Am 10. Juli untersagte die Greifswalder Bürgerschaft dem Oberbürgermeister, dem Landkreis Vorpommern-Greifswald städtische Turnhallen zur Unterbringung Geflüchteter anzubieten. Es war eine neue Episode im Ringen um den Umgang mit Geflüchteten in der Hansestadt. Zwei Seiten stehen sich anscheinend unversöhnlich gegenüber. Im Nachgang des Bürgerentscheids zur Verpachtung städtischer Flächen für Containerunterkünfte, die von einer Mehrheit abgelehnt wurde, wird nicht mit Anschuldigungen und Schuldzuweisungen gespart. Grit Wuschek, Einzelmitglied der Bürgerschaft, wirft den Unterstützer:innen der Ja-Kampagne vor, im Wahlkampf absichtlich irreführende Aussagen getätigt und Druck auf Unternehmen ausgeübt zu haben. Den Oberbürgermeister Stefan Fassbinder (Grüne) verortet sie im Zentrum einer „schäbigen, undemokratischen (...) und manipulierenden“ Kampagne. Auf der anderen Seite sieht etwa SPD-Mitglied Ibrahim Al Najjar den Ruf der Stadt Greifswald durch die Unterstützer:innen der Nein-Kampagne beschädigt. Was passiert jetzt aber in Greifswald, wenn eine größere Zahl Geflüchteter kurzfristig aufgenommen werden muss? Dezentral first Wie die Stadt Greifswald mitteilt, führe der Landkreis, der für die Unterbringung zuständig ist, „Gespräche mit privaten Grundstücks- und Immobilieneigentümer:innen oder anderen Städten und Gemeinden“. Dies sei ein laufender Prozess, kommentiert der Kreis. Zu Einzelheiten der Suche und den Erfolgsaussichten wolle man sich aufgrund „noch laufender Verhandlungen“ nicht äußern. Wie Fassbinder jedoch in einer Bürgerschaftssitzung bekanntgab, lägen dem Landkreis aktuell zwei private Grundstücksangebote vor. Eines vom Kultur- und Initiativenhaus Greifswald – der Straze – und eines vom KATAPULT-Verlag.  Bereits im Frühjahr sei man an Kreisverwaltung und Stadt herangetreten und habe Bereitschaft signalisiert, auf dem Straze-Grundstück Geflüchtete unterzubringen, berichtet Thomas Schmidt vom Initiativenhaus. Jedoch gehöre das infrage kommende Gelände baurechtlich zum sogenannten Außenbereich. Solange der Innenbereich der Stadt nicht voll ausgelastet sei, bleibe der Außenbereich erstmal außen vor. „Der Druck (der Unterbringung, An. d. Red.) ist anscheinend nicht so groß“, überlegt Schmidt am Telefon. Ansonsten hätte die Initiative wohl schon eine Antwort von den Verantwortlichen erhalten oder es wäre eine gemeinsame langfristige Planung angelaufen. Für das KATAPULT-Grundstück entsteht derzeit der Plan für neue Unterkünfte. Architekten entwickeln für das Vorhaben bereits eine Tiny-House-Variante für „etwa 120 Leute“, berichtet Benjamin Fredrich. Das Unternehmen, welches die Unterkunft planen, realisieren und betreuen soll, ist eine Neugründung des ehemaligen KATAPULT-Geschäftsführers. Eine offizielle Vereinbarung mit dem Kreis werde angestrebt.  Darüber hinaus werde in Greifswald über die Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaft (WVG) weiterer dezentraler Wohnraum zur Verfügung gestellt, heißt es von Seiten der Stadt. Dabei handelt es sich um Wohnungen in der Friedrich-Loeffler-Straße 44 und 44a. Das Gebäude sei bereits 2015 und 16 zur Unterbringung genutzt worden, stehe aber seit 2017 großteils leer. Die sechs Wohnungen in der 44a wurden bereits Ende Mai an den Kreis übergeben und bezogen. Aktuell sind dort 20 Personen untergebracht, meldet ein Sprecher. Die fünf Wohnungen in der 44 mit circa 100 Plätzen werden nach Angaben des Landkreises noch immer saniert, sollen aber „voraussichtlich Mitte Oktober übernommen werden“. Ebenfalls im Oktober soll eine weitere Unterkunft in Anklam, in der Max-Planck-Straße, beziehbar werden. Hinzu kommt laut Kreis eine Erweiterung der Unterkunft in Wolgast um 48 Plätze. In Greifswald, Strasburg und Anklam stünden weitere dezentrale Wohnungsangebote in Aussicht. Eine solche dezentrale Unterbringung