Wer in deutschen Gefängnissen arbeitet, verdient zwischen einem und drei Euro pro Stunde. Es ist ein Bruchteil dessen, was außerhalb der Gefängnismauern für die gleiche Arbeit üblich ist. Darüber hinaus sind Gefangene, die im Vollzug arbeiten, in der Regel nicht versicherungspflichtig. Sie zahlen keine gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Für den späteren Rentenanspruch fehlen somit die Jahre der Inhaftierung trotz der in Haft geleisteren Arbeit. Die ärztliche Versorgung findet über die Haftanstalt statt, doch zuvor mitversicherte Familienangehörige müssen sich selbst neu versichern. Die Arbeitslosen- und Unfallversicherungen werden von den Ländern getragen, doch können Gefangene daran beteiligt werden. Das gilt auch für die Betriebskosten. Kosten für Telefongespräche, Schriftwechsel oder Paketversand tragen die Gefangenen selbst. Kein Mindestlohn vorgesehen „Aus Sicht des Strafvollzugs ist die Integrierung in Arbeit ein wesentlicher Faktor für eine Resozialisierung“, erklärt Andreas Kämpfe aus dem Fachbereich Arbeit der JVA Waldeck. Strafgefangenenarbeit sei ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis. Die Vergütung ergebe sich aus dem Strafvollzugsgesetz und der Justizvollzugsvergütungsverordnung des Landes. Auch das Sozialgesetzbuch spielt bei der Höhe der Gefangenenentlohnung eine Rolle. Je nach Vergütungsstufe (0-5) seien das zwischen 1,07 Euro und 2,22 Euro pro Stunde, erklärt Liane Buss, Fachbereichsleiterin Arbeit der JVA Bützow. So beträgt ein Tagessatz in der Vergütungsstufe 3 14,21 Euro – und damit 1,78 Euro pro Stunde. Neben der finanziellen Komponente ist die Gefangenenvergütung auch in Form von Freistellungstagen vorgesehen, die auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden, erklärt das Justizministerium MV. Die monetäre Vergütung der Gefangenen wird auf deren Hausgeld- und Eigengeldkonten aufgeteilt, heißt es weiter. Auf Ersterem landen um die 43 Prozent der Vergütung. Es ist für den Einkauf von Nahrungs-, Genuss- und Körperpflegemittel in der JVA gedacht. Aus dem verbleibenden Teil wird das Eigengeld gebildet. Hierüber können Gefangene frei verfügen, allerdings nur, wenn eine eventuelle Regulierung von Schulden dem nicht entgegensteht. Der Mindestlohn ist im Justizvollzug nicht vorgesehen, denn die Arbeit der Strafgefangenen wird als Maßnahme der Resozialisierung verstanden und nicht als Arbeit auf Grundlage eines Vertrags. Weil Strafgefangene demnach nicht als Arbeitnehmerinnen gelten, fallen sie somit nicht unter das Mindestlohngesetz, das derzeit zwölf Euro pro Stunde vorgibt. Bei Verurteilung wirds teuer Strafgefangene tragen die Gerichtskosten ihres Verfahrens. Dazu gehören Gutachten, Zeugenentschädigungen und das Honorar für die Pflichtverteidigung. „Je nach Anzahl der Verhandlungstage kann eine Rechnung von 30.000 bis 50.000 Euro entstehen“, die eine verurteilte Person ins Gefängnis mitnimmt, sagt die Rostocker Strafverteidigerin Verina Speckin. Durch die niedrige Vergütung der Strafgefangenenarbeit können hohe Gerichtskosten weder beglichen noch andere Schulden oder Unterhaltszahlungen geleistet werden. Andererseits zahlen Gefangene, die eine Vergütung nach dem Strafvollzugsgesetz beziehen, nichts für Unterkunft und Verpflegung. „Die darüber hinaus zu gewährleistende Bewachung und Begleitung der arbeitenden Gefangenen durch Anstaltspersonal erschwert die Vergleichbarkeit mit einem Mindestlohn, wie er in Freiheit gezahlt wird“, erklärt Tilo Stolpe, Pressesprecher des Justizministeriums. Strafgefangene verdienen also auch deshalb kaum etwas, weil die durch den Staat getragenen Haftkosten eingepreist werden. Unternehmen zahlen in Landeshaushalt Die Arbeit von Inhaftierten wird auch in MV von privatwirtschaftlichen Unternehmen in Anspruch genommen, die handelsübliche Festpreise für ihre Aufträge zahlen. Das Geld fließt jedoch nicht in die Justizvollzugsanstalten, sondern in den Landeshaushalt.  Vorteile bietet die Produktion in den JVAs nicht. „Wenn wir die Arbeiten ins Ausland verlagern würden, wären die Preise ähnlich oder sogar besser“, erklärt Hubert Börger, Geschäftsführer der in Teterow ansässigen Firma emano Kunststofftechnik. Für den Anbieter von Maschinen- und Anlagenbau übernehmen Gefangene der JVA Waldeck Arbeiten in der Endfertigung von Kleinmotoren, Plastikbehältern und Urinalen.  Mindestens zehn Gefangene sollen regelmäßig für emano Kunststofftechnik beschäftigt gewesen sein, berichtet das Recherchenetzwerk Correctiv. Doch wer wann an welchen Produkten arbeitet, entscheide laut dem Unternehmen die JVA. „Aus ökonomischer Sicht (...) müsste man die Zusammenarbeit mit der JVA beenden“, schreibt Geschäftsführer Börger. Doch er schätze die Zusammenarbeit und wolle einen Beitrag zur Resozialisierung der Gefangenen leisten. Auch andere Unternehmen berufen sich auf diesen Aspekt. Einige Mandantinnen der Anwältin Speckin arbeiten in den JVAs des Landes und verdienen zwischen 121 und 150 Euro im Monat. Die meisten Gefangenen seien froh, dass sie arbeiten dürfen, „weil die Tage schneller vorbeigehen“. Doch es gebe nicht genug Arbeitsplätze für alle Strafgefangenen. Dementsprechend werden die Gefangenen unter anderem nach Eignung und Befähigung und nach einer von den Gefangenen selbst zu beantragenden Arbeitszuweisung ausgewählt, erläutert Andreas Kämpfe von der JVA Waldeck. Arbeit als Teil gesellschaftlicher Eingliederung In den JVAs können holz- und metallverarbeitende Berufe ausgeübt, Weiterbildungen wie Schweißerpässe abgelegt und Ausbildungen begonnen werden. Auch Küchen- und Reinigungsdienste gehören zu möglichen Arbeitsbereichen für Inhaftierte. In der JVA Bützow werden Dienstleistungen in den Bereichen Holzarbeit und Metallbau angeboten. Dazu gehören Möbelbau und -restauration, Holzspielzeug, Fenster, Tore, Feuerschalen oder Räucheröfen. Die Firma Hanse Ladenbau aus Kavelstorf ließ in der JVA einzelne Holzbauteile wie Brotroste für Ladeneinrichtungen fertigen. Für die Rügener Insel Brauerei aus Rambin wurden in der Vergangenheit in der JVA Stralsund Holzkisten gefertigt. Gefangene, die zum Freigang zugelassen sind, können eine Arbeit oder eine berufliche Aus- und Weiterbildung in einem freien Beschäftigungsverhältnis wahrnehmen. Außerhalb der Gefängnismauern sind sie Arbeitnehmerinnen und verdienen Mindestlohn und mehr. Dafür müssen sie sich an den Haftkosten beteiligen. Gleiches gilt für Gefangene ohne Freigang, die über eigene Einnahmen verfügen, heißt es aus dem Justizministerium. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!