Am Mittwochabend und Donnerstagfrüh wurden anonym vermeintlich interne E-Mails an Angestellte der Rostocker Stadtverwaltung, der kommunalen Eigenbetriebe und der Universität geschickt. Die Unterzeichner:innen der inhaltlich identischen E-Mails, verschickt von unterschiedlichen Mailadressen des Schweizer E-Mail-Dienstleisters Proton, nennen sich „WirSindRostocker“ und rufen zur Wahl von Michael Ebert (parteilos, unterstützt von CDU, FDP, UFR) auf und diskreditieren seine Kontrahentin Eva-Maria Kröger (Die Linke). „Besorgte Bürger entsorgen“ Sie bezweifeln Krögers Eignung als Oberbürgermeisterin aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit, vermeintlich mangelnder Erfahrung sowie eines Fotos von einer Demonstration 2015 auf dem Neuen Markt in Rostock. Auf diesem Foto sind Demonstrierende neben Kröger zu sehen, die ein Schild mit der Aufschrift „Besorgte Bürger entsorgen“ tragen. Die Unterzeichner:innen werfen Kröger vor, Sorgen und Ängste von Bürger:innen nicht ernst zu nehmen und „entsorgen“ zu wollen, da sie nicht interveniert habe: „Somit gilt ihr Schweigen für uns als Zustimmung.“ „Das Bild ist im Rahmen einer Demonstration für Willkommenskultur und gegen geistige rechte Brandstifter auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 entstanden“, erklärt Kröger. Der Spruch sei ein Wortspiel, mit „entsorgen“ sei gemeint, den Menschen die Sorgen zu nehmen. „Andere Deutungen, die eine Eliminierung von Andersdenkenden herauszulesen versuchen, sind abwegig und widersprechen den humanistischen Idealen von mir und meiner Partei zutiefst.“ Außerdem habe sie das fragliche Demoschild weder erstellt noch hochgehalten. Diese diffamierende E-Mail-Kampagne stellt einen neuen Tiefpunkt im OB-Wahlkampf dar. Eva-Maria Kröger (Die Linke) Eberts Wahlkampfteam dementiert Beteiligung Wer die Unterzeichner:innen sind, ist unklar. „Wir wissen nicht, woher diese E-Mail oder andere anonyme E-Mails stammen. Wir können jedoch zu 100 Prozent versichern, dass es sich weder um eine Nachricht der unterstützenden Parteien noch von Michael Ebert handelt“, erklärt Eberts Wahlkampfteam auf Nachfrage. „Dass in diesem Wahlkampf Hass, Gewalt, Vandalismus oder anonyme E-Mails gegenüber mehreren Kandidierenden eine Rolle spielen, lehnen wir entschieden ab“, heißt es weiter. Die E-Mail an Angestellte und Studierende der Universität beginnen mit „Liebe Rostocker, Liebe Kollegen“ und suggeriert somit, aus universitären Kreisen verschickt worden zu sein. Auch die Mailadresse, von der aus die Nachricht an Angestellte der Stadtverwaltung verschickt wurde, gibt vor, intern zu sein: OrtsamtNord@protonmail.com. Die Mailadressen der Stadtverwaltung enden allerdings mit @rostock.de. Herkunft der E-Mails unklar An wen und wie viele Personen die E-Mail zugestellt wurde, könne nicht abschließend beurteilt werden, teilt die Stadt mit. Unklar ist außerdem, woher die Absender:innen die E-Mailadressen der Verwaltungsangestellten kennen oder ob diese Mail sogar in den internen Verteiler der Stadtverwaltung kommen konnte. Laut der Universität Rostock handelt es sich nicht um einen E-Mailverteiler, viele Mailadressen seien öffentlich einsehbar. Bachmann erstattet Strafanzeige Bürgerschaftsmitglied und Vorsitzende des Rostocker Bundes Sybille Bachmann hat angekündigt, Anzeige zu erstatten. „Eine Strafanzeige muss klären, woher der Versender die Liste der Mitarbeiter erhalten hat beziehungsweise ob sogar das interne Netzwerk von Universität und Stadtverwaltung genutzt oder in dieses eingedrungen wurde.“ In den vergangenen Wochen wurde insbesondere der Onlinewahlkampf in Rostock härter. Vom selben E-Mailprovider kamen die anonymen E-Mails von vorgeblich 121 Angestellten und Beamt:innen aus der Stadtverwaltung, die Ebert zur Transparenz bezüglich seiner Stasi-Vergangenheit aufriefen. Die Authentizität der Absender:innen konnte bisher nicht bestätigt werden. Wahlkampf in den Kommentarspalten Auch auf Instagram wird der Ton rauer. Und auch auf dem Kanal von KATAPULT MV kommentieren Ebert-Unterstützer:innen zunehmend unsachlich und diskreditierend. Eberts Wahlkampfleiterin Julia Kristin Pittasch (FDP) unterstellt KATAPULT MV in Kommentaren zu Artikeln über die OB-Wahl mit Bezugnahme auf eine Kleine Anfrage der AfD, von der Landesregierung finanziert zu werden. Pittasch ist Mitglied der Bürgerschaft, Immobilienmaklerin und nach eigenen Angaben Spezialistin für „politische Kommunikation 3.0, strategische Öffentlichkeitsarbeit und Kampagnenmanagement“. Philipp Zischke (FDP) betitelt KMV auf Instagram als „parteiischen Drecksladen“. Darüber hinaus betreiben unter anderem CDU-Generalsekretär Daniel Peters, FDP-Landesvize Moritz Harrer, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion Sebastian Ehlers, Kenny Grafenhorst (CDU) sowie Accounts ohne Namen, Profilbild oder eigene Beiträge vermehrt Wahlkampf in unseren Kommentarspalten. Mehr zur Rostocker Gerüchteküche im Wahlkampf. Weitere Artikel zur OB-Wahl in Rostock gibt es auf unserer Themenseite. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!