Im Frühjahr 2021 lief das Seenotrettungsschiff Sea-Eye 4 aus dem Rostocker Hafen aus, um im Mittelmeer Geflüchtete vor dem Ertrinken zu retten. Mittlerweile ist sie für 60 Tagen von den italienischen Behörden festgesetzt. Das ist die bisher längste sogenannte Verwaltungshaft eines Rettungsschiffs, die seit der Einführung des Piantedosi-Dekrets verhängt wurde. Dieses sieht vor, dass Rettungsschiffe nach der Aufnahme von Geflüchteten direkt einen vorgegebenen Hafen ansteuern und keinem weiteren Notruf folgen. Die Geretteten dürfen zudem nicht auf ein anderes Schiff überführt werden. Bei Nichteinhaltung kann eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro und eine Festsetzung oder Beschlagnahmung des Schiffes erfolgen. Hilfsorganisationen haben das Gesetz bereits mehrfach kritisiert. Der Crew der Sea-Eye 4 wird vorgeworfen, Geflüchtete nicht der libyschen Küstenwache übergeben zu haben. Laut der zivilen Seenotrettungsorganisation Sea-Eye weigerte sich die Besatzung tatsächlich, Menschen an die Behörde zu übergeben, da Libyen gegen internationale See- und Menschenrechtsnormen verstoße und somit kein sicherer Hafen für Geflüchtete sei. Die libysche Küstenwache habe außerdem mit Waffen auf die Einsatzboote gezielt. Im Februar bestätigte das oberste italienische Gericht das Vorgehen der Besatzung als juristisch korrekt : Rückführungen nach Libyen wurden als völkerrechtswidrig eingestuft. „Das zeigt, wie unhaltbar die Vorwürfe italienischer Behörden sind“, kommentiert Sea-Eye das Urteil. „Und währenddessen sterben immer mehr Menschen im Mittelmeer“ Dennoch ist das Rettungsschiff weiterhin festgesetzt. Seit gestern ebenso die Geo Barents aus Norwegen und die Sea-Watch 5 aus Hamburg. Die zu 20 Tagen Verwaltungshaft festgesetzte Humanity 1 (Heimathafen Kiel) konnte mittlerweile freigeklagt werden.
„Und währenddessen sterben immer mehr Menschen im Mittelmeer“, betont die Greifswalder Lokalgruppe. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres sind laut Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) mindestens 220 flüchtende Menschen auf dem Weg nach Europa ertrunken. Der Greifswalder Ableger von Sea-Eye will nun mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken – auch in MV. Die Situation sei dringend, heißt es in einem Appell. Es liege in der Verantwortung aller, die Situation öffentlich anzuprangern und sich für die Freilassung der Schiffe einzusetzen. Dazu startet heute eine bundesweite Aktion mit dem Hashtag #freethefleet unter dem Motto „Menschenrechte enden nicht am Mittelmeer“. So soll besonders in der Hansestadt das Thema sichtbarer werden. Greifswald, Rostock und Neubrandenburg für zivile Seenotrettung Greifswald ist neben Rostock und Neubrandenburg eine von drei Städten in MV, die sich zum Sicheren Hafen erklärt haben. Damit stehen sie offiziell für eine Aufnahme von Geflüchteten und erklären sich potenziell bereit, auch mehr Menschen aufzunehmen, als sie müssten. Darüber hinaus sprechen sie sich für die Seenotrettung im Mittelmeer aus.
Seit drei Jahren haben die Hansestädte Rostock und Greifswald eine Patenschaft für die Sea-Eye 4. Nach der Festsetzung des Rettungsschiffes äußert sich Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) beunruhigt über die Situation: „Als Pate und auch als Hansestadt dürfen wir nicht tatenlos zusehen, wenn Menschen im Meer ertrinken. Jeder weitere Tag kostet Menschenleben.“ Er appelliere an die Verantwortlichen, die Festsetzung des Schiffs zu beenden.

Ein Banner am Rathaus, wie von der Lokalgruppe erhofft, werde es aber nicht geben. Laut der Pressestelle sei das aufgrund von „sehr engen rechtlichen Grenzen“ nicht möglich. Mit der Lokalgruppe wolle man aber im Gespräch bleiben. Eine Aktion sei vorerst nicht geplant. Seit gestern hängt ein Protestbanner am Kulturzentrum St. Spiritus, seit heute ein weiteres am Initiativenhaus Straze. „Die Leute sollen endlich verstehen, dass Seenotrettung keine politische, sondern eine humanitäre Frage ist“, so die Lokalgruppe. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!