Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von KATAPULT MV (@katapult.mv) Lebenslanges Freibier für Frauen* (gesprochen: Frauensternchen) ab 14 Jahren, eine 0,2-Promille-Obergrenze für Männer, das bedingungslose Grundeinkommen für alle, zehn Bierbrunnen in der Stadt, kurz: das goldene Biermatriarchat. Das fordert die neu gegründete Wähler:innengruppe Deutsche Biertrinkerinnen Union (DBU). Erst in Rostock, dann in ganz Deutschland und perspektivisch weltweit. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Das hat sich offenbar auch die lokale Presse gedacht, die die neuen Akteurinnen auf der politischen Bühne nicht ernst nahm und als reines Kunstprojekt einordnete. „Anscheinend traut man uns das nicht zu“, sagt Rebecca Thoß. Und zeigt Verständnis – sie selbst sei oft irritiert von dem, was in der Welt so passiere. „Aber es ist wahr“, sagt sie: Thoß ist die, wie sie es nennen, Oberbürgermeisterinnenkandidatin der DBU. Sie ist eine von sechs Kandidierenden, deren Unterlagen nicht vollständig waren und daher in einer weiteren Sitzung des Wahlausschusses geprüft werden. OB-Kandidatin Rebecca Thoß (Foto: Mirco Dalchow) Hürden einer OB-Wahl Ihr polizeiliches Führungszeugnis fehlte. „Wir haben die Formulare nicht gecheckt und deswegen falsche Kreuze gesetzt“, erklärt Thoß. Doch sie werde erneut ihr Führungszeugnis beantragen und sei – solange es pünktlich ankomme – optimistisch, am 22. September als Kandidatin zugelassen zu werden. „Es ist schon sehr interessant, den demokratischen Prozess einer OB-Wahl durch das Labyrinth der Ämter zu durchlaufen.“ Doch langsam hätten sie und ihre Mitstreiter:innen verstanden, wie es funktioniert: Sie haben eine Parteihymne, ein Parteiprogramm, eine Satzung, einen Wahlwerbespot. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von glanz&krawall (@glanzundkrawall) Idee und Unterstützung Die Idee zur Parteigründung kam Thoß und ihren Mitstreiter:innen in der Kantine des Volkstheaters. Diese sei, wie eine Kneipe, ein sozialer Treffpunkt und über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Vorbild der neuen Partei war die Deutsche Biertrinker Union, die laut Volkstheater-Intendant Ralph Reichel erste Spaßpartei Ostdeutschlands, die 1990 in Rostock gegründet wurde. Ziel der anarchisch-basisdemokratischen Partei: Frauen* sollen in der männerdominierten Kneipenszene den Zapfhahn in die Hand nehmen. Beziehungsweise das Zapfhuhn. Außerdem setzt sich die DBU für die Rechte aller Biertrinkerinnen weltweit ein, die sich zu Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und der Bewahrung der Umwelt bekennen und Faschismus, Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Homofeindlichkeit, Ableismus, Neoliberalismus und Produktivität bekämpfen. Zu den Unterstützer:innen gehört unter anderem das Künstler:innenkollektiv glanz&krawall aus Berlin, das mit spartenübergreifendem Musiktheater Menschen „außerhalb der Theater-Bubble“ erreichen möchte, indem es „Live-Band-Allianzen mit Schauspieler:innen, Performer:innen und Musiker:innen“ schließt. Außerdem hat die DBU „Komplizinnenschaft“ geschlossen mit der Rostocker Brauerei, die literweise Freibier für Frauen* sponserte, dem Volkstheater sowie Rostocker Kneipen wie dem RostDock am Stadthafen, dem Freigarten im Peter-Weiss-Haus, dem Jugendalternativzentrum (JAZ) und dem Unfug. Zehn Aktionen in zehn Tagen Denn in den vergangenen Wochen hat die DBU auf ihrer Wahlkampftour mit ihrer mobilen Parteizentrale samt Tresen und Bühne in Form einer überdimensionierten Bierdose kräftig die Werbetrommel gerührt. Mit Freibier für Frauen* und veganem Biereis für Männer. Die DBU in ihrer Parteizentrale am Strand von Warnemünde (Foto: Peter van Heesen) Gegründet wurde die DBU am 2. September auf dem Margaretenplatz in der Rostocker Kröpeliner-Tor-Vorstadt. Den umgangssprachlich auch „Macker“ beziehungsweise „Magger“ genannten Platz haben die Biertrinkerinnen kurzerhand in „Matriarchin-Margarete-Platz“ umgetauft. Sie waren außerdem auf Fahrradtour durch Rostock, haben auf dem Dienstagsbalkon am Brink Parteiprogramm und OB-Kandidatin vorgestellt und bereits auf einer vorgezogenen Wahlparty ihren Sieg gefeiert. Mitglieder und Unterstützer:innen Zum Kernteam der DBU gehören neben Thoß die weiteren Gründerinnen Raissa Kankelfitz, Verena Katz, Kara Schröder, Marielle Sterra und Martha-Luise Urbanek. Alle Biertrinkerinnen sprechen sich untereinander nur mit dem Nachnamen an. Doch auch Männer sind nicht ausgeschlossen: Sie dürfen zwar nicht Mitglied werden, aber die Biertrinkerinnen unterstützen. Sogenannte assoziierte Unterstützer sind die Glanz und Krawall-Künstler John R. Carlson und Dennis Depta. Männer werden allerdings ausschließlich mit ihrem Vornamen angesprochen und sollten sich an die von der DBU geforderte 0,2-Promille-Obergrenze für Männer halten. Diese verlangt die DBU als Pegelausgleich: „Männer haben sich jahrhundertelang am Bierkonsum versucht: Leider haben sie dem Ruf der Biertrinkenden so nachhaltig geschadet.“ So steht es im Parteiprogramm. Das DBU-Kernteam Martha-Luise Urbanek, Marielle Sterra, Rebecca Thoß, Kara Schröder, Raissa Kankelfitz und Verena Katz (v. l.) (Foto: Peter van Heesen) Wie viele Mitglieder sie bisher angeworben haben, kann Thoß nicht genau sagen. Jede Frau* bekommt beim Eintritt in die Wähler:innengemeinschaft einen Parteibecher. Insgesamt 400 habe die DBU in den letzten Tagen verteilt. Doch ob alle verstanden hätten, was das bedeute, wisse Thoß nicht. Auf der Seite der Fans und Unterstützer:innen haben sich bisher 68 Personen eintragen lassen. Im Gespräch mit Rostocker:innen Doch schon in den zehn Tagen habe die Basisarbeit bereits viele schöne Begegnungen und Erfolgserlebnisse ermöglicht. So verteilten sie Bierdeckel mit der Aufschrift Rostockerin – auch hätten sie der Brauerei die Umbenennung der lokalen Biermarke nahegelegt. Eine Männergruppe reagierte irritiert: „Rostockerin? Dann sind wir ja gar nicht gemeint“, erinnert sich Thoß. So seien sie ins Gespräch darüber gekommen, dass es Frauen* umgekehrt genauso gehe, wenn sie nicht explizit angesprochen werden. „Wenn ich nicht Biertrinkerin bin, bin ich Schauspielerin“, sagt Thoß. Sie hat an der Rostocker Hochschule für Musik und Theater Schauspiel studiert, bevor sie am Volkstheater anfing. Jetzt möchte sie ihr Hobby zum Beruf machen und hauptberuflich Biertrinkerin werden. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!