haben die Stadt Greifswald und der Landkreis als oberstes Ziel und beste Möglichkeit ausgegeben. Das Wohnraumangebot ist jedoch begrenzt. So kämpft zum Beispiel Greifswald mit einer sehr geringen Leerstandsquote – 2022 betrug sie nur 2,9 Prozent –, was auf einen äußerst angespannten Wohnungsmarkt hindeutet. Psychosoziale Zentren fordern bessere Unterbringungsbedingungen In vielen Kommunen sei es bewusst oder unbewusst verschlafen worden, „in sozialen Wohnungsbau zu investieren“, kommentiert Ulrike Wanitschke vom Psychosozialen Zentrum (PSZ) Rostock das Problem. Doch spätestens „jetzt sollten die Kommunen aufgewacht sein und alles dafür in Bewegung setzen“.  Für ein selbständiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe sollten Geflüchtete möglichst schnell in eigenem Wohnraum untergebracht werden. So steht es in einem Positionspapier, welches das PSZ Rostock gemeinsam mit den Zentren Greifswald, Neubrandenburg und anderen zur Unterbringungssituation Geflüchteter in MV verfasst hat. Unterstützt wird dieses nicht nur von Professor:innen der Hochschule Neubrandenburg, sondern auch durch den Flüchtlingsrat MV, die Opferberatungsstelle Lobbi MV, Migranet MV, ein Netzwerk der Migrant:innenselbstorganisationen, und vielen weiteren.  Das Papier sei „vor dem Hintergrund zunehmender rassistischer Hetze“, sich verschlechternder Unterbringungsbedingungen und der Frage nach der Rolle die PSZs in der öffentlichen Diskussion entstanden. So erklärt es Wanitschke.  Die PSZs fordern darin einen „sicheren Ort“ für Schutzsuchende. Gerade mit Blick auf die „belastenden bis traumatischen Erfahrungen“ der oftmals langen Flucht. Die derzeitigen Unterkünfte bieten ihnen eine solche Sicherheit meist nicht, so die Feststellung. Vielmehr stellten „Lärm, gefängnisartige Bauten, Gewalt gegen Sachen und Personen, Enge und fehlende Intimsphäre“ eine zusätzliche Belastung und darüber hinaus ein zusätzliches Gesundheitsrisiko dar. Gerade in Not- und Flüchtlingsunterkünften sind die Bedingungen meist besonders schlecht. So werden die Mindeststandards, die die Gemeinschaftsunterkunftsverordnung (GUVO) des Landes vorgibt, häufig unterlaufen, prangert das Papier an. Es stünden den Menschen weniger als sechs Quadratmeter pro Person zur Verfügung oder eine zu geringe Zahl an Duschen und Toiletten, nennt Wanitschke als Beispiele. Über solche Zustände in der ehemaligen Notunterkunft Loitz (Vorpommern-Greifswald) berichtete auch KATAPULT MV bereits. Das zuständige Innenministerium bestreitet auf Nachfrage, Kenntnis von einem häufigen Unterlaufen der GUVO zu haben. Davon könne nicht die Rede sein, so eine Sprecherin. Die allerwenigsten Menschen im Land würden zudem in Notunterkünften leben, betont sie. Dort hätten die Vorschriften der GUVO allerdings keine Gültigkeit. Auch das kritisiert das Positionspapier. Es würden eben solche Unterbringungsformen geschaffen, in denen die GUVO nicht greife. Vor dem Hintergrund der Aufenthaltszeiten der Menschen dort seien die Zustände alarmierend. Die GUVO gehöre überarbeitet, bekräftigt Wanitschke. Es bestehe derzeit dafür kein Bedarf, kommentiert das Innenministerium die Forderung. Wanitschke weist weiter darauf hin, dass die PSZs auch immer wieder Mängel bei der Flüchtlingssozialarbeit feststellen. Es fehle an Fachpersonal und herrsche „unheimlich viel Unwissen und Unprofessionalität“. Das zeige sich etwa, wenn grundlegende Aufgaben wie das Organisieren einer medizinischen Anbindung der Geflüchteten versäumt oder ihnen Information über bürokratische Abläufe vorenthalten werden. Das Papier plädiert darüber hinaus auch für eine bessere Lage von Gemeinschaftsunterkünften. Damit ist etwa eine Anbindung an „eine ausreichende Infrastruktur“ gemeint, sprich: Kitaplätze, Ärzt:innen, verfügbare Dolmetscher:innen, die Möglichkeit einer psychosozialen Versorgung