Mit einer Umfrage unter Schüler:innen, Lehrkräften und Eltern zeichnen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), der Landeseltern- und der Landesschülerrat die aktuelle Situation an den Schulen in Mecklenburg-Vorpommern nach. Obwohl es sich nicht um eine repräsentative Erhebung handele und sich insgesamt weniger Menschen beteiligt hätten als im vergangenen Jahr, ergebe sich aus den Ergebnissen dennoch ein differenziertes Meinungsbild zur aktuellen Lage an MVs Schulen, so Annett Lindner, Landesvorsitzende der GEW. Personalnot und starke familiäre Belastung 3.703 Elternteile beteiligten sich nach Angaben des Vorsitzenden des Landeselternrats, Kay Czerwinski, an der Umfrage. Als größtes Hemmnis bei der Bewältigung der Pandemie sei dabei die Personalnot an den Schulen genannt worden. Zudem geben nur 41 Prozent der befragten Eltern des Lernstand ihrer Kinder als den Erwartungen entsprechend an. Um den so entstandenen Lernrückstand wieder zu schließen, wünschen sich die Eltern deshalb vor allem mehr Lehrer:innen, daneben unter anderem eine bessere Ausstattung der Schulen mit Sachmitteln sowie eine „Entschlackung“ der Klassen. Doch der Wunsch nach mehr Personal ist nicht das einzige, was die Eltern zur Situation in den vergangenen Pandemiemonaten anmerken. So bevorzugt mit 78 Prozent der Befragten eine deutliche Mehrheit den Präsenzunterricht. Gerade für die Grundschule sei diese Unterrichtsform die einzig sinnvolle, ergab die Umfrage. Für ihr Engagement zum Offenhalten der Schulen und den damit weiter funktionierenden Schulbetrieb werde den Lehrer:innen viel Wertschätzung vonseiten der Eltern entgegengebracht, betonte Czerwinski. Doch, und das zeige die Umfrage ebenfalls, ergebe sich durch die Pandemie und die damit (in der Schule) einhergehenden Regeln auch „eine starke familiäre Belastung“. Schülerschaft nicht hinreichend ernst genommen Die Grundstimmung in der Schülerschaft lasse sich mit „gestresst, unmotiviert und müde“ zusammenfassen, kommentiert die stellvertretende Landesvorsitzende des Landesschülerrats, Paula Szumotalski, die Ergebnisse der Umfrage. Das zeige sich beispielsweise an den diesjährigen Teilnehmerzahlen. So hätten insgesamt 2.686 Schüler:innen an der Befragung teilgenommen, im Gegensatz zu 10.000 Schüler:innen im vergangenen Jahr. Ähnlich wie die Eltern sehen sich auch die Schüler:innen psychischem Stress und einer hohen familiären Belastung durch die Pandemie ausgesetzt. Darüber hinaus geht vom Umfrageergebnis aber auch eine deutliche Kritik in Richtung Politik aus. Dort seien die Probleme der Schülerschaft bis jetzt nicht hinreichend ernst genommen worden. Vonseiten der Bildungspolitik fühlten sich viele nicht gehört, fasst Szumotalski den Eindruck vieler Befragter zusammen. Was den Lernstand der Schüler:innen betrifft, so schätzen 44 Prozent der Teilnehmer:innen, „dass sie dem derzeitigen schulischen Anspruch nur in Teilen genügen“. Zudem beunruhige den Landesschülerrat, „dass die Leistungen der Schüler:innen gemäß Selbsteinschätzung“ abnehme. Aus der Schülerschaft gab es im Rahmen der Umfrage jedoch auch positive Rückmeldungen. So habe sich zum Beispiel die technische Ausstattung an vielen Schulen verbessert. Im Hinblick auf die digitale Fachkompetenz der Lehrkräfte sei allerdings definitiv noch Entwicklungspotenzial zu erkennen. Hier könne beispielsweise mit Weiterbildungen Abhilfe geschaffen werden, so ein Vorschlag. Unbedingt