Im März betonte Klima- und Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD): „Wir müssen unsere Moore schneller und umfangreicher nass bekommen, wenn wir die Klimaschutzziele von Paris erreichen wollen.“ Einige Monate später, im Oktober, sagte er, dafür müsste bis 2040 fast die Hälfte aller trockengelegten Moore wiedervernässt werden. Von diesen ambitionierten Zielen ist bislang wenig umgesetzt: Von 300.000 Hektar Moorfläche in Mecklenburg-Vorpommern sind Stand jetzt etwa zwölf Prozent wiedervernässt. In einem offenen Brief werfen Moor- und Umweltschützer dem Minister nun fehlendes Handeln vor. Dem Schreiben zufolge werden entwässerte Moore weiterhin durch Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen finanziell gefördert. Es stünden künftig sogar „deutlich mehr Fördermittel für die klimaschädliche Weiterbewirtschaftung” bereit. Die Moorforschenden Franziska Tanneberger von der Universität Greifswald und Gerald Jurasinski von der Uni Rostock kritisieren: „Mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen stammen in unserem Bundesland aus entwässerten Mooren, von denen der überwiegende Teil landwirtschaftlich genutzt wird.“ Sie fordern, öffentliche Fördermittel für klimaschädliche trockene Moorbewirtschaftung zu stoppen. Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes Die gute Nachricht für Moorböden vorweg: In den nächsten Jahren, der Förderperiode 2023 bis 2027 der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik, gibt es Hoffnung für die sogenannte Paludikultur. In dieser Form der alternativen Landwirtschaft werden Moore wiedervernässt und mit angepassten Pflanzen wie Rohrkolben und Schilf oder Tieren wie Wasserbüffeln bewirtschaftet. Paludikulturen seien von nun an prämienberechtigt, erklärt Jan Peters von der Greifswalder Michael-Succow-Stiftung. „Das heißt, Landwirte können für diese Flächen eine Grundförderung von etwa 150 Euro pro Hektar pro Jahr bekommen.“ Abgesehen davon sind die Nachrichten aber düster, so Peters. Für die wichtigste landwirtschaftliche Förderung, die Direktzahlungen, werde laut Peters kein Unterschied zwischen entwässerten und nassen Flächen gemacht – obwohl entwässerte Flächen massiv Treibhausgase ausstoßen. „Landwirte, die ihre Flächen für die Landwirtschaft entwässern, werden von der EU weiterhin gefördert.“ Außerdem können sie zusätzliche Förderung für ihre entwässerten Moorflächen über die Ökoregelungen beantragen, erklärt der Biologe. Diese seien eigentlich zum Umweltschutz, wie dem Anlegen von Blühstreifen oder der Änderung von Fruchtfolgen, gedacht. Aber „auch hier wird kein Unterschied gemacht, ob diese Fläche ein Moor ist und entwässert wird“.