und erreichbare Deutschkurse. Es brauche „mehr als ein Bett und ein Dach über dem Kopf, um Geflüchtete gelingender Weise aufzunehmen“, so Wanitschke. Auslastung weiter hoch Ein weiteres Problem, welches zusätzlichen Stress für die Betroffenen bedeutet, ist die „sehr volle“ Belegung vieler Unterkünfte, stellt Wanitschke fest. Die Zahlen zur Auslastung vieler bestehender Gemeinschaftsunterkünfte bestätigen diese Aussage. So meldete zum Beispiel der Landkreis Ludwigslust-Parchim für seine vier Gemeinschaftsunterkünfte Anfang Juli Auslastungen jenseits der 70-Prozent-Marke. Ähnliches zeigte sich in Vorpommern-Greifswald. Für die drei Greifswalder Gemeinschaftsunterkünfte meldete der Kreis im Sommer eine Auslastung von jeweils über 80 beziehungsweise sogar 90 Prozent. Die Unterkünfte in Torgelow und Wolgast waren mit 101 und 112 Prozent ebenfalls überlastet. Aktuell, so berichtet ein Sprecher, liege die Auslastung der sogenannten GUs bei 94 Prozent.
Noch freie Kapazitäten fanden sich in Vorpommern-Greifswald im Sommer vor allem in den kleineren Gemeinschaftsunterkünften (miniGUs). Dort lagt die Belegung zwischen 17 und 40 Prozent. Diese seien vor allem durch verstärkt angemieteten dezentralen Wohnraum zu erklären, erläuterte der Landkreis. Müssten monatlich 60 bis 100 neue Menschen aufgenommen werden, seien die Plätze in Kürze wieder voll. Derzeit werden dem Kreis pro Woche 20 bis 50 Menschen zugewiesen. Zahl der Zuweisungen bis Sommer leicht rückläufig Ob es tatsächlich so kommt, ist derzeit noch unklar. Im Sommer war von einer sehr hohen Zahl neuer Zuweisungen zumindest nicht auszugehen. Dementsprechend hatte sich die Situation im Vergleich zum Jahresbeginn entspannt. So hatte Michael Sack (CDU), Landrat von Vorpommern-Greifswald, noch im März von ausgelasteten Kapazitäten im Kreis gesprochen. Er betonte damals, dass wohl zwangsläufig Sporthallen zur Unterbringung genutzt werden müssten, sollten keine neuen erschlossen werden. Das klang Anfang Juli dann schon anders. Da hieß es auf Nachfrage, dass sowohl die Unterbringung in Turnhallen „nicht angedacht“, sowie auch die Unterbringung der zugewiesenen Personen „gegenwärtig sichergestellt“ sei. Gegenüber der Stadt Greifswald sei von einer Entspannung der Situation die Rede gewesen, erklärte Oberbürgermeister Fassbinder vor der Bürgerschaft. Der Landkreis halte die Zahl der aktuell ankommenden Menschen für „gut bearbeitbar“. Dieses Zeichen der Entspannung bestätigte sich auch beim Blick auf die Zuweisungszahlen für Geflüchtete der ersten sechs Monate 2023. Hier ist ein leichter Abwärtstrend, mit Ausnahme des Landkreises Rostock, sichtbar. So bekam zum Beispiel Rostock vom Land im Januar 128 Personen zugewiesen. Im Juni verzeichnet das Innenministerium dagegen nur 48 Zuweisungen. Zuweisungen von Menschen aus der Ukraine gingen ebenfalls leicht zurück, hieß es etwa vom Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. Dies zeigte sich exemplarisch in den Zahlen des Landkreises Vorpommern-Rügen, die für Januar dieses Jahres 90 zugewiesene Ukrainer:innen ausweisen, für den März 65 und im Mai lediglich 23. Wie aktuelle Zahlen des Innenministeriums zeigen, stiegen die Zuweisungen an die Kreise nach einem Tiefpunkt im Juli in den beiden Folgemonaten wieder leicht. Deshalb kündigte das Ministerium gestern an, eine bisher als Ausweichquartier während der Corona-Pandemie genutzte Unterkunft in Parchim (Ludwigslust-Parchim) als Unterbringungsmöglichkeit als Erweiterung der Erstaufnahmeeinrichtung zur Verfügung zu stellen. Durch die Vergrößerung der Kapazitäten dort hoffe man, die Weiterleitung in die Kreise und Kommunen und deren Unterkünfte verzögern zu können, so Minister Christian Pegel (SPD). Es braucht weitere Unterbringungsmöglichkeiten Vor dem Hintergrund voller Gemeinschaftsunterkünfte suchen die Landkreise weiterhin nach Unterbringungsmöglichkeiten. So werden in der Mecklenburgischen Seenplatte gegenwärtig drei weitere Standortmöglichkeiten geprüft. Dazu zählt neben dem ehemaligen Postgebäude in Malchin und einem Bürogebäude in Waren auch das ehemalige Kasernengelände Fünfeichen in Neubrandenburg. In Ludwigslust-Parchim will der Landkreis mit der Anmietung zweier Wohnblöcke in Demen, nordöstlich von Crivitz, neue Unterbringungsmöglichkeiten schaffen. Diese waren bereits 2015 als Unterkunft genutzt worden. Dort stehen perspektivisch insgesamt 90 Wohnungen zur Verfügung.  