Tino Streif ist in Nordwestmecklenburg seit vielen Jahren als politischer Aktivist bekannt. So saß der Mecklenburger etwa von 2010 bis 2014 für die NPD im Kreistag von Nordwestmecklenburg. Daneben engagiert sich der studierte Ingenieur in der „Dorfgemeinschaft Jamel“, einem Zusammenschluss völkischer Siedler:innen mit Nähe zur NPD und anderen rechtsextremen Organisationen. 2019 trat Streif gemeinsam mit den Jamelern Sven Krüger und Steffen Meinecke als „Wählergemeinschaft Heimat“ bei der Wahl zum Gemeinderat an. Der Abrissunternehmer Krüger, der als Kopf der „Dorfgemeinschaft“ gilt, errang ein Mandat. Streif ging leer aus. Krüger, Jahrgang 1974, verkehrt seit den Neunzigern im rechten Milieu, wo er in die Strukturen der konspirativen Kaderorganisation „Hammerskins“ eingebunden ist. Daneben betätigte er sich in der NPD. Zeitweilig saß der in Wismar geborene Neonazi in deren Landesvorstand. Waffenerlaubnis erst erteilt, dann entzogen Neben der Politik hat Streif seit Mitte der 2010er-Jahre noch ein anderes Hobby: Er jagt. Weil sein politisches Engagement den Sachbearbeiter:innen des Landratsamts zunächst nicht auffiel, erhielt er sogar einen Jagdschein nebst Waffenerlaubnis und konnte sich ganz legal ein Gewehr anschaffen. Mit diesem Hobby verdient Streif auch Geld. So vertreibt er unter der Marke „Edel & Wild“ diverses Jagdzubehör wie Zerwirktische, Spreizer und Wildhaken. Mittlerweile musste Streif sein Gewehr wieder abgeben. Der Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht stellte 2017 fest, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Die Partei strebe ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger nach die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung an. Daraufhin verstärkte auch in Mecklenburg-Vorpommern das Innenministerium seine Bemühungen, die rechtsextreme Szene zu entwaffnen. Die Waffenbehörde des Landkreises Nordwestmecklenburg erhielt Post vom Verfassungsschutz. Der Inlandsgeheimdienst wies die Sachbearbeiter:innen darin auf Streifs Verstrickungen in die Neonaziszene hin. Wer sich in den letzten fünf Jahren in einer extremistischen Vereinigung betätigt hat, gilt kraft Gesetzes in der Regel als nicht zuverlässig genug, um eine Waffe besitzen zu dürfen. Das galt auch für Streif. Raus aus der NPD, aber die Kontakte bestehen fort Am vergangenen Donnerstag beschäftigte sich nun das Verwaltungsgericht Schwerin mit dem Fall Streif. Dieser habe, nach eigener Aussage, die NPD bereits zum 1. Januar 2015 verlassen. Demnach stellte sich bei der mündlichen Verhandlung die Frage, ob er nach wie vor unzuverlässig im Sinne des Waffengesetzes sei. Streif fühlt sich ungerecht behandelt. Die NPD habe er verlassen, weil er sich mit deren Programm nicht mehr habe identifizieren können, erklärt er. In Jamel wohne er, weil ihm dort ein Haus gehöre. Das Grundstück habe 2011 sein Vater Klaus gekauft. Die Kandidatur bei der Kommunalwahl 2019 leugnete er nicht. Und er habe auch weiterhin Kontakt zu Sven Krüger und Steffen Meinicke. „Wir sind Nachbarn“, beschreibt er das Verhältnis. Sie tauschten sich auch nach wie vor zu Fragen der Gemeindevertretung aus. Bei der nächsten Wahl wolle man besser abschneiden. Streif räumte außerdem ein, an diversen Feierlichkeiten der „Dorfgemeinschaft Jamel“ teilgenommen zu haben, etwa an einem Maifest, einem Lichterfest und einem „Grillen gegen links“. Seit Beginn der Corona-Pandemie hätten allerdings keine Dorffeste mehr stattgefunden. Er wisse nicht, warum dies von Bedeutung sei, gab sich Streif unwissend. „Das kann ich Ihnen genau sagen“, erwiderte die Vorsitzende Richterin Wollenteit und verwies auf den Verfassungsschutzbericht für 2019. Darin heißt es, dass die Feierlichkeiten in Jamel „jeweils nicht auf eine Außenwirkung angelegt“ seien, sondern vielmehr dazu dienten, „den inneren Zusammenhalt der Szene zu festigen und bestehende Netzwerke zu pflegen“. Engagement im Dorf, Besuche im Thinghaus Dementsprechend befragte die Richterin Streif noch weiter zu dessen Engagement in der „Dorfgemeinschaft“. Er sollte erklären, wie sein Engagement aussehe. Wie das gemeint sei, verstehe er nicht, antwortete Streif. „Dorfgemeinschaft, das sind die Leute, die im Dorf wohnen.