Der asiatische Großkonzern hinter den MV-Werften, Genting Hong Kong, hat nun die Reißleine gezogen und einen Insolvenzantrag gestellt – denn alle Anstrengungen auf eine finanzielle Einigung seien ausgeschöpft. Wie das Unternehmen am Mittwoch an der Hongkonger Börse mitteilte, habe es vor Gericht auf den Bermudas bereits Vorschläge für künftige Insolvenzverwalter abgegeben. Ein cleverer Schritt des milliardenschweren Chefs Tan Sri Lim Kok Thay, um die Schuldenlast des Unternehmens abzuwenden? Harte Verluste an der Hongkonger Börse Corona hat die Kreuzfahrtbranche so hart getroffen wie keine Krise je zuvor – auch Großkonzerne wie Genting. Nach eigenen Angaben kann das Unternehmen infolge der Pleite in Deutschland Kredite von 2,4 Milliarden Euro nicht mehr bedienen. Zwischenzeitlich setzte Genting den Handel seiner Aktie an der Börse eine knappe Woche aus. Hintergrund war das Tauziehen um die Zukunft der MV-Werften und der Lloyd-Werft in Bremerhaven. Bei Wiederaufnahme des Handels am vergangenen Donnerstag sah sich das Unternehmen bei Handelsschluss in Hongkong mit einem Kursverlust von 56 Prozent konfrontiert. Seit Dienstag ist die Aktie dort erneut vom Börsenhandel ausgesetzt, nachdem der Konzern mitgeteilt hatte, einen Antrag auf vorläufige Liquidation zu prüfen. Mit dem Antrag auf Abwicklung sei laut der Mitteilung der Vorstand von Genting angewiesen, nun keine Maßnahmen mehr zu ergreifen, die in den Handlungsspielraum der eigens vorgeschlagenen Insolvenzverwalter eingreifen würden. Dem Konzern gehe voraussichtlich Ende Januar das Geld aus, heißt es. Zuvor warnte der Mischkonzern davor, dass wegen der Insolvenz in Meck-Vorp Kredite anderer Gläubiger in Höhe von 2,4 Milliarden Euro zurückgefordert werden könnten. Deshalb und aufgrund von laufenden Forderungen sei das Unternehmen nun zu diesem Schritt gezwungen. Rückschlag für MV-Werften Erst am Montag wies das Schweriner Landgericht einen Eilantrag von Genting gegen das Land MV zur Auszahlung eines im Sommer vereinbarten Hilfskredit des Landes von 78 Millionen ab. Die Begründung des Gerichts: der Konzern habe eine existenzielle Notlage nicht nachvollziehbar darlegen können. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ließ sich zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor der Insolvenz telefonisch mit dem Milliardär Tan Sri Lim Kok Thay verbinden. Sie wollten den 70-jährigen Milliardär um Zugeständnisse bitten – ohne Erfolg. Der Unternehmer ließ die deutschen Politiker abblitzen. Er ist einer der reichsten Männer Malaysias und Nachfolger seines Vaters im Glücksspielkonzern Genting. Die Stimmung zwischen den Parteien, dem Land MV, Bund und Genting, sei kürzlich zunehmend „nervöser“ geworden, hieß es aus Schwerin. Für die MV-Werften bedeute Gentings Schritt einen Rückschlag, erklärte der vorläufige Insolvenzverwalter der Schiffbaubetriebe in Wismar, Stralsund und Rostock, Christoph Morgen. Das zu Genting gehörende Kreuzfahrtunternehmen Dream Cruises sei der Kunde für das Schiff „Global 1“, das zu 75 Prozent fertig auf der Werft in Wismar liege, sagte Morgen. „Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das Sanierungsverfahren Erfolg hat und Dream Cruises als Kunde erhalten bleibt.