Anfang März wurde öffentlich, dass der Rechtsextremist Sven Krüger, wohnhaft in Jamel und mehrfach unter anderem wegen illegalem Waffenbesitz verurteilt, seinen Jagdschein erfolgreich absolviert hat. Allerdings nicht im Landkreis Nordwestmecklenburg, wo er wohnt, sondern in Vorpommern-Rügen. Medienberichten zufolge, um nach erfolgreicher Prüfung auch den Jagdschein beantragen zu können, der unter anderem zum Waffenbesitz berechtigt.  „Wie kann das sein?“, fragte die Ostsee-Zeitung. Dass der Heimatlandkreis Nordwestmecklenburg eine solche Prüfung nie zugelassen hätte, mutmaßte die taz.  Michael Noetzel von der Linksfraktion im Landtag und Experte für Rechtsextremismus nennt das „blankes Behördenversagen“. Es müsse verhindert werden, dass Krüger nachfolgend einen Jagdschein bekommt und damit die Erlaubnis zum Umgang mit und dem Besitz von Waffen, so der Politiker. Fakt aber ist: Eine Jagdprüfung kann in MV derzeit jede und jeder absolvieren, egal wo er oder sie will. Eine personelle Prüfung vorab, etwa durch ein Führungszeugnis, ist dabei nicht nötig, bestätigen zuständige Behörden wie das Landwirtschaftsministerium. Eine entsprechende Regelung wurde in den 1990er Jahren vom Oberverwaltungsgericht gekippt. Wer sich also eine rund 2.500-Euro-teure Ausbildung mit Prüfung leisten kann, meldet sich einfach für einen Jagdkurs an. Nach erfolgreichem Abschluss kann dann ein Jagdschein beantragt werden.  Sicherheitsprüfung vor Ausstellung des Jagdscheins  Nach Angaben des Landkreises Vorpommern-Rügen, dessen Stempel unter Krügers bestandener Prüfung steht, wurde diese in einer Jagdschule in Eixen absolviert. Die Schule konnte laut einer Kreissprecherin „zumindest im Vorfeld nicht wirklich was von der rechtsextremistischen Gesinnung wissen“. Verhindert werden konnte die Prüfung rein rechtlich sowieso erstmal nicht. Egal wo. Daher nimmt auch der Landkreis Nordwestmecklenburg auf Nachfrage Abstand von der Aussage aus der taz, dass „in seinem Heimatlandkreis der ehemalige Hammerskin nicht zur Prüfung zugelassen worden“ wäre. Eine solche Aussage wurde und könne nicht getätigt worden sein.  Jedoch betont Sprecher Christoph Wohlleben, dass der Antrag auf einen Jagdschein nach Bundesjagdgesetz nur von der zuständigen Behörde am jeweiligen Wohnsitz des Bewerbers beziehungsweise der Bewerberin erteilt werden könne. Also in diesem Fall in Nordwestmecklenburg. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werde kein Einzelfall besprochen, jedoch führt die untere Jagdbehörde bei einem solchen Verfahren eine umfangreiche Sicherheitsprüfung der Antragsteller:innen durch. Wenn in diesem Zuge „beispielsweise die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit festgestellt wird, kann ein Jagdschein bzw. eine Waffenbesitzkarte nicht erteilt werden“, heißt es weiter.  Bisher habe Krüger noch keinen solchen Antrag gestellt.  „Lücken in der Gesetzgebung“ Der aktuelle Fall wirft die Diskussion um eine erneute Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Jagdprüfungen in MV auf. Für Lobbi MV, der landesweiten Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, gibt es eindeutig „Lücken in der Gesetzgebung“. Auch, dass Krüger bei der zuständigen Jagdschule und Behörde in Vorpommern-Rügen als überregional bekannter Neonazi nicht auffiel, sei „zumindest befremdlich“, so ein Sprecher.  