notwendig sei zudem mehr Lehrpersonal an den Schulen, um Lernrückstände aufzufangen und den Arbeitsaufwand für Lehrer:innen zu senken. Damit richten die Schüler:innen eine ähnliche Forderung an die Schulpolitik, wie sie auch von Elternseite kommuniziert wird. An den Grenzen der Kraft Die Personalsituation wird auch von der Lehrerschaft selbst kritisch gesehen. So sprachen von 365 teilnehmenden Lehrkräften über 90 Prozent in der Befragung von einer weit höheren Arbeitsbelastung in der Pandemie als davor. Zur Vorbereitung eines Präsenzunterrichts komme noch die Planung von Distanzangeboten dazu. Und auch die pandemiebedingte Organisation und Bürokratie – zum Beispiel die Durchführung von Tests – nehme viel zusätzliche Zeit in Anspruch. Hinzu kommen Hemmnisse, die gerade den digitalen Unterricht betreffen. Hier gaben die Lehrer:innen beispielsweise das Fehlen von Technik, entsprechender Infrastruktur (etwa WLAN) oder inkompatible Software als Beispiele für erschwertes Arbeiten an. Dass die Schüler:innen durch die Pandemiesituation Lernlücken haben, davon zeigen sich die befragten Lehrer:innen ebenfalls überzeugt. 90 Prozent der Befragten stellen eine Verschlechterung der Leistungen ihrer Schüler:innen fest. Diese seien darüber hinaus zunehmend resigniert und demotiviert. Diese Pandemiemüdigkeit empfinden die Lehrkräfte auch selbst. „Dies macht deutlich, wie sehr alle Beteiligten durch die Pandemie an die Grenzen ihrer Kraft und darüber hinausgegangen sind“, resümiert Annett Lindner. Weichen für die Zukunft stellen Für die GEW MV ist klar, dass es viele Probleme heute nicht gäbe, „wenn man die Schule schon früher bessergestellt hätte“. Das betreffe unbedingt die Personalsituation, aber auch die Ausstattung der Schulen. Schon seit Jahren weise die GEW auf das Problem hin, habe aber bis jetzt noch nicht viel erreichen können. Da kann auch Elternratsvorsitzender Kay Czerwinski nur zustimmen. Man müsse nun das ausbaden, was bereits seit Jahren schieflaufe – eine „versäumte und verfehlte Bildungspolitik“. Aktuell könne man leider nur punktuell Abhilfe schaffen, etwa dem Lehrer:innenmangel vereinzelt entgegenwirken. Deshalb sei es umso wichtiger, jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen, so Czerwinski. Die Landesregierung selbst fühlt sich von den Ergebnissen der Umfragen offenbar in ihrem Handeln bestätigt. Man setze die richtigen Schwerpunkte, so Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke). Um etwa dem Personalmangel entgegenzuwirken, habe das Land mit dem Programm Stark machen und Anschluss sichern bereits „erfolgreich um Lehramtsstudierende und ehemalige Lehrkräfte geworben“. Im ersten Schulhalbjahr 2021/22 hätten so 291 zusätzliche Kräfte an den Schulen gearbeitet. Dass das nicht reicht, zeigt jedoch die Umfrage. Eine große Mehrheit der befragten Lehrkräfte sieht das Programm des Landes kritisch und nicht oder nur teilweise dem Bedarf entsprechend. Die GEW MV stimmt zu. Die Mittel des Aufholprogramms sollten „zur Stärkung der Personaldecke“ eingesetzt werden, fordert die Gewerkschaft. In Richtung Politik heißt es, wichtig sei nun, „die berechtigten Anliegen aller an Schule Beteiligten“ ernst zu nehmen. Es brauche „jetzt Innovationswillen und Mut zu großen Investitionen für die Bildung im Land, um mit der strukturellen personellen und sächlichen Unterausstattung endlich Schluss zu machen“. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!