Einer der letzten naturbelassenen Orte auf Rügen könnte bald zum größten maritimen Resort des gesamten Baltikums werden. So bezeichnen es zumindest die Planer des Großprojekts „Baltic Sea Eco Resort“, das internationale Architekturbüro Krause und Bohne, auf der Halbinsel Bug bei Dranske. Der Bebauungsplan für das ehemalige Militärgelände steht seit 2003, seitdem sind mehrere Investoren von dem touristischen Großvorhaben wieder zurückgetreten. Ungefähr 680 Millionen Euro soll das Projekt kosten. Es würde die Bettenzahl Rügens um 14 Prozent erhöhen. Als Bauherr fand sich nach jahrelanger Suche nun eine Gruppe von Investoren, die noch in diesem Jahr mit den Arbeiten beginnen will. Die Bauzeit wird auf drei bis vier Jahre geschätzt. Größtenteils sollen die Baustoffe über den Seeweg nach Bug gebracht werden, also auch durch den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft und Natura-2.000-Schutzgebiete. Vergleicht man den Bebauungsplan von 2003 mit den amtlichen Forstkartierungen, wird schnell klar: Seit damals hat sich auf der Halbinsel Bug einiges geändert. Dort, wo nun das Ferienresort mit Sportboothafen und 2.300 Betten in Hotels, Ferienhäusern und Villen entstehen soll, hat sich die Natur den schmalen Küstenstreifen zurückerobert. Der Bebauungsplan der Gemeinde Dranske ist rechtskräftig. Jedoch passt die Planung, die mittlerweile fast zwanzig Jahre alt ist, nicht mit den letzten Kartierungen des Forstamtes zusammen. Küsten- und Bodenschutzwald befindet sich dort, wo Hotels, Ferienhäuser und Gastronomie entstehen sollen. Nach § 15 Absatz 1 des Waldgesetzes von Meck-Vorp muss auch bei rechtswirksamen B-Plänen, die älter als zehn Jahre sind, die Situation des schützenswerten Waldes neu bewertet werden. In der Waldbilanzierung des nördlichen Teils von Bug aus dem Jahr 2001 ging man allein von einem Waldverlust von 11,974 Hektar und 7,585 Hektar Waldumwidmung aus. Also von deutlich mehr Rodungsflächen als einem Hektar Wald. Wenn angrenzende Waldflächen, wie der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, durch nahe Bebauung und touristische Nutzung gefährdet werden, ist eine Rodung laut Waldgesetz verboten. Das Gleiche gilt für besonders geschützte Wälder, wie den Küsten- und Bodenschutzwald auf Bug. Im Landeswaldgesetz ist auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Waldes ein Grund, die Rodungsgenehmigung zurückzuziehen. David Wulff, Generalsekretär der FDP in Mecklenburg-Vorpommern und Kreistagsmitglied in Vorpommern-Greifswald, hat eine positive Grundhaltung zum geplanten Projekt auf der Halbinsel Bug. „Wenn die Gemeinde das Projekt will, stehen wir dem grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber“, so Wulff. Außerdem bewertet er den Bau einer zugehörigen Hotelfachschule in Dranske als dringend nötig. „So etwas brauchen wir unbedingt in MV. Wenn man nach dem Konzept geht, wird deutlich, die Fachkräfte werden vor Ort herangezogen. Das brauchen wir in dem Sektor und das schafft außerdem jede Menge Arbeitsplätze auf Rügen.“ Nach derzeitigen Planungen soll ein Mitarbeiterdorf bei Dranske für die etwa 700 Arbeitskräfte entstehen, ebenfalls im Stil einer Gartenstadt. Ebenso positiv bewertet Wulff die Erschließung der Halbinsel Bug. Die nördlichen Teile der Halbinsel würden bebaut werden, die aktuell schon bebaut seien. „Es würde eine touristische Region erschlossen werden, in der bis jetzt noch nicht viel passiert ist.