Allein für den Kostümfundus haben die Mitarbeitenden 200 Kisten aus dem Theater getragen, aus den Räumen der Presse- und Marketingabteilung kamen bis gestern noch einmal 150 zusammen, erzählt Benjamin Glanz vom Presseteam. Mittlerweile sind alle Unterlagen verpackt, Bühnenbilder sortiert und für den Abtransport in andere Lagerräume vorbereitet, Bilder im Foyer abgehängt und verstaut. In den kommenden Wochen soll das Parkett aus dem Zuschauerraum entfernt werden. Die Sanierung nimmt Fahrt auf. Die Bilder der Künstler:innen im Eingangsbereich des Theaters waren eine der letzten Dekoelemente im alten Gebäude. Kosten über 50 Millionen Euro Das Theatergebäude selbst stammt von 1915. Ein Anbau für Ballettsaal, Probebühne und Büros folgte in den Fünfzigerjahren. Während das Hauptgebäude saniert und modernisiert wird, muss der Anbau komplett abgerissen werden. Sanierung, Modernisierung und teilweiser Neubau des Gebäudeensembles sind sollen laut Konzept drei Jahre dauern und rund 49 Millionen Euro kosten. Klar sei aber schon jetzt, so Chefdramaturg Oliver Lisewski, dass die Kosten am Ende höher sein werden. Allein die Lieferzeiträume würden immer weiter verschoben. Das wirke sich auf alle weiteren Prozesse aus – sowohl was die Kosten als auch was die Zeiträume angeht. Deswegen seien auch die drei Jahre Bauzeit kaum mehr realistisch. Das bestätigte auch Winfried Kremer, Leiter des Greifswalder Immobilienverwaltungsamtes. Das Theatergebäude kurz vor Sanierungsbeginn. Ein Großprojekt Dennoch stehen Stadt, Land und Bund hinter dem Projekt. Rund 22 Millionen Euro fließen aus Städtebauförderprogrammen in das Vorhaben. Für eine vorübergehende Spielstätte am Hafen setzte sich die Greifswalder Bürgerschaft ein. „Kultur hat es nicht in allen Fraktionen leicht“, schmunzelt Lisewski, aber die Entscheidung für ein Theaterzelt auf dem Festspielplatz am Museumshafen fällte die Bürgerschaft vor fast genau einem Jahr sogar ohne Gegenstimmen. Die ehemalige Garderobe. Der Spielort am Hafen ist nur einer von insgesamt 13 Ausweichquartieren. Neben der Stadthalle werden Aufführungen und Konzerte auch nach Stralsund und Putbus verlegt. Umzug und Beginn der Bauarbeiten fallen ausgerechnet auf die Spielzeit, sagt Lisewski. Das sei eine Herausforderung, aber „wir leben einfach das Theater auf der Baustelle“. So können die jetzt anfallenden Probleme auch eine Chance sein: „Wir müssen jetzt versuchen, sichtbar zu bleiben. Langjährige Besucher:innen des Theaters müssen auch weiterhin die Möglichkeit haben, zu den Vorstellungen und Premieren zu kommen – auch wenn diese vorerst vermehrt in Stralsund stattfinden.“ Denkbar wären Shuttlebusse, erzählt er. Aber darauf müssten sich die Menschen auch einlassen. Zum anderen würden sich ganz neue Spielstätten ergeben: Zum Beispiel könne sich die Stadt vorstellen, die Baustelle des geplanten Hotels am Hafen für Veranstaltungen freizugeben. Außerdem werden städtische Örtlichkeiten wie Restaurants und Bibliotheken miteinbezogen. Etwas Neues – und eine Chance, findet Marketingleiterin Johanna Reinsch. Die Schneiderei ist eines der letzten Gewerke, die aus dem Theater ausziehen. In den kommenden Jahren wird sie in der Goethestraße untergebracht sein. Mit neuen Standorten könnten wieder mehr Menschen für Theater begeistert werden. Reinsch verrät auch: Es wird auch kleinere Guerillaaktionen in der Greifswalder Innenstadt geben. Dadurch kann das Theater auch wieder näher an das Publikum rücken. Nach den Einbrüchen im Zuge der Corona-Pandemie seien die Menschen vorsichtiger. Das habe sich auch im Kartenverkauf niedergeschlagen. Mit Blick auf den kommenden Herbst und Winter hoffen alle Mitarbeitenden, dass es weiterhin Möglichkeiten geben wird, das geplante Programm weitestgehend zu realisieren. Neubau mit Fensterfront Es hätte aber auch kein späterer Zeitpunkt für die Sanierung kommen dürfen. Seit mehr als drei Jahren wird das Großprojekt nun schon geplant. Das Theater muss grundlegend saniert werden. Unter anderem