Eigentlich wollten Vertreter:innen der rechtsextremen Neue Stärke Partei (NSP) am 1. Mai in Rostock demonstrieren. Schlussendlich gab es für die 25 Teilnehmer:innen aber „nur“ eine Kundgebung in Waren an der Müritz (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte). Grund war ein von der Stadtverwaltung verhängtes Aufmarschverbot aufgrund einer Unvereinbarkeit mit Artikel 8 des Grundgesetzes, der die Versammlungsfreiheit gewährleistet. Es habe sich hinsichtlich der geplanten Demonstration und Kundgebung im Stadtteil Lütten Klein nicht die Einschätzung ergeben, dass die Veranstaltenden eine „friedliche, öffentliche Meinungskundgebung“ beabsichtigen, so die Stadt zur Begründung. Wenig verwunderlich war der darauffolgende Ortswechsel der Kundgebung nach Waren, den eine Einzelperson bereits zwei Tage vor dem Verbotsbescheid angemeldet hatte. So ist der Parteivorsitzende der NSP, Christoph Thews, dort ansässig. „Resterampe“ für Rechtsextreme Die NSP ist in der rechtsextremen Szene nicht Thews’ erste Station. Im Jahr 2019 kandidierte er gemeinsam mit seiner Frau Sylvia Thews-Kähler und der NPD-Politikerin Doris Zutt bei der Wahl zur Warener Gemeindevertretung für die NPD. „Thews trat schon mehrfach gewaltbereit in Erscheinung“, erklärt die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, Lobbi. So sei er bisher, auch in seiner Rolle als NSP-Mitglied und -vorsitzender, weniger durch politische Parteiarbeit aufgefallen, sondern vor allem durch „bedrohliche Störaktionen“. Wie etwa bei einer Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht in Waren am 10. November 2022. Dort wurde nicht nur Stadtpräsident Rüdiger Prehn (Linke) verbal und körperlich bedroht, auch der Gedenkstein für die Warener Synagoge wurde beschmutzt und bespuckt, die niedergelegten Blumen und Kränze zerstört. Zudem waren Thews und Emanuel T. an mindestens zwei Angriffen auf Journalisten in der Stadt beteiligt. Nach Einschätzung von Lobbi hat Thews damit nichts mit beispielsweise Udo Pastörs oder Stefan Köster gemein, die zu den in MV gut vernetzten NPD-Kadern zählen. Das Vorgehen der NPD und der dazugehörigen Leute sei immer klaren politischen Strategien gefolgt – etwa durch den Versuch, mittels eigener Zeitungen eine Gegenöffentlichkeit herzustellen. Auch deswegen könne man dort mit Thews wenig anfangen, heißt es. Er sei dem nicht gewachsen, habe, was die Führung einer Partei angeht, keinerlei Erfahrung. Kenner:innen der Szene sehen deshalb in Thews’ Wahl zum Bundesvorsitzenden der NSP eher ein Armutszeugnis als einen Neuanfang. Seine Wahl gilt als Ausdruck von Streitigkeiten innerhalb – und dem Wegbrechen von anderen Landesverbänden – der NSP. Nicht nur aufgrund von Thews’ rechtsextremer Vergangenheit gilt die NSP auch als „Resterampe für gescheiterte Nazis“. Zahlreiche Akteure in den Reihen des Landesverbands – der Verfassungsschutz geht für MV derzeit von insgesamt rund 30 Mitgliedern aus – beziehungsweise in dessen Dunstkreis waren wie Thews bereits in anderen rechtsextremen Strukturen aktiv. So etwa Marc D. in der rechtsextremen Bürgerwehr Soldiers of Odin, Leon S., der sich schon 2017 bei einem NPD-Aufmarsch in Stralsund zeigte, der vorbestrafte Nils Matischent aus Güstrow, der dort ehemals für die NPD in der Stadtvertretung saß, oder – ebenfalls vorbestraft – Gregor Alexander M. aus Malchin, der nach Recherchen von Oben rechts „umtriebiges Mitglied“ der mittlerweile verbotenen rechtsextremen, militanten Gruppierung Combat 18 sein soll. In der NSP in Mecklenburg-Vorpommern geht demnach nun auf, wer zuvor schon zum aktiven Kreis der Neonaziszene aus Waren, Güstrow und Neubrandenburg gehört hat. So formuliert es Oliver Kreuzfeld von der