Helsinki-Kommission

200 Aktionen und ein Zehnjahresplan für den Schutz der Ostsee

Die Umweltminister der Ostseeanrainerstaaten beschließen beim Ministertreffen der Helsinki-Kommission (Helcom) in Lübeck einen neuen „Baltic Sea Action Plan“ zum Schutz der Ostsee. Die Mitgliedstaaten wollen den Schutz mariner Arten und Lebensräume verbessern und dafür das Netzwerk mariner Schutzgebiete und sein effektives Management weiterentwickeln – mit 200 Aktionen und einem Zehnjahresplan.

Der Ostseeschutz bekommt ein Update. Alle drei Jahre kommen die Umweltminister der Ostseeanrainer und der EU-Umweltkommissar – momentan ist dies der litauische Politiker Virginijus Sinkevicius – zum Ministertreffen der Helsinki-Kommission (Helcom) zusammen, zuletzt 2018 in Brüssel unter EU-Vorsitz. Am Mittwoch traf sich die Kommission in Lübeck unter deutschem Vorsitz. Es ging um nichts Geringeres als den Schutz der Artenvielfalt, die Vermeidung von Müll, Unterwasserlärm und das Problem von Weltkriegsmunition. Ihr erklärtes Ziel: die Maßnahmen zum Schutz der Ostsee zu verbessern und einen neuen Ostsee-Aktionsplan (Baltic Sea Action Plan, BSAP) einstimmig zu verabschieden.

Der Ostseeaktionsplan von 2007 wurde nun um neue Themen wie Meeresmüll und Unterwasserschall aktualisiert und verbindet für das kommende Jahrzehnt Ziele und Maßnahmen, auch um die EU-Meeresstrategie umzusetzen. Rund 200 Aktionen sollen die Ostsee mit dem neuen BSAP im Einklang mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen (UN) in den Bereichen Biodiversität, Nährstoffeintrag, Meeresmüll sowie marinen Aktivitäten besser für die Zukunft rüsten. Außerdem sollen die Helcom-Minister 2021 erstmals eine Wissenschaftsagenda annehmen und Impulse für Forschung und Wissenschaft geben.

Marine Natura-2000-Schutzgebiete in MV werden Helcom-Schutzgebiete

„Der neue Ostseeaktionsplan ist ehrgeizig und beinhaltet die beeindruckende Zahl von 200 Aktionen, die die Hauptbelastungen der Ostsee senken und deren Auswirkungen beheben sollen. Ziel ist es, die Ostsee bis 2030 wieder in einen guten Umweltzustand zu versetzen. Dies kann nur gemeinsam gelingen“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD), der nicht an dem Treffen teilnehmen konnte und durch Umweltstaatssekretär Jürgen Buchwald in Lübeck vertreten wurde. „Ein guter Zustand der Ostsee ist nicht nur gut für das Ökosystem, sondern für uns alle gut. Die Ostsee versorgt uns mit vielen wichtigen Ökosystemdienstleistungen; Fisch und Meeresfrüchte, die wir bedenkenlos essen können, sind nur eine davon. Für uns in MV sind eine gesunde Ostsee und eine gesunde Natur auch deshalb von höchster Bedeutung, weil nachhaltige Nutzungen zum Beispiel im Tourismus und in der Gesundheitswirtschaft wichtige Säulen unserer Wirtschaft sind“, sagte Buchwald vor Ort.

Speziell für Meck-Vorp, kündigte Umweltminister Backhaus im Vorfeld an, werden künftig die marinen Natura-2000-Schutzgebiete des Landes zu Helcom-Meeresschutzgebieten: „Mit der Ausweisung der marinen Anteile unserer Natura-2000-Gebiete werden 50 Prozent der Fläche der Küsten- und Hoheitsgewässer Mecklenburg-Vorpommerns zu Helcom-Meeresschutzgebieten.“ Bisher waren auf dem Gebiet ausschließlich die Nationalparks Jasmund und Vorpommersche Boddenlandschaft als Helcom-Meeresschutzgebiete ausgewiesen.

Bis 2030: Weniger Müll, weniger Lärm, weniger Düngebelastung

Ein weiteres zentrales Thema ist ein besserer Schutz der Ostsee vor Nährstoffeinträgen. Nach Angaben des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums gelten 97 Prozent der Ostsee als überdüngt. Die Bekämpfung der Überdüngung bleibe Hauptaufgabe, sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) am Dienstag in Kiel. Durch Überdüngung geraten zahlreiche Nährstoffe aus der Landwirtschaft über das Grundwasser, die Flüsse oder auch die Atmosphäre in die Ostsee. Infolgedessen kommt es zu enormem Algenwachstum, das wiederum Meerestieren und Unterwasserpflanzen den nötigen Sauerstoff nimmt. Auf diese Weise sind verstärkt tote Zonen in der Ostsee entstanden. Die Helcom reagiert auf diese Situation mit einer Nährstoffrecycling-Strategie. Die Partner wollen so in den kommenden Jahren ein nachhaltiges Management von Nährstoffen etablieren und den Nährstoffverlust in Richtung Ostsee durch effiziente Nutzung der Nährstoffe so weit wie möglich minimieren.