“ Wie geht es weiter mit der „Global Dream“? Insolvenzverwalter Morgen von der Kanzlei Brinkmann & Partner ist zuversichtlich, die Global 1 trotz Rückzieher von Genting dennoch in Wismar fertigzustellen. Er habe neben Genting bereits ein paar potenzielle Käufer im Gespräch. Die Global 1, auch Global Dream genannt, sollte das größte Passagierschiff der Welt werden. Mit einer Kapazität für 12.000 Menschen, davon 9.500 Passagiere und 2.500 allein an Crew und Personal, sollte der Kreuzfahrtriese um die Welt schippern. Doch wer, wenn nicht Genting selbst, soll das rund 1,5 Milliarden Euro teure schwimmende Casino haben wollen? Die Global 1 ist passgenau auf die Bedürfnisse der Genting-Gruppe zugeschnitten. Das Kreuzfahrtschiff wird vor allem für den asiatischen Kreuzfahrtmarkt gebaut. Eine Branche, die durch Corona sowieso in Schwierigkeiten ist. Gut betuchte chinesische Touristen sollten auf den zwanzig Decks mit Pools, Achterbahnen, Shoppingmalls und Spielhallen ihren „globalen Traum“ erleben. Ein Schiff, auf dem sich kaum einer der beteiligten Beschäftigten der MV-Werften wohl je eine Reise leisten könnte. Für den Insolvenzverwalter wird die Zeit knapp Für Insolvenzverwalter Christoph Morgen ist die Zeit knapp: Bis Anfang März soll er mögliche Investoren präsentieren, oder zumindest eine Geldquelle aufgetan haben. Bis dahin übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Löhne und Gehälter der 1.900 Beschäftigten der MV-Werften. Offen ist laut dem 46-Jährigen, ob die Werften zusammen oder einzeln veräußert werden – wobei Letzteres wahrscheinlicher sei, da so leichter Investoren zu finden seien. Auch MVs Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) rechnet nicht mit einem Verkauf aller Werften an einen weiteren Großinvestor und pocht auf individuelle Standortlösungen für Wismar, Rostock und Stralsund. Stralsund plane schon ein halbes Jahr an einer neuen Lösung für das dortige Werftgelände. Ein maritimer Gewerbepark mit verschiedenen Ansiedlungen solle künftigen Abhängigkeiten von Großinvestoren vorbeugen. Derzeit plant die Hansestadt den Kauf der Flächen, um nachhaltige Technologien im Nordosten voranzutreiben. Laut Meyer könnten sich auch die Schiffbaustandorte Wismar und Rostock für die Versorgung von Offshore-Windparks profilieren. Meyer bedauerte die Entwicklung mit dem asiatischen Eigentümer. Genting sei für die MV-Werften über viele Jahre ein zuverlässiger Arbeitgeber und Kunde gewesen. Nun werde es darauf ankommen, ob sich aus dem Gläubigerschutzverfahren noch eine Perspektive für Dream Cruises entwickeln könne.

Laut Insolvenzverwalter Morgen seien weitere Gespräche, auch mit Genting und dem vorigen Eigner der MV-Werften, Witali Jussufow von Nordic Yards, geplant. Der russische Investor hatte bereits im vergangenen Jahr mit einem Kauf der Volkswerft in Stralsund geliebäugelt. Am ersten März kann dann das Insolvenzverfahren der MV-Werften eröffnet werden. Morgen betonte weiterhin die Wichtigkeit für MV, die Global Dream, die zu 75 Prozent fertiggestellt ist, auch in Wismar zu Ende zu bauen. Auch die IG Metall steht zu dem ambitionierten Unterfangen. Bezirksleiter Daniel Friedrich appelliert: „Wir sollten ein zu 75 Prozent fertiges Schiff nicht verschrotten.“ Weiterlesen: Meine Casinos, meine Kraftwerke, meine Plantagen – meine Werften?, auf: katapult-mv.deDie Insolvenzgeschichte von MVs Werften auf: katapult-mv.deSagt doch endlich, was Sache ist! – ein Kommentar von Peter Scherrer, auf: katapult-mv.de MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!