Informationsplattform Endstation Rechts. Was zuvor unter verschiedenen Namen auftrat, findet sich nun in der Partei wieder. Das gilt auch für Initiativen und Vereine. Schlechtes Image in der rechtsextremen Szene Es sei „nur eine Frage der Zeit“ gewesen, „bis andere rechtsextreme Strukturen versuchen würden, aus dem anhaltenden Bedeutungsverlust der NPD politisches Kapital zu schlagen“, sagt Kreuzfeld mit Blick auf die NSP. Da die NPD in Mecklenburg-Vorpommern sehr stark verankert sei, habe sich dieser Prozess länger hingezogen als in anderen Bundesländern. Sie profitiert, so drückt es Lobbi aus, von den Erfolgen der NPD, die „den Acker in MV gut bestellt“ habe. Allerdings hat die NSP anscheinend bislang noch keinen richtigen Anschluss an die in MV etablierten Strukturen gefunden. Und das, obwohl einerseits mit der Wahl von Thews zum Bundesvorsitzenden im November 2022 der „Fokus der Parteiaktivitäten vermehrt nach Mecklenburg-Vorpommern gerückt“ ist und sich andererseits dem Landesverband nicht direkt zugehörige Rechtsextreme auf NSP-Veranstaltungen und -treffen tummeln. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervorgeht, falle die Vernetzung mit „gleichgesinnten Akteuren“ auch aufgrund des „negativen Images“ der NSP „innerhalb der rechtsextremistischen Szene insgesamt“ schwer. Diese fehlende strukturelle Anbindung sei zum Beispiel in Demmin am 8. Mai deutlich zu sehen gewesen, berichtet Lobbi. So hätten die angereisten NSP-Anhänger:innen – unter ihnen auch Thews und Emanuel T. – vor dem Aufzug separat gestanden, bevor jemand aktiv auf sie zugekommen und sie zu den übrigen Teilnehmer:innen dazugeholt habe. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Aktionen der NSP – zum Beispiel im Raum Neubrandenburg – nur wenig verfangen haben. Die Gruppe sei „nicht inklusiv genug“, so ein Erklärungsversuch von Lobbi. Obwohl die Rechtsextremen bisher keine großen Erfolge erzielen konnten, nehmen sie „kontinuierlich an lokalen Protesten und Demonstrationen“ teil – so zu sehen etwa bei den allwöchentlichen Protestveranstaltungen der Initiative Menschlich Stark Miteinander in Waren, die sich selbst nur halbherzig von politisch radikalen Kräften abgrenzt. So gehört zu den Rednern der Initiative auch der als rechtsextrem geltende Warener Unternehmer Holger A., der unter anderem 2019 in Jamel (Nordwestmecklenburg) am sogenannten Tanz in den Mai des dort lebenden Neonazis Sven Krüger teilnahm. Auch beim NPD-Aufmarsch am 8. Mai in Demmin waren Anhänger:innen der NSP zu sehen. Foto: Lotta Ulrich NSP mit „glasklarer Ideologie“ Die vordergründige Erfolglosigkeit gemeinsamer Aktionen der NSP und der fehlende Anschluss in MV sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die NSP einer glasklaren Ideologie folgt, betont Lobbi. Zwar hält die Opferberatungsstelle es für „ausgeschlossen“, dass sich die Partei landesweit ausbreiten kann, das mache sie aber nicht weniger gefährlich. So seien in der NSP Neonazis versammelt, die versuchen, ihre Ziele auch „mit Gewalt und stumpfer Provokation zu erreichen“. Die NSP sei „militant“, sagt auch Daniel Trepsdorf, Fachexperte für politischen Extremismus am Regionalzentrum für demokratische Kultur in Westmecklenburg. Bester Indikator dafür sei das gemeinsame Schießtraining in Tschechien mit NSP-Mitgliedern wie Thews, D. und dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Benjamin Pötzsch sowie dem Ex-NPDler Matischent, kommentiert Lobbi. Dazu passt, dass sich laut Trepsdorf die NSP selbst als „Speerspitze“ der Bewegung sieht. Aus ihrer ideologischen Ausrichtung macht die NSP jedenfalls kein Geheimnis. So schloss etwa die öffentliche Bekanntgabe im Anschluss des Bundesparteitags im vergangenen November mit „Heil unseren Vorfahren! Heil Deutschland! Heil der neuen Stärke!