Vor zwei Wochen gab es die ersten Anzeichen, dass das Forschungsprojekt zu Ostseefluchten aus der DDR an der Universität Greifswald vielleicht doch noch nicht am Ende ist. Allerdings habe man sich im Team schon daran gewöhnt, derlei Gerüchten nicht zu viel Gewicht beizumessen, erzählt Forscher Henning Hochstein. Doch nun ist die Gewissheit da: Bis zum Ende des Jahres kann das Team um Hochstein und Kollegin Jenny Linek weiterforschen. Bund stellt Finanzierung ein Das Projekt Todesfälle bei Fluchtversuchen über die Ostsee, das am Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaften der Universität Greifswald angesiedelt ist, ist Teil des Verbundprojekts Grenzregime, an dem auch die Freie Universität Berlin und die Universität Potsdam beteiligt sind. Das Projekt der Greifswalder:innen wirft einen Blick auf Menschen, die in der DDR-Zeit Fluchtversuche über die Seegrenze unternommen haben und dabei ihr Leben verloren. Dafür durchforsteten die Forscher:innen Archive, sprachen mit Zeitzeug:innen und Angehörigen der Verstorbenen. Ausgebremst durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen – etwa unmöglich gewordene Besuche von Archiven oder Standesämtern –, hatte das Greifswalder Team bereits frühzeitig vor Ablauf des Projektzeitraums 2022 beim fördernden Forschungsministerium einen Antrag auf Verlängerung der Zuwendungen gestellt. Nach zuerst positiven Signalen vom Bund sei die Verlängerung jedoch lediglich stark eingekürzt bewilligt worden. Nur für vier weitere Monate – von Ende Oktober 2022 bis Ende Februar 2023 – habe das Projekt Unterstützung erhalten. Wie es danach weitergehen sollte, war, wie KATAPULT MV bereits berichtete, ungewiss. 100.000 Euro für weitere zehn Monate Obwohl das Land Mecklenburg-Vorpommern auf Nachfrage von KATAPULT MV im Oktober 2022 noch verlauten ließ, dass es nicht möglich sei, die Finanzierung des Projekts an Bundes Stelle zu übernehmen, hat man sich dort nun wohl doch anders entschieden. „Das Land hat seine Verantwortung gesehen und führt nun die Aufgabe des Bundes weiter“, kommentiert Projektmitarbeiter Henning Hochstein die Wendung. 100.000 Euro stehen nach seinen Angaben jetzt bis Ende 2023 zur Verfügung, um die Projektarbeit fortzusetzen. Für diese Entscheidung habe man auch lange gekämpft, erklärt der Wissenschaftler. Sie hätten von Projektseite sowohl medial als auch bei verschiedenen Multiplikatoren versucht, die Weiterverlängerung zu erreichen. Dass es jetzt tatsächlich so gekommen ist, sei „sehr gut“. Im Team sei die Stimmung entsprechend „super“. Obwohl ein fader Beigeschmack immer noch vorhanden ist. Als es noch nach einer vorzeitigen Beendigung des Projekts Ende Februar aussah, habe es selbstverständlich vonseiten der am Projekt Beteiligten und den Zeitzeug:innen ein Lob für die Wichtigkeit dieses Forschungsanliegens gegeben. Auch aus der Politik seien solche Aussagen gekommen, die die Bedeutung des Vorhabens unterstrichen hätten. „Nur schale Statements“ vor dem Hintergrund, dass ja erst nicht gefördert werden sollte. Dabei arbeitet das Projektteam am, wie Hochstein es ausdrückt, „nationalen Gedächtnis der Bundesrepublik“. Zweifel ausräumen Wie es jetzt mit neuem Geld und mehr Zeit weitergehen soll, dazu gibt es nach Aussage des Wissenschaftlers ebenfalls noch einiges zu klären. „Gerne würden wir auch explorativ forschen“, erzählt er. Also noch weitere Fälle, über die bisher bekannten hinaus, finden. Doch dazu wären unter anderem Reisen, etwa zu Archiven nach Schleswig-Holstein, notwendig. Die neue Förderung des Landes beinhalte allerdings keine Mittel für Reisekosten. Es gebe darüber hinaus aber auch noch andere Dinge zu tun, sagt Hochstein. So hatte das Projekt bisher immer noch eine große Zahl von Zweifelsfällen vorliegen, die weiterhin der Klärung bedürfen. Die könnten jetzt noch bearbeitet werden. Damit komme das Team auch dem Ziel des Projekts weiter näher. Mehr zum Projekt lest ihr hier: Wenn die Biografien egal werden MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!