Heute zeigt die Umweltschutzorganisation BUND gemeinsam mit Bürgerinitiativen den neuen Dokumentarfilm Keine Tierfabriken mehr! in Brook, unweit der Stelle in Alt Tellin, wo am 30. März 2021 eine Anlage zur Schweinezucht abbrannte. Zur Mahnwache an der ausgebrannten Ruine treffen sich jeden Montag etwa 15 Menschen. Das Unglück, bei dem je nach Zählung zwischen 49.700 und 62.800 Tiere starben, ist nach wie vor präsent und vor allem auch brisant. Denn bis heute gibt es Streit um ausreichende Brandschutzmaßnahmen und die Klärung der Brandursache. Brandschutzkonzept war ausreichend für Gewerbe Im September 2010 wurde die Betriebsgenehmigung für die Schweinezuchtanlage und eine dazugehörige Biogasanlage in Alt Tellin erteilt. Bereits damals legte der BUND Widerspruch ein, unter anderem wegen aus seiner Sicht unzureichender Brandschutzmaßnahmen. Der Widerspruch wurde abgelehnt und führte zu einer Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald. Erst 2017 fand der erste Verhandlungstag statt. 2020 fiel ein weiterer wegen der Corona-Pandemie aus. Mit dem Brand der Anlage 2021 sieht das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburgische Seenplatte die Klage als erledigt an. Der BUND dagegen hält an der Klage fest. Laut der Umweltschutzorganisation hätten die Bereiche zwischen den nötigen Brandschutzeinrichtungen der Anlage nie größer sein dürfen als 1.600 Quadratmeter. In Alt Tellin waren sie mit 21.790 Quadratmetern allerdings mehr als 13 Mal so groß. Die Landesregierung verweist auf die damals geltenden gesetzlichen Vorgaben und sieht diese als erfüllt an. Tatsächlich galt die Schweinezuchtanlage laut Baurecht nicht als landwirtschaftliche, sondern als gewerbliche Anlage. In diesem Fall gelten andere Regelungen für die Größe der Brandabschnitte und die Feuerbeständigkeit der Bauteile, als vom BUND gefordert. Eine Computersimulation, die gezeigt haben soll, dass die Dachkonstruktion im Brandfall standhält, sowie eine Brandfrüherkennung sollten ausreichenden Schutz für die Tiere gewährleisten. Tatsächlich aber habe die Dachkonstruktion während des Brandes schon nach 15 Minuten kurz vor dem Einsturz gestanden, so der BUND. Der Pressesprecher der Betreiberfirma Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland (LFD) verweist auf die Frage nach zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz der Schweine auf die eingehaltenen gesetzlichen Mindestanforderungen. Brandursache: menschliches Versagen Laut Landesregierung hat das Brandschutzkonzept in Alt Tellin nicht versagt und war rechtlich korrekt. Doch wie kam es überhaupt zu dem Brand? Zwei Monate nach der Katastrophe reichte der BUND gemeinsam mit anderen Verbänden eine weitere Klage bei der Staatsanwaltschaft Stralsund ein. Diese richtete sich gegen die Betreiberin wegen Fahrlässigkeit. Zusätzlich gab es eine Klage gegen Unbekannt, weil die Behörden mutmaßlich zugelassen hätten, dass die Betriebsgenehmigung trotz Mängel im Brandschutz ausgestellt wurde. Laut einem Gutachten lässt sich ein technischer Defekt als Brandursache ausschließen. Menschliches Handeln als Grund für den Brand ist demnach am wahrscheinlichsten. Ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Mitarbeitende wurde jedoch mangels hinreichendem Tatverdacht im Juni 2022 eingestellt. Am 28. Dezember 2022 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig ein. Was genau den Brand entfacht hat, ist also bis heute ungeklärt. Die neue Richtlinie Damit zukünftig Tierschutz mehr Beachtung im Brandschutz findet, arbeitet die Landesregierung an einer neuen Richtlinie. Die Fertigstellung der Richtlinie über bauaufsichtliche Anforderungen an den Brandschutz in Tierhaltungsanlagen steht laut der Pressesprecherin des Innenministeriums kurz vor dem Abschluss. Der BUND äußert bereits jetzt Kritik. Die Landesvorsitzende Corinna Cwielag bemängelt: „[Der] Richtlinienentwurf der Landesregierung schlägt noch größere Brandbekämpfungsabschnitte vor und macht keine neuen Vorgaben zur Feuersicherheit der tragenden Bauteile für Stallbauten. Nach 30 Minuten kann der Stall nach wie vor einstürzen.“ BUND hält an weiteren Untersuchungen fest Nachdem alle Untersuchungen zum Brand von behördlicher Seite abgeschlossen sind, hat das Unternehmen einen Antrag auf Wiedererrichtung der Betriebsstätte gestellt. Zusätzlich soll es eine Erweiterung der Biogasanlage auf dem Gelände geben. Laut Pressesprecher von LFD bekommt diese gegebenenfalls Vorrang vor einer neuen Ferkelzucht. Man sei mit der Gemeinde intensiv im Austausch darüber. Die Prüfungen laufen. Der BUND pocht auf eine weitere Aufarbeitung der Folgen der Katastrophe. Besonders die Belastung des Bodens und des Grundwassers müsse transparent gemacht werden. Laut Corinna Cwielag sei nichts geschehen, um die durch den Brand entstandene Kontamination zu beseitigen. Mit einer Petition versuchte die Organisation ihre Forderungen durchzusetzen. Rund 6.300 Unterschriften kamen zusammen. Der Petitionsausschuss des Landtages überwies sie im Dezember 2023 an die Landesregierung. Die Betreiberfirma sieht die Lage anders. Alle Trümmerteile und Kadaver seien entfernt worden und das Gelände befinde sich in einem Zustand, der für Anwohner und Natur nicht gefährlich sei. Drei Jahre nach der Katastrophe ist demnach die Brandursache nicht geklärt, eine umfassende Aufklärung der Geschehnisse hat nicht stattgefunden und Verbesserungen im Brandschutz sind gesetzlich nicht festgelegt. So werden sich wohl auch nächsten Montag wieder Menschen zur Mahnwache an der Ruine treffen. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!