“ Zu denen bestünde „ein normales nachbarschaftliches Verhältnis“. Auf die Nachfrage der Richterin, zu wem er noch Kontakte pflege, antwortete Streif, dass das mit „allen im Dorf“ der Fall sei. Die Dorfbewohner träfen sich zum Grillen. Man gehe gemeinsam Angeln. Man helfe sich in der Nachbarschaft. „Ich hab mir von Sven Krüger letztens einen Wagenheber ausgeliehen“, erinnerte sich Streif. Völkische Siedler:innen unterwandern ländlichen Raum in MV Das Gericht interessierte sich ebenfalls für die Rolle Streifs in der Mecklenburg-Vorpommerschen Strukturentwicklungs-Genossenschaft und deren Nachfolgerin, der MVSE-Objektbetreuung. Die Genossenschaft war 2016 im Thinghaus, einem rechten Szenetreff in Besitz von Sven Krüger, von Rechtsextremist:innen gegründet worden, um ein Netzwerk von Immobilien in Nordwestmecklenburg zu schaffen. Sie wurde auf Druck des Prüfverbandes der Genossenschaften mit Sitz in Berlin im Jahr 2018 aufgelöst. Das Nachfolgeunternehmen existiert jedoch bis heute. Dessen Geschäftsführer ist Tino Streif. „Die Idee war, Objekte zu sanieren, um Wohnraum zu schaffen“, erläuterte der Unternehmer das Konzept vor Gericht. Momentan ruhe der Geschäftsbetrieb. Ein Geschäftsführergehalt habe er nie erhalten. „Die Ziele der MVSE waren nicht anstößig“, betonte sein Rechtsanwalt Heinrich Berkel. Auch im Grevesmühlener Thinghaus, wo NPD-Abgeordnete bis zu ihrer Abwahl 2017 Büros unterhielten und die Genossenschaft gegründet wurde, hatte Streif wiederkehrend Veranstaltungen besucht. Auf diese Zusammenkünfte angesprochen, ließ er das Gericht wissen, dass sein letzter Veranstaltungsbesuch dort etwa drei Jahre zurückliege. Allerdings hätten seit Ausbruch der Corona-Pandemie dort kaum noch Veranstaltungen stattgefunden. An was für einem Treffen er dort zuletzt teilgenommen habe, erinnere er jedoch nicht, so Streif. Womöglich sei es ein Kneipenabend gewesen, bei dem auch Sven Krüger zugegen war. Zur NPD habe er keine Kontakte mehr. Aus dieser Zeit bestünden lediglich einige persönliche Freundschaften fort. Brandanschlag in Jamel Der Prozessbevollmächtigte des Landkreises Nordwestmecklenburg kam in der Verhandlung noch auf einen Brandanschlag in Jamel zu sprechen. Er „vermisse eine Äußerung des Klägers zu dem Scheunenbrand bei den Lohmeyers“. Das Künstlerpaar Birgit und Horst Lohmeyer lebt seit 2004 in Jamel und ist aufgrund seines Engagements gegen die örtlichen Neonazis überregional bekannt. Seit 2007 veranstalten sie das Anti-rechts-Festival „Jamel rockt den Förster“. Im Jahr 2015 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf ihre Scheune. Das leerstehende Gebäude brannte bis auf die Grundmauern nieder. „Der Scheunenbrand war mitten in der Nacht“, äußerte sich Streif. Er sei selbst erst durch die Feuerwehr geweckt worden. Man habe bei der Brandbekämpfung nicht mithelfen können. Außerdem sei bekannt, dass Familie Lohmeyer von allen anderen Menschen im Dorf völlig getrennt lebe. Das ist zwar zutreffend, doch ließ Streif den Grund für die Isolation der Lohmeyers unerwähnt: Jahrzehntelanges Mobbing durch die Neonazis infolge ihres zivilgesellschaftlichen Engagements. Wer sich nicht in die völkische Dorfgemeinschaft eingliedert, wird von deren Mitgliedern ausgegrenzt. Keine Distanzierung, kein Jagdschein Während der Verhandlung gab Streif nicht zu Protokoll, der „Dorfgemeinschaft Jamel“, die ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes ist, nicht mehr anzugehören. Demnach überraschte es nicht, dass der Landkreis während der Verhandlung nicht bereit war, den Jagdschein wenigstens unter einigen Auflagen wieder zu erteilen. So entscheidet nun das Gericht. Das Ergebnis soll nach Gerichtsangaben öffentlich bekanntgegeben werden, nachdem das schriftliche Urteil den Parteien zugestellt wurde. Dies wird voraussichtlich in zwei bis drei Wochen geschehen. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!