Am vergangenen Donnerstag fanden auf dem Greifswalder Marktplatz zeitgleich drei Kundgebungen statt. So demonstrierten das Bündnis Greifswald für alle und die Linksjugend gegen Rassismus und für die Aufnahme von Geflüchteten in der Stadt. Neben diesen zwei angemeldeten Kundgebungen fand noch eine dritte, nichtangemeldete Versammlung statt, deren Teilnehmer:innen sich gegen die Unterbringung von Geflüchteten in Containern im Ostseeviertel aussprachen. Die Bürgerschaftsfraktion der CDU nahm im Nachgang der Demonstrationen Anstoß am Aufruf des Bündnisses. Greifswald für alle hatte unter dem Motto „Asylrecht ist unantastbar – dem rassistischen Mob entgegentreten“ für die eigene Kundgebung geworben. Laut dem CDU-Fraktionsvorsitzenden in der Bürgerschaft, Axel Hochschild, würden durch das Bündnis so „legitime Bedenken pauschal als rassistisch“ bezeichnet. Es gehe dem Bündnis weniger um eine Diskussion, sondern vielmehr „um Provokation“ mit der „Hoffnung auf Eskalation“, so der CDU-Politiker. Greifswald für alle schüre eine „Eskalationsspirale“. Die unangemeldete Kundgebung von Gegner:innen der Unterkunfts erwähnte Hochschild in seinem Statement nicht, bezog sich aber auf eine Demonstration im Ostseeviertel anlässlich einer Sitzung der Ortsteilvertretung in der vergangenen Woche. Dabei seien bereits die bestehenden „Ängste und Sorgen“ der Bevölkerung zum Ausdruck gekommen. Bündnis: Protestierende denken, sprechen und handeln rassistisch Das Bündnis zeigt sich von den Vorwürfen aus den Reihen der Stadtpolitik unbeeindruckt. Ihr Sprecher Gregor Kochhan bekräftigte mit Blick auf die Teilnehmer:innen der unangemeldeten Kundgebung, dass von den Demonstrant:innen sehr wohl rassistisch gedacht, gesprochen und gehandelt werde. Es bleibe keine andere Schlussfolgerung, wenn angesichts aus dem Ausland stammender Menschen gegen ein Containerdorf protestiert werde, „weil er oder sie automatisch Angst um die deutschen Kinder“ habe, so das Bündnis in einer Stellungnahme. Auch das Bündnis bezieht sich auf die Demonstration im Ostseeviertel. So heißt es dort weiter, Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) habe die Sitzung der Ortsteilvertretung am 27. Februar „nur mit Polizeischutz verlassen“ können. Die Menge sei „ihm aggressiv begegnet“. Deshalb könne auch von einem Mob gesprochen werden. Die Polizeiinspektion Anklam schrieb im Nachgang der Versammlung im Ostseeviertel, einige Unterkunftsgegner:innen hätten „die Konfrontation mit dem Oberbürgermeister“ gesucht. Es sei der Polizei aber „mit körperlicher Gewalt sowie durch den Einsatz des Schlagstocks“ gelungen, das zu unterbinden. Fassbinder selbst beschrieb gegenüber dem NDR, die Polizei habe ihn noch vor dem Verlassen des Gebäudes gebeten, das Gelände nicht zu Fuß zu verlassen. Daraufhin habe er das Gebäude durch einen Hinterausgang verlassen und sei mit „einem Polizeiauto rausgefahren worden“. Abstimmungsverhalten der CDU im Blick Die Verlautbarung Hochschilds und sein Angriff auf Greifswald für alle blieb auch von politischer Seite nicht unkommentiert. So veröffentlichte die Bürgerschaftsfraktion der Grünen ebenfalls ein Statement, welches der Greifswalder CDU „Wahlkampfversuche auf dem Rücken von Geflüchteten“ unterstellt. Die Fraktion sei „entsetzt über das Verhalten der CDU“, heißt es. Hochschild befeuere mit seinen Äußerungen rechte Narrative, statt sich rechten Parolen entgegenzustellen. Dabei rücken die Grünen auch das Abstimmungsverhalten der CDU auf Kreisebene in den Blick. Während sich Landrat Michael Sack (CDU) gemeinsam mit dem Greifswalder Oberbürgermeister für die Unterbringung Geflüchteter einsetze und diesbezüglich auch die Unterstützung durch die Hansestadt lobe, „fallen ihm seine Parteifreundinnen und -freunde in Greifswald in den Rücken“. Zudem habe es im Kreistag erst unlängst eine Abstimmung über die Anschaffung von Wohncontainern gegeben, bei der die CDU-Fraktion ebenfalls zugestimmt habe. Dazu passe es nicht, dass sich CDU-Mitglieder einige Tage später hinter die Unterkunftsgegner:innen stellen, „die vor dem Rathaus rechte Parolen skandieren“, beziehungsweise eine unangemeldete Versammlung als „friedlich“ gelobt wird, an