Juli 2021. Ein Brief erreicht das Büro von KATAPULT MV: eine Abmahnung im Namen der rechtsextremen Greifswalder Burschenschaft Rugia. Wir sollen in unserem Artikel über die MV-AfD eine Person fälschlicherweise der Burschenschaft zugewiesen haben. Absender des Briefes ist die Rechtsanwaltskanzlei Brauer. Dr. Matthias Brauer, der sich auch Darknet-Anwalt nennt, hat sein Büro in Bonn. Wozu eine Kanzlei aus Bonn beauftragen, um bei einer Zeitung in Vorpommern 1.000 Euro Strafgeld einzutreiben? Die Antwort darauf könnte recht simpel sein: Max Bartusch, Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft Rugia, ist bei Matthias Brauer als Rechtsanwalt und Strafverteidiger angestellt. Rechte Vergangenheit und Gegenwart Max Bartusch ist in Mecklenburg-Vorpommern seit fast einem Jahrzehnt in rechten Kreisen zu finden. Für die rechtsextreme NPD verteilte er 2012 in Greifswald Flyer. 2014 trug er bei einer Veranstaltung in Pasewalk ein Shirt des rechtsextremen Netzwerks „Freies Pommern“. Immer wieder trat er auch bei NPD-Veranstaltungen in Erscheinung, wie beim bis 2020 regelmäßig stattfindenden „Trauermarsch“ in Demmin am 8. Mai oder 2013 in Löcknitz, wo sich die NPD unter den Festumzug der Gemeinde gemischt hatte. Teilweise trug er sogar die Fronttransparente, welche beispielsweise auf die Wiederherstellung der deutschen Grenzen von 1937 anspielten. Als er 2014 im Umfeld der Räumung eines besetzten Hauses in Greifswald auf Demonstranten traf, zückte er ein Pfefferspray und wurde daraufhin von der Polizei kontrolliert. Später holten ihn die NPD-Kader Daniel Ohm und Christian Hilse ab. Ersterer hatte ein Jahr zuvor zusammen mit anderen Neonazis ein Wohnhaus in Greifswald angegriffen. Und 2017 zeigte sich Bartusch bei einem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit dem Chef der NPD MV, Udo Pastörs, auf der Gegendemo der Partei.

