Laut Polizeiinspektion Anklam sei „noch nicht abzusehen, wohin das heute führt“. Die Situation sei herausfordernd, damit alle einen Platz finden, um die eigene Meinung kundzutun. Die Straßen um den Versammlungsort im Ostseeviertel werden von 15 Uhr bis Mitternacht weiträumig gesperrt. Auch der Busverkehr ist eingeschränkt. Nachdem es bereits im Februar gegen ein geplantes Containerdorf mit 500 Plätzen massive Proteste gegeben hatte, haben sich Stadt und Landkreis auf eine Verteilung von Geflüchteten in der Stadt geeinigt. Dabei sollen maximal 200 Personen pro Standort untergebracht werden. In der Sondersitzung am Abend in Schönwalde werden nun fünf Standorte, die in der engeren Auswahl stehen, besprochen. Die Flächen sind Eigentum der Stadt.
Die Sitzung wurde in die Mehrzweckhalle verlegt, um mehr interessierte Bürger:innen teilnehmen lassen zu können. 600 Plätze gibt es dort. Bis Freitag lief die Anmeldefrist. Vor der Sondersitzung wurden drei Demonstrationen angekündigt. Nur zwei von drei Demos angemeldet Zum einen ruft das Greifswalder Krisenbündnis um 17 Uhr zur Demonstration „Solidarität mit allen Geflüchteten“ auf dem Ernst-Thälmann-Ring, direkt neben dem Schönwalde-Center, auf. Angemeldet sind laut Landkreis Vorpommern-Greifswald 50 Personen.
Zum anderen gibt es ab 17.30 Uhr eine Mahnwache, organisiert vom Bündnis Greifswald für alle. Ihr Motto: „Für Humanismus und Weltoffenheit“. Im Vorfeld sprach sich das Bündnis gegen die zunächst vorgesehene Containerlösung mit 500 Geflüchteten aus und fordert generell eine dezentrale Unterbringung. Für eine kurzfristige Lösung sei die Unterbringung in Containern „dennoch besser als in Turnhallen“. Auch die Links-Fraktion und die Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz kündigten für die heutige Bürgerschaftssitzung an, die Forderung der dezentralen Unterbringung noch einmal zu bekräftigen. Das Bündnis hat die Mahnwache mit bis zu 700 Personen auf der Rasenfläche zwischen Penny und Mehrzweckhalle angemeldet. Nicht angemeldet wurde eine angekündigte Demonstration von Unterstützer:innen eines Bürgerbegehrens. In den Sozialen Netzwerken kursieren derzeit verschiedene Aufrufe dazu. Auch der Landkreis berichtet, dass „man von der Ankündigung wisse“. Die Polizei werde darauf auch heute „selbstverständlich reagieren“. Landkreis und Stadt müssten dies erst einmal „so hinnehmen“. Nicht zum ersten Mal: Zur Sitzung des Hauptausschusses der Bürgerschaft am 2. März war die Demonstration vor dem Rathaus ebenfalls nicht angemeldet, aber über Soziale Netzwerke beworben worden. Keine Kompromisse Vor knapp zwei Wochen wurde ein Bürgerbegehren initiiert, das sich gegen die Errichtung von Containerdörfern ausspricht. Auch den Kompromiss, statt 500 maximal 200 Geflüchtete an einem Standort unterzubringen, wird in dem Begehren abgelehnt. Mit ihrer Petition wollen die Initiatoren Christian Vollert, Ralf Leonard und Ronny Bormann verhindern, dass städtische Flächen an den Landkreis verpachtet werden, um darauf Unterkünfte für Geflüchtete zu errichten. Ziel sei es laut Petition aber nicht, die generelle Aufnahme von Geflüchteten zu verhindern. Mehr als 30 Greifswalder Unternehmen haben bei sich entsprechende Unterschriftenlisten ausgelegt.