der nicht nur „stadtbekannte Rechtsextreme teilnahmen“, sondern auch „eine Polizistin von einer Teilnehmerin ins Gesicht geschlagen wurde“. Hochschild: „Vorlage nicht zugestimmt“ Axel Hochschild äußerte auf Nachfrage von KATAPULT MV, es habe im Kreistag keine Abstimmung zur Anschaffung von Containern gegeben. Es sei lediglich eine Vorlage zur Bereitstellung von „Mitteln für die Anschaffung von Containern“, nicht aber „über deren Nutzung“ beschlossen worden. Darüber hinaus habe er der „Vorlage nicht zugestimmt, ebenso wie mehrere weitere Kollegen aus der CDU-Kreistagsfraktion“. Inwieweit die Zustimmung für Geldmittel zur Anschaffung von Containern und die dafür vorgesehene Nutzung voneinander trennbar sind, erklärt Hochschild in seiner Antwort nicht. Von den insgesamt 23 CDU-Mitgliedern im Kreistag Vorpommern-Greifswald haben 15 an der Abstimmung teilgenommen. Zehn CDU-Mitglieder stimmten für die Vorlage, Geld für die Anmietung oder den Erwerb der Container bereitzustellen. Zwei Mitglieder stimmten dagegen, drei enthielten sich. Hochschild gehört zu Letzteren. Hochschild bleibt bei seinen Aussagen Auf die Vorwürfe der Grünen, er würde in seinem Statement zwar Greifswald für alle für ihre Kommunikation kritisieren, aber die Unterbringungsgegner:innen und deren Verhalten unkritisiert lassen, wiederholte Hochschild gegenüber KATAPULT MV die Argumente aus seinem Statement. Er befürchte eine „Eskalationsspirale“ und die weitere „Spaltung unserer Gesellschaft“ durch die Aussagen des Bündnisses, so der CDU-Politiker. Von dem Angriff auf die Polizeibeamtin habe er darüber hinaus in der örtlichen Presse nichts lesen können. Laut einer Polizeimeldung vom Abend der Demonstrationen habe eine 62-Jährige aus den Reihen der unangemeldeten Versammlung versucht, Richtung Fischmarkt zu gehen, wovon sie durch eine Polizeikette zurückgewiesen worden sei. Infolgedessen habe „die Frau einer Polizeivollzugsbeamtin ins Gesicht“ geschlagen. Hochschild relativiert und spricht über Linksextreme Er verurteile „diese Tat eindeutig“, sollte sie sich zugetragen haben, schränkt Hochschild ein. Generell sei Gewalt kein „Mittel des politischen Umgangs“. Das sei auch zutreffend bezüglich einer „linken Demonstration“ in Offenburg, bei der 53 Polizeibeamt:innen durch Demonstrant:innen verletzt worden sein sollen. Inwieweit ein Vorfall in Baden-Württemberg für eine Demonstration in Greifswald relevant ist, ließ er offen. Er könne außerdem keine Aussage „zur Präsenz von Rechtsextremisten treffen“, äußert Hochschild weiter. Die Möglichkeit deren Anwesenheit räumt er zwar ein, bezieht dabei allerdings auch die beiden Demonstrationen von Greifswald für alle und der Linksjugend mit ein. Es sei möglich, dass unter den Menschen der drei Demonstrationen „auch eine Handvoll Extremisten waren“. Er würde sich freuen, wenn KATAPULT MV bei Greifswald für alle ebenfalls „nach der Präsenz von Linksextremisten“ fragen würde. _____ Anmerkung der Redakteurin: Übrigens können wir uns glücklich schätzen, überhaupt eine Antwort von Hochschild erhalten zu haben. Warum? KATAPULT MV hat eine sehr offene Einstellung zur Nutzung geschlechtergerechter Sprache. All unseren Redakteur:innen ist freigestellt, ob sie diese nutzen möchten. Als Redakteurin dieses Artikels habe ich mich für die Verwendung entschieden. Darüber hinaus nutze ich geschlechtergerechte Sprache auch in meinen Anfragen – auch in der an Axel Hochschild. Die Antwort des CDU-Politikers bezieht sich jedoch nicht zuallererst auf den von ihm selbst als Thema mit „politischer Bedeutung“ bezeichneten Sachverhalt. Er greift ebendiese freie Entscheidung offen an und droht gar mit der Einstellung der Kommunikation. Wir haben uns dazu entschieden, diesen Teil seiner Antwort ebenfalls zu veröffentlichen: „Sehr geehrte Frau Blöß, aufgrund der politischen Bedeutung des Themas werde ich Ihre Anfrage ausnahmsweise trotz der von Ihnen verwendeten ‚Gendersprache‘ beantworten. Bei zukünftigen Anfragen bitte ich Sie jedoch um die Verwendung einer korrekten deutschen Rechtschreibung und Grammatik, um auch zukünftig eine Antwort von mir erhalten zu können.“ MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!