“. Und Marc D. beendete bei der Kundgebung am 1. Mai in Waren seinen Redebeitrag mit den Worten „Für Führer, Volk und Heimatland“. Dass die NSP-ler:innen dabei gefilmt werden, scheint ihnen genauso egal zu sein wie die Konsequenzen, die aus ihren Aktionen erwachsen, analysiert Lobbi. Auch, dass sie nur wenige Leute mobilisieren können, interessiert sie offenbar nicht. Das mache sie in Verbindung mit ihrer Gewalttätigkeit und Hemmungslosigkeit unberechenbar. Schon vor der Stützpunktgründung in MV aktiv Im Gegensatz dazu steht der jüngste rechtsextreme Zuzug nach MV: die Partei Der III. Weg. Mit Ankündigung vom 26. April eröffnete die Kleinstpartei den sogenannten Stützpunkt Nord/Ost, der wiederum der erste im „Gebietsverband Nord“ ist und das Bundesland abdecken soll, berichtet Oliver Kreuzfeld von Endstation Rechts. Gänzlich überraschend kommt dieser Schritt nicht, da in MV bereits vorher Aktionen der Partei registriert wurden. Dies bestätigt unter anderem der aktuelle Landesverfassungsschutzbericht für 2021. So habe die Partei beispielsweise mit „Internetbeiträgen, Flugblattverteilaktionen, Beteiligung an Demonstrationen“ oder durch „das Abhalten von Gedenkveranstaltungen“ Außenwirkung erzielt. Der III. Weg bediene dabei ebenso wie die NSP „ausländerfeindliche, antisemitische und revisionistische Narrative“, 2021 mit einem deutlichen Fokus auf die Migrations- und Corona-Politik. Auch 2023 erfasste der Verfassungsschutz bereits vor der Gründungsankündigung Aktivitäten der rechtsextremen Partei im Bundesland. Zum Beispiel habe am 30. Januar auf Usedom eine Gedenkveranstaltung „zum Untergang des Schiffes ‚Wilhelm Gustloff‘“ stattgefunden. Darüber hinaus seien in Schwerin und Wittenburg Flugblätter mit der Aufschrift „Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler!“ verteilt worden. Ob und wie sich die Ankündigung der Rechtsextremist:innen, jetzt vermehrt in MV aktiv sein und sich ausbreiten zu wollen, auch das „Aktionspotenzial der Partei (...) hier im Land verändern wird, kann derzeit noch nicht eingeschätzt werden“, kommentiert das Innenministerium auf Anfrage. Jedoch beobachte der zuständige Verfassungsschutz die Aktivitäten der Partei genau. Ähnlich kommentiert auch das Recherchekollektiv AST die neuen Pläne: Die Zukunft werde zeigen, ob der neue Stützpunkt „die vorhandenen Sympathisanten/Aktivisten (...) von Nordwestmecklenburg bis Ahlbeck einen kann oder ob sie ‚nur‘ ein regionales Leuchtfeuer im Rostocker Umland bleiben/werden“. In Waren fand am 1. Mai eine Kundgebung der NSP statt. Etwa 25 Personen kamen. Ursprünglich hatte die Partei sowohl die Kundgebung als auch eine Demonstration für Rostock angemeldet. Diese wurde jedoch verboten. Foto: Heiner L. Beisert Unter dem Schutz des Parteiengesetzes Jedoch, so bewertete es der Journalist Robert Andreasch schon 2017 gegenüber der Bundeszentrale für politische Bildung, liegt eine großflächige Rekrutierung beziehungsweise Mobilisierung wohl gar nicht im Interesse des III. Weges. Ganz im Gegensatz zur NSP. So sei der III. Weg zwar eine der straffsten, am radikalsten auftretenden und in ihren Inhalten radikalisiertesten neonazistischen Organisationen, strebe jedoch „gar nicht nach einer Erhöhung ihrer Mitgliederzahl“. Vielmehr wolle die Partei eine „elitäre Kaderorganisation sein“, bei der eine Mitgliedschaft nur über Förderbeiträge und „jahrelanges Bewähren“ erreicht werden könne. Oliver Kreuzfeld von Endstation Rechts ordnet den III. Weg ähnlich ein. Dieser sei eine „sich gern elitär gebende neonazistische Partei“. Ob es ihr gelinge, Mitglieder etwa von der NPD abzuwerben, müsse sich noch