Plastikmüll in der Ostsee soll bis zum Jahr 2025 um mindestens 30 Prozent und bis 2030 um 50 Prozent vermindert werden. Auch für die Reduzierung von Nährstoffen in der Ostsee seien konkrete Obergrenzen festgesetzt worden. Außerdem solle die Schutzfläche der Ostsee bis 2030 von derzeit 15 Prozent auf 30 Prozent erhöht werden.

Die Kommission berät in Lübeck auch über den Schutz der Artenvielfalt durch sogenannte Nichtnutzungszonen, in denen beispielsweise auch keine Fischerei erlaubt ist. Im Gespräch sind dafür ein Zehntel der Meeresfläche. An Schleswig-Holsteins Nordseeküste gibt es solche Zonen im Nationalpark bereits. Sie machen nach Ministeriumsangaben aber nur zwei Prozent der Fläche aus. An der Ostsee fehlen solche Zonen bislang ganz. Dafür seien im Norden 70 Prozent der Küstengewässer der Ostsee Schutzgebiete, sagte Albrecht.

Die aktuelle Vorsitzende der Helcom, Lilian Busse, betonte auf einer Pressekonferenz am Mittwoch die lange, umfassende Arbeit an dem neuen Ostseeaktionsplan. Vier Jahre habe man an dem Plan gearbeitet und so eine Brücke zwische Politik und Wissenschaft geschlagen. Nur auf regionaler Ebene könne man den Herausforderungen im Ostseeschutz begegnen, so die Vorsitzende. Des Weiteren soll laut Busse an einem Implementierungsplan gearbeitet werden, da aus dem vergangenen Ostseeaktionsplan nur ein Teil der von der Helcom vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden konnten. Schle-Holsts grüner Umweltminister Jan Philipp Albrecht betonte ebenfalls die verbesserte, detailliertere Vorgehensweise des neuen BSAP mit konkreten Aktionsschritten.

Naturschutzverbänden wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) und dem World Wide Fund For Nature (WWF) gehen die Beschlüsse nicht weit genug. Die Probleme des Ökosystems Ostsee seien schon lange bekannt, sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Das Problem sei, dass der Ostseeschutz nicht konsequent genug durchgesetzt werde. Der WWF forderte verbindliche Verpflichtungen, um den guten Umweltzustand eines der am stärksten bedrohten Meeresökosysteme der Welt wiederherzustellen.

Baltische Zusammenarbeit im Meeresschutz seit 1974

Die Helsinki-Kommission zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseeraums ist eine zwischenstaatliche Organisation, die sich dem Schutz des baltischen Meeres verschrieben hat. Gemeinsame Vertragspartner und Mitglieder der Helcom sind Deutschland, Dänemark, Schweden, Finnland, Polen und Russland sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen und die EU. Die Helcom-Vertragsparteien haben sich verpflichtet, einzeln oder gemeinsam alle geeigneten Maßnahmen zur Verhütung und Beseitigung der Verschmutzung der Ostsee zu treffen, um die Wiederherstellung und die Erhaltung eines ökologischen Gleichgewichts der Ostsee zu fördern. Grundlage ist das rechtlich verbindliche Helsinki-Übereinkommen von 1992 zum Schutz der Ostsee vor allen Formen der Verschmutzung von Land, auf See und aus der Luft. Jedoch wurde bereits 1974 das erste Helsinki-Abkommen unterzeichnet und trat 1980 in Kraft. Deutschland ist seit 1992 Mitglied der Kommission und hält noch bis Mitte 2022 den Vorsitz. Den Vizevorsitz teilen sich auf Vorschlag des Bundesumweltministeriums die Ostseebundesländer Schle-Holst (bis Juli 2021) und Meck-Vorp (bis Juli 2022).

Quellen

  1. Helsinki-Kommission (Hg.): Baltic Sea Action Plan 2021, auf: helcom.fi/ (20.10.2021)
  2. Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt (Hg.): Natura 2000-Gebiete in der Ostsee werden HELCOM-Meeresschutzgebiete, auf: www.regierung-mv.de (20.10.2021)

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