In der Ritterstube des Schweriner Landtags präsentierten Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Simone Oldenburg (Die Linke) die Beschlussvorlage des Koalitionsvertrags zwischen ihren Parteien mit dem Titel „Aufbruch 2030: Verantwortung für heute und morgen – für ein wirtschaftlich starkes, sozial gerechtes und nachhaltiges Mecklenburg-Vorpommern“. Nach acht Verhandlungsrunden endeten die Gespräche bereits am Freitag. Am kommenden Samstag soll über den Koalitionsvertrag auf den beiden Sonderparteitagen von SPD und Linken abgestimmt werden. Man habe die Parteien im gesamten Diskussionsprozess mitgenommen und gehe deshalb von einer breiten Zustimmung aus. Die Verhandlungen seien sehr konstruktiv und zügig verlaufen, sagte Schwesig. Das Papier sei die Grundlage für eine gute, solide und verlässliche Koalition. Es habe in den Gesprächen nie eine Rolle gespielt, dass die eine Partei bei der Landtagswahl viermal so viele Stimmen bekommen habe wie die andere, betonte sie. Es gehe darum, mit den verfügbaren Mitteln in den nächsten fünf Jahren das Beste für das Land zu gestalten. Alle Vorhaben des rot-roten Koalitionsvertrags stehen unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit der erforderlichen Haushaltsmittel. Kritik an unzureichendem Klimaschutz Schwerpunkte für Rot-Rot sei eine Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit, starker Wirtschaft und nachhaltigem Natur- und Umweltschutz. Neben einem neuen Feiertag sind Verbesserungen in den Bereichen Bildung, Landwirtschaft und öffentlichem Nahverkehr geplant. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Harald Terpe, kommentiert den Vertrag: „Der Klimaschutz wird sträflich vernachlässigt. Wie viel Fläche für die Windkraft im Land zur Verfügung gestellt werden soll, bleibt offen. Dies ist aber die entscheidende Frage, wenn es um das Erreichen der Pariser Klimaziele und die Schaffung gut bezahlter, zukunftsfähiger Arbeitsplätze bei uns im Land geht.“ Auch beim Moorschutz, dem zweiten großen Hebel für den Klimaschutz in MV, verfehle Rot-Rot die Notwendigkeiten. Der internationale Frauentag am achten März soll künftig zum gesetzlichen Feiertag werden, um die Gleichstellung von Männern und Frauen weiter voranzubringen. „Wir haben mit Blick auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber entschieden und sagen, ein zusätzlicher Feiertag ist machbar. Darunter wird unsere Wirtschaft nicht leiden und gleichzeitig wird dabei nicht überzogen“, so Schwesig. Gemeinsam wolle man das Land verändern. „Wir werden kein zerstrittener Haufen sein, sondern alle Kräfte auf die Inhalte in der Politik fokussieren, um gemeinsam Verantwortung für Mecklenburg-Vorpommern zu übernehmen“, ergänzte Linken-Verhandlungsführerin Oldenburg. Die FDP kritisiert, dass mit einem zusätzlichen Feiertag weitere Belastungen auf die Unternehmer:innen im Land zukämen: „Trotz des Bekenntnisses zu einer starken Wirtschaft mit guten Arbeitsplätzen fehlen im Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft, insbesondere nach der Pandemie. Das Rückgrat unseres Wohlstands, die soziale Marktwirtschaft, kommt weder begrifflich noch sinngemäß im rot-roten Wirtschaftsplanspiel vor. Eine bloße Ankündigung einer Industriestrategie ist noch nicht der versprochene ‚Aufbruch 2030‘, weil starke Wirtschaft nicht per Dekret funktioniert“, so Fraktionsvorsitzender René Domke. Bustickets für Senioren, neue Bäume, Bürgerdialog Von gutem Schulessen über ÖPNV-Tickets für Senioren, ein landesweites Rufbussystem bis hin zu fünf Millionen neu gepflanzter Bäume: In 555 Spiegelstrichen hat die künftige Landesregierung in der Koalitionsvereinbarung ihre Vision für Meck-Vorp zusammengefasst. Die kostenlose Kita soll erhalten bleiben, bessere Personalschlüssel festgeschrieben, erneuerbare Energien und die Wasserstoffwirtschaft sowie Tourismus „in Qualität statt Quantität“ ausgebaut werden. Das Wahlalter soll auf 16 Jahre gesenkt und für Kinder und Jugendliche eine Enquetekommission