sind Statik, Brandschutz und Belüftung nicht mehr auf dem neuesten Standard, die technischen Anlagen für Heizung und Elektrik abgenutzt. Auch die Bühnentechnik ist überholt. Aus dem und rund um das mehr als 100 Jahre alte Gebäude soll etwas ganz Neues, Modernes entstehen: Neben neuer Innenausstattung mit barrierefreien Zugängen und Technik soll in dem Anbau eine hochfahrbare Fensterfront entstehen, mit der Interessierte mehr Einblicke in das Theatergeschehen bekommen können. Auch soll es künftig eine Verbindung zwischen der Anklamer Straße und der Robert-Blum-Straße geben. Fast hätte es kein Theater in Greifswald gegeben Übrigens: Wer sich schon mal gefragt hat, warum der Eingang des Greifswalder Theaters in der Robert-Blum-Straße, also einer Seitenstraße – abgewandt von der Innenstadt – liegt, kann froh sein, dass es überhaupt ein Theater gibt: Blick auf die Theaterbühne vom ersten Rang. Eigentlich war für die Hansestadt nämlich gar keines vorgesehen, verrät Marketingchefin Reinsch. Es sollte nur eine Stadthalle geben. Der dem Theater nun vorgelagerte Bau mit repräsentativer Fassade zur Europakreuzung und Innenstadt hin fehlte es aber an einem sogenannten „eisernen Vorhang“, einer herunterfahrbaren Brandschutzwand zwischen Bühne und Zuschauerraum. Deshalb durften in der Stadthalle damals keine Theaterstücke aufgeführt werden. Doch 1912 brannte die bisherige Spielstätte in der Kuhstraße ab. So entschied sich die Stadt schließlich doch für ein zusätzliches Theatergebäude. Hinter der Stadthalle. Mit einem nicht ganz so repräsentativen Zugang.
Das ist jetzt schon mehr als einhundert Jahre her. Mittlerweile hat das Greifswalder Theater deutschlandweit den am längsten bestehenden Haustarifvertrag. Und den einzigen Theatersaal, durch den das Abflussrohr der Kantine sichtbar hindurchführt. Das Abflussrohr der Kantine führte zum Teil direkt an der Bühen vorbei. Ein Theater – 13 Adressen Das ist nun aber alles Geschichte: Die Kisten der Mitarbeitenden sind gepackt und werden von heute an auf die Übergangsstandorte verteilt. In der Siemensallee und in einem Gebäude „An der Thronpost“ zum Beispiel werden Probebühne und Ballettproben ausgelagert. Verwaltung, Marketing, Requisite und Beleuchtung ziehen in die Löfflerstraße, die Hutmacherei in die Goethestraße. Anfang des kommenden Jahres folgt die Schneiderei. Sie wird das letzte Gewerk sein, das die Räume im Theater verlässt. Die schon genutzten Lager werden erweitert, alle Archive mussten dafür gründlich aussortiert werden. Alte Requisiten wurden zum Teil aus Kapazitätsgründen entsorgt. Sogar CDs und Disketten hatten sich über die Jahrzehnte angesammelt. Auch ein Vorteil, das alles einmal zu entrümpeln, lächeln Reinsch und Glanz. Eine der Ausweichstätten für Aufführungen ist die Stadthalle in Greifswald. Auf der Empore werden demnächst Zwischenwände eingezogen. Dahinter entstehen Umkleiden für die Künstler:innen. Als Herausforderung sehen sie allerdings die Kosten, die auch im Zuge der vielen Standorte auf das Theater zukommen werden. 13 Standorte – das heißt auch 13-mal Betriebskosten. Die neuen Büros und Räume seien unterschiedlich gut aufgestellt und ausgebaut. Dahingehend seien sie doch etwas unsicher. Erst mal überwiege aber die Neugier auf Umzug und Umbaubeginn. Die ersten großen Arbeiten beginnen in den kommenden Wochen im Zuschauersaal. Dort wird das Sitzparkett herausgenommen und durch ein den Raum füllendes Gerüst ersetzt, um die Decke zu sanieren. An den Wänden gibt es schon erste Probeentwürfe für den neuen Farbanstrich. „Es wird anders, neu. Nicht so wie in Stralsund“, sagt Reinsch. „Wir sind gespannt.“ Eine der ersten großen Maßnahmen ist die Deckensanierung imTheatersaal. Dafür muss das Parkett komplett entfernt werden. KATAPULT MV begleitet die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen. Eindrücke von einer letzten Führung durch das alte Theater gibt es in unserer nächsten gedruckten Ausgabe. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!