Es gehe um die Sicherung von Arbeitsplätzen am Standort und um die Bildung einer Transfergesellschaft, hatte Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bereits im Gespräch mit Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) in Schwerin gesagt. Er wolle die maritime Wirtschaft auch in MV weiter stärken, vor allem in Richtung erneuerbarer Energien. Am Werftstandort Wismar kam er anschließend mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter, dem Betriebsrat und der IG Metall ins Gespräch. Konkrete Lösungen oder weitere Zusagen über Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond aber gab es vorerst nicht. Die könnten laut Insolvenzverwalter Christoph Morgen erst bei Zusagen von Investoren zugesichert werden. So heißt es für die knapp 2.800 Mitarbeitenden der drei Werftstandorte im Land, weiterhin abzuwarten. KATAPULT MV hat mit einem Azubis und einem langjährigen Mitarbeiter am Standort Rostock gesprochen. Besorgt, aber hoffnungsvoll Hannes Fiete Heuckendorf ist 21 Jahre alt, lebt in Satow und befindet sich momentan in der Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker Schiffbau. Sein Berufsleben begann zwar bei einer Versicherung, aber schon nach drei Monaten war sich Hannes sicher: Er möchte handwerklich arbeiten – und am liebsten in der Heimat. So kam er zu den MV-Werften und steckt aktuell im dritten Ausbildungsjahr. „Für uns Azubis kam die Verkündung der Insolvenz überraschend. Unsere größte Sorge ist natürlich, die Ausbildung nicht abschließen zu können. Unsere Meister und der Betriebsrat haben uns aber die größten Sorgen genommen und alle Fragen beantwortet“, erklärte Hannes. Sein Wunsch: Die Ausbildung im Februar 2023 auf der Werft abzuschließen und übernommen zu werden. „Die Werft und der Schiffbau gehören für mich zur Heimat. Wir haben Spaß bei der Arbeit.“ Hannes Fiete Heuckendorf hofft, nach seiner Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker weiterhin auf der Rostocker Werft arbeiten zu können. (Foto: P. Hinz) Schon seit 2007 arbeitet Daniel Rudolph auf der Werft in Rostock. Der 31-jährige hat hier seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik absolviert und arbeitet mittlerweile im Bereich Disposition. „Seit die Pandemie in Deutschland ankam, ist der Großteil der Kollegen in Kurzarbeit. Einige Mitarbeiter waren kurzzeitig in Wismar oder Stralsund im Einsatz“, erzählte der gebürtige Güstrower. „Wir haben von Woche zu Woche gehofft, dass es wieder losgeht. Die Insolvenz kam für mich nach dem Stillstand aber nicht wirklich überraschend.“ Er hat in seiner Zeit auf der Werft schon drei ähnliche Veränderungen mitgemacht: den Verkauf der damaligen Aker Yards an die Wadan Yards 2008, die Übernahme der Nordic Yards 2009 sowie den Erwerb durch das asiatische Unternehmen Genting im Jahr 2016. „Wir sind besorgt, aber optimistisch, dass die Transfergesellschaft zustande kommt und neue Investoren gefunden werden.“ Daniel Rudolph arbeitet seit 14 Jahren auf der Werft in Rostock und hat schon einige Unternehmensveränderungen erlebt. (Foto: P. Hinz) Rückblick Das chinesische Multi-Millionen-Unternehmen Genting übernahm im Jahr 2016 für rund 230 Millionen Euro die drei Nordic-Yards-Standorte Rostock, Wismar und Stralsund. Rund 100 Millionen Euro sollten in die Modernisierung der Werften investiert werden, um den Bau moderner Kreuzfahrtschiffe zu optimieren. Seitdem wurden vier Flusskreuzfahrtschiffe sowie das Luxusschiff „Crystal Endeavor“ fertiggestellt. Im März 2020 musste der Geschäftsbetrieb der Werften aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt werden. Die damaligen Probleme: länderübergreifende Lieferketten von Subunternehmen und Partnerfirmen waren beeinträchtigt, erforderliche Mindestabstände zwischen Kolleg:innen konnten während der Produktion nicht eingehalten werden. Trotz eines Kredits in Höhe von 193 Millionen Euro – bereitgestellt aus Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds – und eines umfangreichen Restrukturierungsprogramms wurde am 10. Januar 2022 ein Insolvenzantrag beim Amtsgericht Schwerin gestellt. Transfergesellschaft zur Rettung von Arbeitsplätzen Auf der Kundgebung in Rostock am vergangenen Freitag wurden die Arbeitnehmer:innen über die aktuelle Lage informiert. Betriebsratsvorsitzender Jörg Sens appellierte an die Belegschaft: „Bleibt in MV, bleibt uns erhalten. Wenn ihr uns verlasst, verlässt uns hochqualifiziertes Personal.“ Gemeinsam mit Stefan Schad, dem Geschäftsführer der IG Metall Rostock-Schwerin, plädiert er dafür, als Arbeitnehmer:in in den MV-Werften schnellstmöglich in die Transfergesellschaft zu wechseln – und das unbedingt vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. März. Schad betont außerdem: „Nur wenn mehr als 90 Prozent aller Kollegen auf das Angebot eingehen, kann die Transfergesellschaft zustande kommen.“ Jochen Schulte, Staatssekretär für Wirtschaft, Infrastruktur, Tourismus und Arbeit in MV, erklärte, dass die Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat, der IG Metall, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und den Insolvenzverwaltenden fast abgeschlossen seien. Er beschreibt die angestrebte – wenn auch vorerst auf vier Monate beschränkte – Transfergesellschaft als „Brücke in neue Arbeit“.
Auch die anwesenden Auszubildenden erreichte eine klare Botschaft: „Wir kämpfen dafür, dass ihr eure Ausbildung erfolgreich abschließen könnt. Wenn das nicht hier geht, finden wir Alternativen für euch“, sagte Stefan Schad abschließend. Mehr als 200 Menschen hatten sich auf der Rostocker Kundgebung zusammengefunden. Viele Arbeitnehmer:innen trugen ihre Helme oder Arbeitsjacken, um sich zur Werft zu bekennen. So auch Daniel Rudolph: „Ich habe berechnet, dass ich jetzt seit mehr als 5.000 Tagen hier arbeite. Und ich würde das auch gern die nächsten 5.000 Tage tun.“ MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!