eingerichtet werden. Annett Lindner, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, stellte hingegen klar, dass die Koalition keinesfalls die anfangs versprochenen 1.000 zusätzlichen Lehrerstellen schaffen werde. Steffen Kühhirt von der Gewerkschaft ver.di begrüßte den verbesserten Personalschlüssel in den Kitas. Dennoch liege Mecklenburg-Vorpommern im bundesweiten Vergleich nach wie vor hinten. Zum Klimaschutzgesetz soll nach Wunsch von Rot-Rot ein großer Bürgerdialog stattfinden und das ehrenamtliche Engagement im Land generell gestärkt werden. Die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Shepley kritisiert das geplante Rufbussystem: „Der ÖPNV wird auch in den kommenden fünf Jahren wieder nicht konsequent weiterentwickelt. Statt endlich alle Dörfer mit echten Bussen und einem verlässlichen Takt anzubinden, wird das für Einzelfälle sinnvolle, aber sehr teure Rufbussystem als Feigenblatt vorgeschoben. Das ist keine Lösung, das ist eine Vertagung der Aufgabe in die Zukunft.“ Die IG Metall dagegen begrüßt den Entwurf des Koalitionsvertrages. „Darin positionieren sich beide Parteien klar für gute und sichere Arbeit“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Wir erwarten von der künftigen Landesregierung, dass sie die in dem Papier angekündigte Stärkung der Tarifbindung konsequent umsetzt. Förderung dürfen nur Unternehmen bekommen, die sich an Tarifverträge halten." Keine Differenzen in den Verhandlungen Wie genau und wann welches Projekt umgesetzt werden soll, darüber werde in einer gemeinsamen Klausur beraten, in die die Ergebnisse der November-Steuerschätzung einfließen sollen, so Schwesig. Der Vertrag sei eine gute Mischung aus Kontinuität und Aufbruch, man wolle zur soliden Grundlage neue Akzente setzen. Schwesig betonte, sie habe zuvor bereits auf Landes- und Bundesebene jeweils zwei Koalitionsverhandlungen erlebt und diese sei „sehr zielorientiert und zügig“ über die Bühne gebracht worden. Auch Oldenburg bestätigte, es habe keine Auseinandersetzungen gegeben, man habe immer am Inhalt orientiert gearbeitet. „Das Ziel war klar, deswegen gab es auch keinen Streit“, sagte Oldenburg auf die wiederholte Nachfrage nach Streitigkeiten während der Verhandlungen. Laut Schwesig gebe es in der medialen Berichterstattung über Koalitionsverhandlungen häufig nur „Kuschelkurs“ oder Streitigkeiten. Sie schlägt daher eine dritte Kategorie vor: „konstruktive, sachliche und kompetente Gespräche.“ Es möge aber auch eine Rolle gespielt haben, dass Frauen miteinander verhandelt hätten. FDP-Fraktionsvorsitzender Domke meint dazu: „Wenn in einer Koalition beide Partner von den großen Gemeinsamkeiten und den inhaltlichen Überschneidungen überrascht sind und es keine Auseinandersetzungen und Kontroversen gab, stellt sich doch die Frage, ob nicht einer der Partner die Existenzberechtigung im politischen Spektrum verloren hat.“ Ähnlich sieht es auch die CDU-Fraktion. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Sebastian Ehlers erklärt hierzu: „Weiter so wie bisher – nur eben schlechter. So könnte das Motto der nahenden Linkskoalition lauten. Und so wolkig wie manche Ankündigungen in den Pressekonferenzen auch waren, so wolkig bleiben sie im Koalitionsvertrag. Gutes Klima, gute Löhne, gute Menschen, gute Wirtschaft, gutes Leben – gute Reise.“ Nikolaus Kramer, Fraktionsvorsitzender der AfD, nennt den Vertrag ein „Feuerwerk der Ankündigungsrhetorik“ und will in der Opposition der rot-roten Regierung „mehr als je zuvor auf die Finger schauen“. Am Samstag treffen sich SPD und Linke in Wismar und Güstrow zu ihren Sonderparteitagen, um die Fassung des Koalitionsvertrags mit ihren Mitgliedern zu beschließen. Am kommenden Montag ist dann die Wiederwahl von Schwesig als Ministerpräsidentin im Landtag und die Ernennung ihres Kabinetts vorgesehen. Die Posten in den Ministerien sollen laut Oldenburg und Schwesig gegen Ende der Woche verkündet werden. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!