An diesen Zahlungen aus der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) lasse sich in den Bundesländern laut Peters nicht so einfach etwas ändern. Doch sehen Moorexpert:innen eine Chance in der zweiten Säule der GAP: Darin enthalten sind die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM). Mit diesen Regelungen sollen Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft gefördert werden – und dabei könne das jeweilige Bundesland mitgestalteten. So könnten diese AUKM von MVs Landwirtschaftsministerium eingesetzt werden, um nur nasse Moorflächen zu fördern. „Momentan werden einige AUKM jedoch auch ausgezahlt, wenn die Fläche entwässert wird“, erklärt Peters und ergänzt: „Wenn ein Moor entwässert ist, zersetzt sich der Torfboden, geht als CO2 in die Atmosphäre und führt zu einem großen Klimaschaden.“ Aus Peters Sicht seien die AUKM ein Deckmantel: „Etwas wird als Klima- und Umweltschutz verkauft, was es gar nicht ist!“
Deshalb schrieb er als Geschäftsführer der Succow-Stiftung gemeinsam mit der Naturschutzorganisation Nabu und weiteren Moorschutzexpert:innen den besagten Brief an Till Backhaus. Sie fordern: „Die Agrar-Umwelt-Klima-Maßnahmen dürfen keine entwässerungsbasierte Landwirtschaft fördern.“ Klimaschutz vor Umweltschutz? Claus-Dieter Tobaben bewirtschaftet den Milchhof am Peenetal. Von seinen 400 Hektar Fläche sind 100 Hektar Niedermoor. Um Kühe und Rinder darauf zu halten, muss er den Boden entwässern. Er besitzt ein solches Stückchen Land, über das die Moorexpert:innen diskutieren. 15 Hektar seiner entwässerten Moorfläche werden über die AUKM finanziert. Er erhalte die Zahlung, weil er die Fläche besonders umweltschonend bewirtschafte, erklärt er. „Da wird auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet, es werden Gräser gefördert, wie Binsen, Seggen, Rohrkolben, und den Bodenbrütern wird Zeit für ihre Brut gegeben“, so Tobaben. Weil die Nasswiesengräser energiearme Nahrung sind und er nur „ab und zu ein paar Rinder darauf weiden lässt“, bekommt der Landwirt Ausgleichszahlungen. Tobaben sagt, würden ihm diese AUKM-Zahlungen gestrichen, „dann werden wir die Flächen anders bewirtschaften müssen, also intensiver“. Der Landwirt erklärt, seine Flächen müssen ihm Geld einbringen. „Ich beschäftige sechs Leute, habe eine Familie zu ernähren und muss jeden Monat meine Bank bedienen.“ „Es wäre natürlich schade, wenn der Landwirt mit den Umweltschutzmaßnahmen aufhören würde“, sagt Falk Ortlieb vom Nabu, ebenfalls Unterzeichner des offenen Briefs. Er betrachtet den Moorschutz in Zeiten des Klimawandels als vorrangig. „Wir sind in dem offenen Brief zu dem Schluss gekommen, dass kein staatliches Geld mehr für eine torfzehrende Bewirtschaftung ausgegeben werden sollte.“ Die Angst der Landwirt:innen „Man möchte die Flächen ja komplett wiedervernässen. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich mit einer Nutzung in Einklang zu bringen ist“, sagt Landwirt Tobaben. In den Achtzigerjahren sei die ganze Region von der Meliorationsgenossenschaft drainiert worden, um sie besser landwirtschaftlich nutzen zu können. Die aktuellen Diskussionen um Wiedervernässung und nasse Bewirtschaftung machen den Landwirt:innen Angst. Tobaben sagt: „Du hast die Grünlandfläche vielleicht für 12.000 Euro gekauft, um sie landwirtschaftlich zu nutzen. Hast dein ganzes Betriebskonzept darauf aufgebaut und dann kriegst du dafür ein Nutzungsverbot. Das ist eine kalte Enteignung.“ Auch wenn die Moorexpert:innen und die Landesregierung immer wieder betonen, die nasse Bewirtschaftung sei freiwillig, ist die Angst in den Betrieben davor groß: „Es hängen teilweise Existenzen davon ab“, erklärt Tobaben. Auch der Landesbauernverband sieht in der Wiedervernässung von Moorböden „die Gefahr einer schleichenden Enteignung der Flächeneigentümer“. Der Verband schreibt: „Grundsätzlich ist die Landwirtschaft bereit, zum Erhalt von Moorstandorten beizutragen. Allerdings benötigen die Landwirte Verlässlichkeit und Perspektiven für ihre Betriebe.“ Landwirt Tobaben findet: „Statt nach Schuldigen zu suchen, sollte man es als gemeinschaftliche Aufgabe betrachten.“ Wenn er durch die Wiedervernässung CO2-Bindung und Klimaschutz betreibe, würde er das gern besser honoriert sehen. Gut gemeint, aber die Bürokratie steht im Weg Tatsächlich gibt es in der kommenden Agrarpolitik zwei Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, die genau diese Kohlenstoffbindung von nassen Moorböden finanziell fördern. Unter der „moorschonenden Stauhaltung“ werden die Wasserstände angehoben. Da die Landwirte die Flächen dann nur noch eingeschränkt nutzen können, werden sie entschädigt. Auch der Anbau von angepassten Pflanzen in Paludikultur kann darüber gefördert werden.