“ Genau das versuchen Umweltschützer und die Grünen zu verhindern, denn die Halbinsel Bug zählt zu den letzten noch unberührten Orten auf Rügen. Die Kritikpunkte aus der Bevölkerung, wie nicht überschaubare Verkehrs- und Umweltbelastung, erkennt der FDP-Politiker als absolut berechtigt an. Bei großen Problemen, insbesondere durch den erhöhten Individualverkehr, müsse man nachsteuern. „Eine bessere Bahnanbindung wäre etwas, womit sich die Landesregierung hervortun könnte“, meint Wulff. Dennoch sieht er die Verkehrswegeerschließung auf Rügen deutlich besser aufgestellt als auf Usedom. Kristin Kasten, Fraktionsvorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion in Vorpommern-Rügen, hält von dem Großprojekt auf Bug nichts. „Wir haben bereits genug Betten auf Rügen. Massentourismus sollte nicht das Ziel sein. Leider gibt es keine einheitliche touristische Linie auf der Insel. Der hiesige Tourismusverband ist sehr schwach“, so die Rüganerin, die auch im SPD-Ortsverein Rügen-Hiddensee aktiv ist. Man sollte sich eher fragen: Was will und was braucht Rügen für einen Tourismus? Kristin Kasten, Fraktionsvorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion in Vorpommern-Rügen Auch die Verkehrssituation auf der Insel würde Kasten anders lösen: „Denkbar wäre es, den öffentlichen Nahverkehr besser auszubauen oder direkt eine Park+Ride-Station in Altefähr anzulegen. Man muss es aber nicht nur denken, sondern auch tun.“ An die ersten Pläne für die Halbinsel Bug nach der Wende erinnert sie sich noch gut: „Das alte Projekt kenne ich. Damals hat der Bauherr Herr Oetken uns alles vorgestellt, aber da war die Situation eine andere. Jetzt muss die Forstwirtschaft die Lage neu beurteilen.“ Auch Benjamin Heinke, Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag Vorpommern-Rügen, blickt kritisch auf das geplante Millionenprojekt: „Wir stehen der Sache sehr skeptisch gegenüber, da es aufgrund der stark genutzten Infrastruktur durch den bereits vorhandenen Tourismus hier schon jetzt zu einer Überlastung kommt.“ Vorpommern-Rügens Landrat Stefan Kerth (SPD) erklärte gestern dazu: „Es obliegt einem Landkreis nicht, diese Pläne zu konterkarieren. Man kann dahingestellt lassen, ob ein Vorhaben der Größenordnung noch dem heutigen Zeitgeist entspricht. Aufgabe des Landkreises wird sein, im Rahmen seiner Zuständigkeit und der rechtlichen Vorgaben die Genehmigungsverfahren durchzuführen. Insbesondere werden naturschutzrechtliche Fragen zu bewerten sein.“ Der Landrat will sich in der kommenden Woche selbst vor Ort ein Bild machen.  Das Projekt polarisiert. Es wird als Chance der Entwicklung der Halbinsel Wittow gesehen. Es erheben sich jedoch auch Stimmen, die sich in Sorge um Natur und Konsequenzen für die Bewohner der Insel zeigen. Ich nehme beides aufmerksam wahr. Stefan Kerth (SPD), Landrat von Vorpommern-Rügen Katharina Horn, Mecklenburg-Vorpommerns grüne Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, positioniert sich indessen klar gegen das Bauvorhaben: „Dieses vollkommen überdimensionierte Projekt passt weder in unsere Region noch in diese Zeit. Tier- und Pflanzenwelt auf dem Bug haben sich in den letzten Jahrzehnten großartig entwickelt. Hirsche und Adler fühlen sich wieder zu Hause. Wo früher noch Bomben verladen wurden, wachsen heute Bäume durch die alten Betonplatten. Es hat sich ein wertvoller Küstenschutzwald entwickelt. Statt solcher Megaprojekte brauchen wir eine sanfte Weiterentwicklung des Tourismus.“ Als letzte Instanz könnte sich Umweltminister Till Backhaus (SPD) einschalten. Erst im Februar gab er einem Investor grünes Licht für die Rodung und Bebauung eines Küstenschutzwaldes in Stralsund-Andershof – entgegen der Empfehlung des zuständigen Forstamts Schuenhagen (Landkreis Vorpommern-Rügen). Es steht auf Bug also Waldschutz gegen Baurecht. Die Wald-Umwandlungsgenehmigungen für den Bebauungsplan von 2003 müssten neu bewertet werden. Ansonsten würden unrechtmäßig massive Eingriffe in den natürlich gewachsenen Wald auf Bug und den Küstenschutz vor wirtschaftliche Interessen gestellt werden. Alle Bildrechte: (Katapult MV – Morten Hübbe) MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!