In den 50er-Jahren konnten am Ufer der Stralsunder Teiche des Öfteren Kampfmittel gefunden werden, erzählt Wolfgang Baier. Ihn würde es nicht wundern, wenn sich in den Teichen auch noch heute Munitionsreste verbärgen. Mit dieser Vermutung liegt der Stralsunder nicht ganz falsch. Jedenfalls lässt darauf das wissenschaftliche Gutachten Umweltgeschichtliche Bohrungen in den Stralsunder Stadtteichen schließen. Dieses hatte die Stadt Stralsund offenbar bereits 2014 vertraulich bei der Universität Greifswald in Auftrag gegeben. Nun bestätigte sie dessen Existenz. Obwohl Kampfmittel dabei nicht im Fokus standen, ergaben sich eindeutige Anzeichen auf deren Existenz. „Latente Gefahren durch Kampfmittel“ Bei der Beantwortung zweier Anfragen aus der Stralsunder Bürgerschaft zur Wasserqualität der Teiche im vergangenen Jahr deutete die Stadtverwaltung Munitionsfunde erstmals an. So ist auf eine Frage des SPD-Fraktionsmitglieds Ute Bartel zur zukünftigen Entwicklung des Knieperteichs von „voraussichtliche[n] Maßnahmen zur Kampfmittelbeseitigung“ die Rede. Auf Nachfrage Bartels, ob etwaige Munitionsfunde zu befürchten seien, heißt es: „Der Südteil des nördlichen Knieperteichs, der Nordostteil des Großen Frankenteichs sowie der Südostteil des Kleinen Frankenteiches sind munitionsbelastet.“ Um dem weiter auf den Grund zu gehen, reichte Linken-Politiker Marc Quintana-Schmidt in der Bürgerschaft Mitte Januar eine Kleine Anfrage zu möglichen Kampfmittelrückständen in den Teichen ein. Dass solche Rückstände tatsächlich existieren, bestätigte der Leiter des Stralsunder Bauamtes, Frank-Bertolt Raith, in der Bürgerschaftssitzung vom 27. Januar. Demnach lägen aufgrund von Luftbildauswertungen für den Großen und den Kleinen Frankenteich sowie den nördlichen Knieperteich „Hinweise auf latente Gefahren durch Kampfmittel“ vor, unter anderem auf Spreng- und Brandbomben. Diese könnten bei schweren Angriffen auf die Stadt im Oktober 1944 in die Teiche gefallen sein. Es gebe jedoch derzeit keine Anhaltspunkte für eine Kampfmittelgefahr am Moorteich und dem südlichen Knieperteich. Was allerdings wiederum nicht ausgeschlossen werden könne, sei, „dass nach Kriegsende Waffen und Munition in den Teichen entsorgt wurden“, so Raith. In den beiden Frankenteichen konnten mittels Echolotaufnahmen, die im Rahmen des Gutachtens durchgeführt wurden, Trichter im Sediment identifiziert werden, die auf eine Munitionsbelastung hindeuten. Für die Belastung spricht ebenfalls, dass in einigen Trichtern „nicht näher definierbare Objekte, die in der Form zu Blindgängern passen“ ausgemacht wurden. Ebenfalls ergebe sich eine „exakt lineare Anordnung der Objekte, die zudem auf munitionsbelastete Flächen in der Frankenvorstadt zuläuft“. „Keine Gefahr für die Bevölkerung“ vorhanden Der Kleine Frankenteich wurde, nach Angaben des Bauamts, in den Jahren 2017 und 2018 im Auftrag der Stadterneuerungsgesellschaft Stralsund durch die Gesellschaft für Kampfmittelbeseitigung einer computergestützten Kampfmittelsondierung unterzogen. Demnach gebe es verteilt über den gesamten Kleinen Frankenteich Verdachtsmomente, so Raith. Jedoch seien genaue Auskünfte zur Menge und dem Zustand der Kampfmittelreste nicht ohne eine Kampfmittelberäumung möglich. Nach Angaben der beteiligten Spezialisten bestehe trotzdem derzeit keine Gefahr für die Bevölkerung. Aussagen über Risiken für die Gewässer, Flora und Fauna seien ohne genaue Kenntnisse von Art und Inhaltsstoffen der vermuteten Kampfmittel nicht möglich. Untersuchungen wären jedoch extrem kostenaufwendig und brächten außerdem neue Gefahren mit sich, die wahrscheinlich größer wären als die aktuelle Situation. „Es ist davon auszugehen, dass die vermuteten Kampfmittel derzeit durch Sedimentablagerungen bedeckt sind und daher von ihnen keine Gefahr ausgeht“, fasst Raith zusammen. Bert Linke sieht das anders. Er ist Inhaber des Bürgergartens Stralsund, der sich am Nordende des Knieperteichs befindet und einen Bootsverleih betreibt. Während das Wasser dort vor Jahren noch 1,80 Meter tief gewesen sei, wurden in der Mitte unlängst nur noch 57 Zentimeter gemessen, sagt Bert Linke gegenüber KATAPULT MV. „Boote liegen auf. Daher ist es wahrscheinlich, dass man mit den Rudern in den Boden haut und eventuell etwas explodiert.“ Enorme Kosten für die Bergung Was es kosten würde, die Kampfmittel zu bergen, ist derzeit noch völlig offen. Lediglich für den Kleinen Frankenteich gebe es eine erste Kostenschätzung auf Grundlage der computergestützten Sondierung, so Bauamtsleiter Raith. Diese belaufe sich auf rund 553.000 Euro für eine Munitionsbergung in bis zu einem halben Meter Tiefe und eine anschließende Untersuchung an Land. Die Schätzung sei im Jahr 2019 im Rahmen der Vorplanung für die Entschlammung des Kleinen Frankenteichs erstellt worden. Die Kosten könnten jedoch noch deutlich höher ausfallen und mehrere Millionen Euro betragen. Und zwar dann, wenn zusätzlich mehr und andere Kampfmittel gefunden würden als bislang vermutet. Die finanziellen Risiken seien somit nicht kalkulierbar, sagt Raith. Zudem habe sich der ökologische Zustand des Kleinen Frankenteichs zwischenzeitlich deutlich verbessert, weshalb eine Entschlammung und Munitionsbergung zum gegenwärtigen Zeitpunkt an Dringlichkeit verloren habe. Darüber wird seitens der Stadtverwaltung momentan also nicht nachgedacht. Warum die Stadt Stralsund die Informationen zu den Kampfmittelrückständen in den Teichen nicht schon früher öffentlich machte, bleibt offen. Es sei „nicht üblich, jedes projektbezogene Fachgutachten der Bürgerschaft vorzustellen“, erklärte Raith die Notwendigkeit der gezielten Nachfrage seitens der Bürgerschaft. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!