Es würden offensichtlich Mechanismen fehlen, die in einem solchen Fall greifen – sowohl juristisch als auch kommunikativ. So müssten etwa die Landkreise besser vernetzt sein. „Dass die rechte Szene ein Interesse daran hat, an Waffen zu gelangen und solche rechtlichen Lücken gezielt ausnutzt, um dies auch auf legalem Wege zu tun, ist naheliegend und auch nicht neu“, schreibt Lobbi weiter.  Laut MVs Innenministerium gab es 2022 weniger Waffenbesitzkarten in den Händen von Extremisten in Mecklenburg-Vorpommern als noch im Vorjahreszeitraum. Denn wer wegen schwerer Straftaten verurteilt wurde oder einer extremistischen Gruppierung angehört, darf in Deutschland insbesondere keine Schusswaffen besitzen. Auch in einigen Fällen aus MV wurde die Erlaubnis zum Besitz von Waffen wieder aberkannt, unter anderem bei Tino Streif, ebenfalls aus Jamel und gut bekannt mit Krüger. Das beschloss ein Gericht Mitte vergangenen Jahres.  Frühere Überprüfung sinnvoll Dennoch gibt es nach wie vor welche: nach Angaben des Verfassungsschutzes 44 Rechtsextremisten und zwölf aus der Reichsbürgerszene mit einer oder mehreren Waffenbesitzkarten. Einen sogenannten kleinen Waffenschein, der zum Mitführen einer Waffe berechtigt, haben demnach 38 Rechtsextremisten und 13 sogenannte Reichsbürger:innen.  MVs Innenminister Christian Pegel (SPD) betonte, dass er gegen Rechtsextreme und Reichsbürger:innen vorgehen wolle, unter anderem keine Waffen in deren Besitz zulassen möchte. Auf die Nachfrage, ob es Überlegungen gibt, die frühzeitige Vorlage eines Führungszeugnisses für solche und ähnliche Anliegen doch wieder einzuführen oder andere Hürden aufzubauen, verwies das Innenministerium jedoch an das Landwirtschaftsministerium. Schließlich liege die Zuständigkeit für jagdrechtliche Fragen dort.  Dieses entgegnete hingegen kurz darauf: „Mit Beantragung des Jagdscheins erfolgt eine Überprüfung der Zuverlässigkeit durch das Innenministerium.“ Sprecher Claus Tantzen betonte aber, dass es mit den derzeit bestehenden rechtlichen Hürden keinen Automatismus gebe, „dass Herr Krüger nun legal Waffen besitzen darf“. Dennoch hält es auch das Landwirtschaftsministerium für sinnvoll, „wenn vor der Jägerprüfung ein aktuelles Führungszeugnis vorgelegt werden müsste“.  Mehr Sensibilisierung gefordert Ob Rechtsextreme vermehrt versuchen, über den Erwerb eines Jagdscheins legal an Waffen zu kommen, verneint die Initiative Endstation rechts. Ihr sei diesbezüglich nichts Konkretes bekannt. Jedoch wollen die entsprechenden Personen auch möglichst unerkannt bleiben, betont ein Sprecher. So sei auch Krügers Fall nur durch Zufall öffentlich geworden. Die Initiative halte die derzeit bestehenden Sicherheitsvorkehrungen vor der Ausstellung eines Jagdscheins soweit für sinnvoll.  Diese allein dürften es potentiellen Rechtsextremen schon sehr aufwändig machen, legal an Waffen zu kommen. Wozu sollte in MV demnach ein Jagdschein nach absolvierter Prüfung beantragt werden? Endstation rechts könne sich aber vorstellen, dass Krüger und andere unbekannte Gleichgesinnte möglicherweise mit der Prüfungsbescheinigung im Ausland weiterkommen wollen, wo es weniger strenge Prüfungen gibt. Krüger etwa sei häufig in Skandinavien unterwegs. Ähnlich sieht es auch Lobbi: Es sei bekannt, dass Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern auch Schießtrainings mit scharfen Waffen in Tschechien besuchen. Auch an den Nordkreuz-Komplex sei erinnert. Daher müsse in einem ersten Schritt weiterhin für die Thematik sensibilisiert werden, nicht zuletzt mit Schulungen und Fortbildungen – insbesondere auch für die Behörden- und Landkreismitarbeiter:innen.  MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!