Doch seien die betroffenen Gebiete unzureichend geplant, kritisiert Jan Peters von der Succow-Stiftung. „Viele Landwirte, die es machen könnten, sind ausgeschlossen, weil ihre Flächen nicht mit drin sind.“ Er fordert, sich stärker auf den Flächenplan zu beziehen, der 2017 in der Paludikultur-Fachstrategie des Landes erarbeitet wurde. Zudem sei der bürokratische Aufwand für die einzelnen Betriebe unglaublich hoch. Für manche Maßnahmen müssten sie selbständig Genehmigungen einholen – so auch alle betroffenen Nachbar:innen um Einverständnis bitten, den Wasserspiegel anheben zu dürfen. Peters sagt: „Die Programme lesen sich auf dem Papier zwar gut. Im Detail liegt aber der Teufel begraben.“ Er und seine Kolleg:innen gehen davon aus, dass die Angebote wegen ihrer bürokratischen Hürden nicht angenommen werden. In Brandenburg, wo die AUKM der „moorschonenden Stauhaltung“ schon seit einigen Jahren existiert, würden die Landwirt:innen besser beraten und die Begutachtung der angrenzenden Flächen vom Land finanziert.
In ihrem Brief an MVs Landesregierung fordern die Moorfachleute deshalb auch, den Aufwand für moorfördernde AUKM zu reduzieren. „Das oberste Prinzip ist, dass das alles freiwillig passieren soll. Freiwillig kann es nur passieren, wenn es entsprechende Anreize und Förderungen gibt“, so Peters. Regierung weist Vorwürfe zurück Auf Anfrage von KATAPULT MV heißt es vom Landwirtschaftsministerium MV,  es gäbe bereits zahlreiche AUKM, die eine Wasserstandsanhebung fördern und „ein nicht unerheblicher Teil der Bürokratie wird eben nicht in MV verursacht, sondern ergibt sich aus Vorgaben der jeweiligen Förderprogramme (EU, Bund)“. Das Ministerium verweist auf die geplante Einrichtung einer Moorschutzagentur 2023, die Landwirt:innen bei Genehmigungsverfahren beraten soll. Auf diese beruft sich auch Minister Backhaus in einem Interview mit dem Onlinemagazin Klimareporter° und betont, man wolle die Wiedervernässung nicht hinauszögern. Änderungen der AUKM für Landwirtschaft auf trockengelegten Moorflächen seien dennoch aktuell nicht geplant. Angelika Fuß, die für den Nabu an dem offenen Brief mitgewirkt hat, sieht die Fortführung der AUKM für entwässerungsbasierte Landwirtschaft kritisch. Fuß sagt, die Fördermittel hießen Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen und sollten auch diesem Zweck dienen. Wenn damit entwässernde Bewirtschaftung weiterhin gefördert würde, „kann das K und eigentlich auch das U aus AUKM gelöscht werden“. Bliebe die Landesregierung bei den aktuellen Förderbedingungen, „würde das für Ihr und mein Portemonnaie bedeuten, dass unsere Steuermittel klima- und umweltschädlich eingesetzt werden“, erklärtFuß. Die Unterzeichnenden des offenen Briefes fordern die Regierung weiterhin dazu auf, die Förderbedingungen anzupassen. Zwar wären die AUKM nur ein Puzzlestück in dem Prozess, „aber sie sind ein Entscheidendes“. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!