zeigen. Den III. Weg gibt es als Partei seit September 2013. In ihm sind Akteure anderer rechtsextremistischer Organisationen aufgegangen, die etwa bei der NPD in Ungnade gefallen sind, deren Netzwerk verboten wurde oder deren Strukturen anderswo zerfielen. In MV findet sich im III. Weg jetzt etwa der Güstrower David M. wieder, der zuvor Mitglied der mittlerweile verbotenen Kampfsportgruppierung Baltik Korps war, einer Untergruppe des neonazistischen Aktionsblogs. Er übernimmt dort zentrale Aufgaben – organisiert Stände oder Mahnwachen, fährt zu Kundgebungen. So wurde er zum Beispiel am 1. Mai in Thüringen bei einer Kundgebung der Partei fotografiert. Auch andere Kader des ebenfalls verbotenen Aktionsblogs wurden häufiger in Kleidung des III. Wegs gesichtet, berichtet Kreuzfeld. Aus der verbotenen Gruppierung Weiße Wölfe Terrorcrew und dem faschistoiden Nordadler-Netzwerk kommen laut Daniel Trepsdorf weitere Anhänger. Das Innenministerium schätzt die Zahl der Mitglieder in MV auf Nachfrage auf circa 30. Sie alle versammeln sich unter dem Schutz der Parteienform, wie es Andreasch ausdrückte. Damit liefert er auch die Antwort auf die Frage, warum sich nicht nur der III. Weg, sondern auch die NSP als Parteien organisieren. Sie tun dies, wie Andreasch sagt, schließlich nicht, „um am Parlamentarismus zu partizipieren“. Es dient vielmehr der Absicherung, bestätigt Trepsdorf. Denn eine Partei könne man im Vergleich zu einem Verein schwerer verbieten. Das zeigte zuletzt der gescheiterte Versuch des NPD-Verbots, so der Extremismusforscher. Daraus hätten die Akteure des III. Weges durchaus gelernt, urteilte Andreasch schon 2017. Dass ausgerechnet Parteien einen solchen besonderen Schutz und damit auch mehr Legitimation bieten, liegt an ihrer besonderen Stellung im Grundgesetz. Das Parteienprivileg soll jetzt also die schon länger aktiven Strukturen vor möglichen Verboten schützen. Rechte Bündnisse bei anstehenden Wahlen? Genau hier werde es gefährlich, warnt Trepsdorf. Mit dem strategischen Schritt zur Partei rücke der faktische Schritt der effizienten Einflussnahme auf die Gesellschaft näher. Somit könne auch wesentlich einfacher gewaltverherrlichendes Gedankengut verbreitet werden. Welche Auswirkungen das haben könnte, darüber machen sich einige Güstrower:innen ihre Gedanken. Dort steht im kommenden Jahr die Kommunalwahl an. Bereits bei der letzten Wahl gewannen rechte Akteure viele Stimmen. Diese konnten nur deshalb nicht alle ihnen zustehenden Sitze beanspruchen, weil zu wenige Leute auf ihrer Wahlliste standen, berichtet Linken-Politikerin Karen Larisch. Und auch aktuell kann das rechte Bündnis wohl mit 25 Prozent der Stimmen rechnen. Für 2024 ist in Güstrow zudem eine Bürgermeister:innenwahl angesetzt. „Wir haben schon Schiss, weil wir nicht wissen, was passieren wird“, kommentiert Larisch. Denn ein rechtes Bündnis – auch unter Beteiligung der NPD – scheint nicht ausgeschlossen. Hinter den Parteien stecken langjährige Aktive rechter und auch völkischer Netzwerke. Wie viele dieser sogenannten völkischen Familien es in MV derzeit gibt, ist unklar. Von etwa 250 geht Trepsdorf aus. Sie fühlten sich durch die neuen Bewegungen nur weiter bestärkt, insbesondere im ländlichen Raum. Die Polizei habe dahingehend eher wenig Handhabe. „Die machen ja nichts, sind nicht gewalttätig“, so Larisch. Sie besitzen eigene Grundstücke, etwa in Lalendorf oder Koppelow, und fallen somit nicht groß auf. Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Rechtsextremen, ihren Grundstücken und Veranstaltungen. Ausnahmen gibt es: beispielsweise in Dehmen im Landkreis Rostock, wo die Polizei Ende März nach Hinweisen aufmerksamer Anwohner:innen „eine als Geburtstagsfeier getarnte rechte Schulungsveranstaltung“ im Gemeindehaus verhindern konnte. Kampfsport und Jugendcamps als Einstieg Nicht nur mit niedrigschwelligen Angeboten und einer „Ideologisierung über den Gartenzaun“, wie Trepsdorf es nennt, versuchen Rechte weiter in die Gesellschaft einzudringen. Sie nutzen dafür auch Sport- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche. Junge Menschen über den Kampfsport anzuwerben, sei bei beiden Parteien gängige Praxis. Als es in Grevesmühlen noch das Thinghaus gab, wurden dort Workshops unter dem Motto „Training für den Ernstfall“ veranstaltet. Inhalt: Wie Gegner:innen der größtmögliche Schaden zugefügt werden kann. Jetzt laufe so etwas vermehrt über Kampfsportgruppen in und um Rostock und Güstrow – und eben besonders in der Jugendarbeit. Mit solchen Angeboten werde schon früh versucht, ein rechtes Weltbild zu vermitteln. „Das wird die nächste dringende Aufgabe der Sicherheitsbehörden werden“, sagt Trepsdorf. Nicht nur in MV werden diese Bestrebungen des III. Weges beobachtet. So bemühe sich die Partei seit Frühjahr 2021, gezielt junge Anhänger:innen zu rekrutieren, zitiert die brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung die Bundesregierung. Im Mittelpunkt stünden dabei „Freizeitangebote für junge Menschen“. In Brandenburg existierten demnach im Jahr 2022 bereits drei Gruppen der Jugendorganisation des III. Weges, der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ). Auch regelmäßige Ferienlager werden von einschlägigen Gruppen aus der rechten Szene organisiert. Zuletzt stand ein Feriencamp mit etwa 30 Kindern im Blickpunkt der Öffentlichkeit, das im Sommer 2022 auf dem Grundstück des Reichsbürgers und Holocaustleugners Bernhard Schaub in Annenhof (Mecklenburgische Seenplatte) ausgerichtet wurde. Solche Berichte über Jugendlager der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ), des Sturmvogels oder anderer völkischer beziehungsweise Neonazi-Organisationen gab es spätestens seit den 2000er-Jahren. Einige wurden verboten. „Aber bloß weil die Initiativen und Gruppierungen verboten wurden, heißt es ja nicht, dass sie nicht weiterhin agieren“, betont Trepsdorf. Manche seien nach Polen und Schweden abgewandert, weil sie dort unbeobachtet weitermachen können. Aber auch in MV gibt es weitverzweigte Netzwerke, die sich über Jahre professionalisiert haben und aus denen zum Teil auch die Initiatoren beider Parteien kommen. Vor allem Anhänger der NSP kämen vom Verein Volksgemeinschaft, der seit den 90er-Jahren Jugendcamps ausrichte, so Trepsdorf. Die militante völkische Szene in MV sei somit von personellen Kontinuitäten geschulter Neonazikader geprägt. Dabei bleiben sie zumeist unter dem Radar der Sicherheitsbehörden. Wie sehr NSP und III. Weg in MV wachsen, müsse genau beobachtet werden, fordert der Extremismusexperte. In den letzten sechs bis sieben Jahren sei die Zahl der Beratungen etwa von Aussteiger:innen und Anwohnenden im Regionalzentrum zumindest stark angestiegen – von jährlich etwa zehn auf derzeit 40 bis 50. Ihm zeige das einmal mehr: Auch wenn die Mitgliederzahlen neuer Strömungen noch vergleichsweise gering sind, haben sie bereits eine Reihe von Anhänger:innen auch abseits der Parteien gefunden. Was es daher brauche, sei eine „wache Bevölkerung“, sagt Trepsdorf. „Die Frage ist, auf wie viel Gegenwind diese Gruppen letztendlich stoßen.“ Die Karten liegen vielerorts – etwa in Waren und Güstrow – auf dem Tisch, erinnert Lobbi. Es brauche eine gesellschaftliche Antwort. Und den entsprechenden politischen Willen, sich gegen Rechtsextremismus starkzumachen. Dieser Text erschien in KATAPULT MV-Ausgabe 20. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!