Das Schweriner Residenzensemble ist seit gut zwanzig Jahren auf dem Weg zum Unesco-Weltkulturerbe. Erst war es eine vage Idee, über die in einer öffentlichen Mitgliederversammlung des Vereins „Pro Schwerin“ gesprochen wurde. Im Jahr 2001 stimmte dann die Stadtvertretung über das Projekt ab. Dadurch wurde ein äußerst langwieriger Prozess angestoßen, wie man mittlerweile feststellen musste. Zunächst wurde der Plan 2007 vom Landtag beschlossen, 2014 folgte die Aufnahme in die deutsche Bewerberliste, die sogenannte Tentativliste. Seitdem sind viele Jahre vergangen, es wurden Entwürfe geschrieben und überarbeitet. In ein paar Monaten ist es nun aber so weit: Am 30. September können die Entwürfe zur Aufnahme in das Welterbe eingereicht werden. „Auf der Welterbeliste stehen zwar schon 177 Schlösser und die Unesco nimmt nur ungern weitere auf. Aber Schwerin überzeugt mit einer funktionalen Residenz und Adelskultur des 19. Jahrhunderts, die in ihrer Geschlossenheit und Authentizität ein exzellentes Beispiel für eine vergangene Epoche darstellt“, so Professor Stefan Breitling. Als Mitglied des Fachbeirats der Kultusministerkonferenz war er intensiv in die Auswahl der Tentativliste einbezogen. Positive Effekte für Wirtschaft und Stadtentwicklung Die zwei anderen Weltkulturerbe-Städte in Mecklenburg-Vorpommern, die Innenstädte der Hansestädte Wismar und Stralsund, durften bereits 2002 nach „nur“ vier Jahren Bewerbungsfrist den begehrten Titel der Echtheit und Unversehrtheit tragen. Wozu der langwierige Aufwand nun für die Landeshauptstadt? KATAPULT MV hat bei der Leiterin Kultur und Öffentlichkeitsarbeit der Hansestadt Stralsund, Jeannine Wolle, nachgefragt: So habe beispielsweise die gemeinsame Aufnahme der historischen Altstädte Stralsunds und Wismars im Juni 2002 zu einem starken Wachstum der Besucherzahlen geführt. Damals habe die jährliche Zahl der Übernachtungen bei 274.397 gelegen, im Jahr 2019 dagegen bei 584.806. Doch der Mehrwert des Unesco-Welterbestatus geht weit über den Tourismus und die Auswirkungen auf Stadtsanierung und -entwicklung sowie wirtschaftliche Effekte hinaus. Es ist vor allem die Zugehörigkeit zu einem großen Ganzen. So engagieren sich die Hansestädte aktiv in verschiedenen Welterbe-Netzwerken und Vereinen, um Erfahrungen mit Kolleg:innen in Deutschland und international zu teilen. Außerdem haben die Hansestädte durch das Welterbe Zugang zu unterschiedlichen Förderprogrammen. Jeannine Wolle betont auch die gewachsene Identifizierung der Bürger:innen mit ihrem Welterbe seit 1989 und ein größeres Verständnis für denkmalpflegerische Belange. „Dass die Bevölkerung hinter ihrem Welterbe steht, kann man auch an der Entwicklung der Einwohnerzahl in der Stralsunder Altstadt ablesen.“ Nach der Wende lebten dort etwa 3.500 Menschen, 2021 waren es mit 6.200 annähernd doppelt so viele. Musterbeispiel eines Fürstensitzes des 19. Jahrhunderts Und nun sollen als nächstes 44 Bestandteile der historischen Kulturlandschaft der Landeshauptstadt in die Liste aufgenommen werden. Das Schloss, das Mecklenburgische Staatstheater, das Museum und der Marstall sind wohl die bekanntesten Orte des Residenzensembles. Darüber hinaus sind es aber noch andere Elemente wie etwa der Pfaffenteich mit der Uferpromenade, die Kirchen oder der Schlossgarten. Laut einem Faltblatt der Landeshauptstadt repräsentieren sie alle in idealtypischer Weise einen Fürstensitz des 19. Jahrhunderts im Stil des romantischen Historismus. Befürwortung durch die Bevölkerung als wichtiger Bestandteil KATAPULT MV hat mit der Koordinatorin des Schweriner Welterbeantrags, Linda Hollung, gesprochen: „Im Bereich Welterbe ist der Unesco neben dem Erhalt des Natur- und Kulturerbes auch der Aspekt der Bildungs- und Vermittlungsarbeit ein besonderes Anliegen. Die Idee ist, dass nur das Wissen um die Identifikation mit dem Welterbe auch seinen Schutz garantiert.“ Wilfried Melcher, Schatzmeister des Fördervereins „Welterbe Schwerin“, und Oberbürgermeister Rico Badenschier bei der Ausstellungseröffnung „Dein Blick, deine Stadt“. Ein wesentlicher Bestandteil der Bewerbung ist also ihre Befürwortung durch die Schweriner:innen. „Der Funke springt mehr und mehr über“, befand Oberbürgermeister Rico Badenschier bei einer Ausstellungseröffnung am 2. Februar in der Sparkasse am zentralen Marienplatz. Der Fotowettbewerb „Dein Blick, Deine Stadt“ zeigt dort 125 Fotos von 31 Fotograf:innen, die sich mit dem Erhaltenswerten und dem Besonderen der Landeshauptstadt beschäftigten. „Das ist unser Beitrag, die Welt auf das Residenzensemble aufmerksam zu machen“, meinte Winfried Melcher, Schatzmeister des 2015 gegründeten Fördervereins „Welterbe Schwerin“. Bereits jetzt zeichne sich die Welterbebewerbung durch ein großes Bürgerengagement aus. Die Landeshauptstadt plant für die nächste Phase der Bewerbung, die Öffentlichkeitsarbeit und Kooperation mit kulturellen Einrichtungen noch zu intensivieren. Die Bürger:innen sollen in den Welterbegedanken eingebunden sein. Ziel ist es, den vom Förderverein bereits definierten Gedanken „Ich bin dein Erbe“ mit Leben zu füllen. Bei allem Optimismus vonseiten der Initiatoren gibt es doch auch einige Bedenken. Bei stark ansteigenden Besucherzahlen ist mit entsprechend volleren Straßen, Lärmbelästigung und einer noch schlechteren Parksituation als jetzt zu rechnen. Um das Potenzial des Titels „Welterbe“ auszuschöpfen, ohne dass es zu negativen Begleiterscheinungen kommt, bedarf es demnach einer sensiblen Planung. Bis 2024 bleibt dafür immerhin noch ein bisschen Zeit. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!