Nach Angaben von Borman, Vollert und Leonard wurden mehr als 4.000 Unterschriften zusammengetragen. Wenn in MV für ein Bürgerbegehren Unterschriften gesammelt werden und sich mehr als 4.000 Personen beteiligen, sind Gemeindevertreter:innen dazu verpflichtet, den Sachverhalt zu besprechen. Die Liste soll laut den Initiator:innen heute der Bürgerschaft übergeben werden. Eine rechtliche Prüfung aller Unterschriften könne laut Stadtverwaltung mehrere Tage dauern. Greifswalds OB im Visier In einem Interview mit dem vom Bundesverfassungsschutz als „gesichert rechtsextremen“ eingestuftem Magazin Compact führten die drei Petenten ihre Meinung noch einmal aus und verbreiteten Fehlinformationen: So solle eine Kita geschlossen werden, um eine Unterkunft für Geflüchtete gewährleisten zu können. Von einer Kitaschließung ist bis heute keine Rede. Richtig ist: Neben der ersten Fläche am Greifswalder Stadtrand in Richtung Wieck wurde zuvor ein Kitagebäude neu errichtet, weil das vorherige zu alt war. Die drei Initiatoren der Petition machen für die geplante Aufnahme von Geflüchteten außerdem Greifswalds Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) verantwortlich. Richtig ist: Ob Geflüchtete aufgenommen werden, ist eine Bundesentscheidung. Jeder Landkreis in Deutschland muss basierend auf dem sogenannten Königsteiner Schlüssel Geflüchtete aufnehmen. Auf Landesebene sind die Landräte für die Umsetzung verantwortlich und arbeiten mit verschiedenen Gemeindevertreter:innen zusammen. So auch mit Fassbinder. In den Sozialen Netzwerken haben zwei der drei Initiatoren regierungsfeindliche Grafiken verbreitet, die sich auch gegen OB Fassbinder richten. Weiterhin behaupten Vollert, Leonard und Bormann in ihrem Compact-Interview, dass SPD und Linke versuchen würden, ihre Initiative zu stoppen. Kontakt oder Gespräche gab es nach Angaben der Parteien allerdings bisher nicht. Weiterhin wurde der Sprecher von Greifswald für alle, Gregor Kochhan, als „Scharfmacher“ bezeichnet. Damit griffen die Verantwortlichen die Wortwahl des CDU-Fraktionsvorsitzenden Axel Hochschild auf. Er hatte dem Bündnis unter anderem vorgeworfen, bewusst zu provozieren und eine „Eskalationsspirale“ zu befeuern. Auf die Nachfrage, was er von dem Compact-Interview halte, antwortete Hochschild schriftlich, dass ihm „weder der Sender, das Format noch der entsprechende Beitrag bekannt“ seien. Lob spricht er jedoch den Initiatoren des Bürgerbegehrens aus: Es sollen bereits 7.000 Unterschriften gesammelt worden sein. „Unter diesen 7.000 Bürgern ist sicherlich auch das eine oder andere Greifswalder CDU-Mitglied.“ Die CDU-Bürgerschaftsfraktion begrüße „dieses politische Engagement der Greifswalder Bevölkerung“ und sehe es als ein Zeichen für eine lebendige Demokratie. In einer Pressemitteilung beschwert sich die Fraktion zudem einmal mehr, dass durch Rot-Rot-Grün und Greifswald für alle die beteiligten Menschen als „‚rassistische[r] Mob‘ oder ‚kleine Minderheit‘ verunglimpft“ würden.
Greifswald für alle verurteilt dagegen, dass die Gegenseite zusammen mit „bekannten radikalen Rechten und Verschwörungstheoretikern“ demonstriere und nun auch noch ihre vermeintlich bürgerlichen Ziele in einem rechten Magazin vorstellen würde. Sie betonen auch, dass es bereits 2016 ähnliche Proteste gegen die Gemeinschaftsunterkunft in der Brandteichstraße gegeben hatte. „Nicht ansatzweise haben sich damals die Befürchtungen einiger Anwohner*innen der Stadtrandsiedlung und von anderen Interessierten bewahrheitet.“
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