert. An manchen Orten war ich sogar mehrmals. Das wirkt auf den ersten Blick wild. Aber es war wirkungsvoll. Durch die Aktion sind viele Menschen auf das Thema aufmerksam geworden, mehr noch: Einige haben mir Hinweise gegeben, darunter auch einige OZ-Mitarbeitende. Vieles davon hat mir auch bei der Recherche dieses Artikels geholfen. Am Tag der offenen Tür bei der OZ gab es eine firmeninterne Kommunikation von der OZ-Leitung. Thema: Benjamin Fredrich darf auf keinen Fall das Haus betreten. Mir wurde ein Screenshot davon durchgestochen und ich habe ihn auf meinen privaten sozialen Kanälen veröffentlicht. Wie reagierte die OZ-Leitung? Die OZ fing an, in der eigenen Redaktion zu ermitteln. Sie suchten intern die Person, die mir das geschickt hat. Mit den internen Ermittlungen gegen die eigenen Leute haben sie mich viel stärker ins Herz der OZ geholt, als ich es mit Artikeln und körperlicher Anwesenheit je gekonnt hätte. Dabei wäre es alles viel einfacher: Hallo OZ, hallo Frau Rathke, hallo Herr Ebel, sagt euren Lesenden ehrlich, dass ihr Schleichwerbung macht, sagt ihnen, dass es sich bei zahllosen Aida-Artikeln nicht um echten Journalismus handelt. Springt über euren Schatten, berichtigt endlich eure Fehler. Fangt da an, wo Journalismus beginnt! MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!