In Greifswald war Bartusch mutmaßlich vor allem im Umfeld der rechtsradikalen Gruppe „Nationale Sozialisten Greifswald“/„Freie Kräfte Greifswald“ aktiv, die auch im Verfassungsschutzbericht von MV regelmäßig auftauchte. Mutmaßlicher Kopf der Gruppe war der wegen Körperverletzung verurteilte Neonazi Marcus G., der vorher in der mittlerweile verbotenen Kameradschaft „Tor“ in Berlin aktiv war und auch in Greifswald kein unbeschriebenes Blatt ist. 2013 bewarb sich der damals in Greifswald studierende G. als Schöffe beim Amtsgericht Greifswald, was die Stadtverwaltung im Hinblick auf seine Vergangenheit ablehnte. 2014 wiederum wurde G. zu einer Geldstrafe verurteilt, da er bei einer NPD-Kundgebung in Greifswald eine Person verletzt hatte. Wiederum vor Gericht stand G. 2016, diesmal aber als Kläger. Er wollte dem Greifswalder Fleischervorstadt-Blog verbieten, über ihn zu berichten. Noch am ersten Verhandlungstag empfahl die Richterin, die Klage zurückzunehmen. Nach Beratung mit seinem Anwalt tat G. dies auch. 2018 beschäftigte der damalige AfD-Landtagsabgeordnete und Juraprofessor an der Universität Greifswald, Ralph Weber, Marcus G. in seinem Wahlkreisbüro in Wolgast. Noch 2020 nahmen G. und Bartusch mutmaßlich am „Heldengedenken“ für die Waffen-SS in Budapest teil.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Bartusch sein politisches Zuhause vor allem in den Reihen der Neuen Rechten gefunden. 2018 zeigte er sich an einem Infostand der Identitären Bewegung am Greifswalder Mühlentor, wo er auch Flyer verteilt haben soll. Personelle Verflechtungen, die auch heute noch nachwirken. So hat Bartusch sein Greifswalder Büro in der Anklamer Straße 87. Das Haus soll dem Greifswalder Martin W. gehören, welcher an mindestens einer Aktion der Identitären Bewegung im Jahr 2017 mitwirkte. Am 1. Mai 2018 zeigte Bartusch sich zusammen mit Franziska Gerbe, die bei der Identitären Bewegung aktiv war, und Christian von D., Mitglied der Burschenschaft Rugia, am Rande einer antifaschistischen Demonstration in Greifswald. Zur AfD hat Bartusch ebenfalls keine Berührungsängste. 2017 hielt Ralph Weber einen Vortrag in der Burschenschaft Rugia. Neben Bartusch waren unter anderem die NPD-Kader Tino Müller und Enrico Hamisch vor Ort. Burschenschaften als Treffpunkt Eine noch offensichtlichere Verbindung zur AfD bietet aber die Kanzlei Brauer selbst, in der Bartusch angestellt ist. Denn Matthias Brauer ist auch für Enrico Komning tätig, kümmert sich um dessen Vertretung in Köln. Komning sitzt für den AfD-Landesverband MV aktuell zum zweiten Mal im Bundestag. Komnings Kanzlei vertrat 2016 den damaligen Stellvertretenden Vorsitzenden der Identitären Bewegung Deutschland, Daniel Fiß, vor Gericht. 2018 lud Komning den Pegida-Gründer Lutz Bachmann nach Neubrandenburg ein. Ein weiteres verbindendes Element ist die rechtsextreme Burschenschaft Rugia aus Greifswald: Hier sind sowohl Bartusch, Brauer als auch Komning Mitglied. Auch Philipp Neumann ist Mitglied – und ebenfalls bei der Kanzlei Brauer als Rechtsanwalt und Strafverteidiger gelistet. In der Burschenschaft Raczeks Bonn ist wiederum Matthias Brauer schon länger aktiv, neu dazugekommen ist Max Bartusch. Die Raczeks Bonn sind dabei keine gewöhnliche Burschenschaft, geschweige denn unpolitisch. So planten sie für den Burschentag im Juni 2011 einen Antrag zum Ausschluss der Burschenschaft Hansea zu Mannheim. Dort war ein Student unter der Aktivitas, dessen Eltern aus China kamen. Die Raczeks führten aus, dass es „besonders in Zeiten fortschreitender Überfremdung nicht hinnehmbar [ist], dass Menschen, welche nicht vom deutschen Stamm sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden“. Außerdem forderte man, die deutsche Abstammung zur Voraussetzung für die Aufnahme in die Burschenschaft zu machen. Deutschlandweit griffen Medien den Vorfall auf, die Anträge wurden zurückgezogen. Rechte Netzwerke im Gerichtssaal KATAPULT ist keineswegs die erste Publikation, die Abmahnungen von rechtsaußen bekommen hat. Dahinter steckt gewissermaßen ein Geschäftsmodell. Matthias Brauer ist dabei nur ein einzelnes Fallbeispiel. 2016 klagte die AfD gegen das Mainzer Onlinemagazin Zwischenzeit. Federführend: Matthias Brauer, der im Auftrag der Kanzlei Komning arbeitete. Man störte sich an einem Artikel über den Pfefferspray-Angriff eines AfD-Wahlkampfhelfers auf Gegendemonstranten. Die AfD scheiterte mit ihrer Klage. Matthias Brauer forderte die Zeitschrift später dazu auf, seinen Namen aus der Berichterstattung zu löschen. Im Mai 2017 klagte die AfD-Bundestagskandidatin Christina Baum gegen die Stuttgarter Nachrichten. Verantwortlicher Anwalt: Matthias Brauer. Dieser zog seine Klage zurück, nachdem die Zeitung ihn auf formaljuristische Fehler und nachweisbare Unwahrheiten in der von seiner Mandantin geforderten Gegendarstellung hingewiesen hatte. Im April 2021 erwischte es den Mainzer Kommunalpolitiker Maurice Conrad. Dieser berichtete auf Twitter über die Verbindung von AfD-Politikern in rechtsextreme Kreisen, etwa zur Burschenschaft Germania Halle zu Mainz. Diese, und ihre Ableger, sollen in rechten Kreisen bestens vernetzt und organisiert sein. Die erste Abmahnung kam auch hier von Matthias Brauer. Vor Gericht war dann jedoch Andreas Schoemaker verantwortlich, der ebenfalls bei den Raczeks in Bonn Mitglied ist. Der klagende AfD-Politiker Lothar Mehlhose, Altherrenvorsitzender der Burschenschaft Germania Halle zu Mainz, hatte kurzerhand den Anwalt gewechselt. Schoemaker verteidigte zuvor bereits den rechtsextremen Andreas Kalbitz, welcher damals AfD-Abgeordneter war. Die Verhandlung endete mit einem Vergleich. Die Liste an Beispielen ließe sich noch weiterführen.

Matthias Brauers Gesinnung spiegelt sich aber nicht nur in seinen Prozessen wider. So sprach er sich innerhalb des Dachverbands der deutschen Burschenschaften für das „Abstammungsprinzip“ aus. Man bekenne sich „zum deutschen Volk als Abstammungs- und Schicksalsgemeinschaft“, heißt es in seinem Text „Erklärung zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“, der in den Burschenschaftlichen Blättern veröffentlicht wurde. Mitglied sollen demnach nur diejenigen werden, die eine deutsche Abstammung nachweisen können. Unterzeichnet wurde der Text unter anderem von den Greifswalder Burschenschaften Rugia und Markomannia Aachen. Bevor Brauer den Raczeks zu Bonn beitrat, war er Mitglied der Burschenschaft Marchia Bonn. Diese schloss ihn jedoch 2007 aus, da er laut Medienberichten auf deren Grundstück in Ku-Klux-Klan-Manier ein Holzkreuz entzündet und „Hail White Power“ („Heil der weißen Macht“) gerufen haben soll.

Nicht alle Publikationen und Journalist:innen können sich nach derartigen Recherchen und den damit verbundenen Klagen einen Gang vor Gericht und die teils langwierige Verteidigung ihrer Artikel leisten. Nicht selten werden Artikel einfach restlos gelöscht. Dieses Netzwerk rechter Juristen ist eine offene Kampfansage an die freie Berichterstattung. KATAPULT wird auch weiterhin kritisch berichten, rechte Netzwerke klar benennen und sich nicht von Neonazis und ihren Handlangern einschüchtern lassen. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!