In Nordwestmecklenburg waren die Kapazitäten der zentralen Unterkunft „Haffburg“ in Wismar bereits Ende 2022 ausgeschöpft, sodass zwei Sporthallen als Unterkünfte hergerichtet werden mussten. Dort sind derzeit weiterhin circa 200 Personen untergebracht. Zeitweise galt mit Zustimmung der anderen Landkreise und der Landesregierung sogar ein (teilweiser) Aufnahmestopp für Nordwestmecklenburg. Lange war nicht klar, wann die Menschen aus den Turnhallen in andere Unterkünfte ziehen können. Dies sei von der Verfügbarkeit anderer Unterbringungsmöglichkeiten abhängig, hieß es vom Kreis noch im Sommer – zum Beispiel in Upahl. Erste Geflüchtete kommen nach Upahl Ein Jahr habe der Landkreis bis Januar 2023 bereits nach anderen Unterkunftsstandorten gesucht. Nichts hätte geklappt. Dann erst sei Upahl als „Notlösung“ ins Spiel gekommen, erklärt der Kreis in einem eigenen Informationsblatt, denn das betroffene Grundstück im Upahler Gewerbegebiet sei bereits im Besitz Nordwestmecklenburgs gewesen. Mit Containern für 400 Menschen habe man den „Rückstau“ Asylsuchender in den Turnhallen in Wismar auflösen wollen. Seit Bekanntwerden der Pläne für Upahl sorgten diese für heftige Gegenwehr. Nachdem der Landkreis Anfang Februar – kurz nach einer Bürgerversammlung – mit ersten Bauarbeiten für die Container begann, stoppte das Verwaltungsgericht Schwerin auf Antrag der Gemeinde die Bauarbeiten vorerst. Upahl war nach Meinung des Gerichts nicht genügend beteiligt worden. Auch eine Baugenehmigung lag nicht vor. Die Gemeindevertretung änderte daraufhin noch Ende März den Bebauungsplan für das Gewerbegebiet. Die dortigen Flächen sollten nur noch Gewerbe vorbehalten sein, so der einstimmige Beschluss. Zusätzlich wurde eine Veränderungssperre erlassen, die die Errichtung von Sozialbauten im betroffenen Gebiet – und damit auch von Geflüchtetenunterkünften – nur noch mit Sondergenehmigung ermöglicht. Eine solche Ausnahme verwehrte die Gemeinde dem Kreis Anfang April. Auf Antrag des Landkreises beschäftigte sich daraufhin das Bauministerium mit der Sachlage und entschied Anfang Juli, dass die Containerunterkunft im Rahmen einer Ausnahme doch möglich sei. Allerdings dürfte diese, unter Rücksichtnahme auf die Größe der Gemeinde, nicht mehr als 250 Menschen beherbergen. Eine entsprechende Baugenehmigung erteilte der Kreis Mitte Juli. Nach der Entscheidung des Ministeriums lehnte Upahl auch diese ab und leitete rechtliche Schritte beim Verwaltungsgericht ein. Der Eilantrag der Gemeinde scheiterte Ende August – das Gericht lehnte ab. Nach Auskunft des Landkreises sollen „zum Monatswechsel oder kurz danach“ die ersten Menschen die Upahler Unterkunft beziehen. Keine Unterkünfte in Grevesmühlen; dafür in Warin Damit die geplante Containerunterkunft in Upahl eine temporäre Zwischenlösung bleibt, bedarf es weiterer Optionen für den Kreis. Bereits in einer Kreistagssitzung im Mai wurde per Beschluss an Landrat Tino Schomann (CDU) appelliert, mit der Stadt Grevesmühlen über eine weitere temporäre Unterbringungsoption in Verhandlung zu gehen – auch um die Zahl der Menschen in Upahl reduzieren zu können. Darüber hinaus war von einer dauerhaften Unterkunft in Grevesmühlen die Rede. Dem war ein Angebot der Stadt vorausgegangen. So beschloss die Stadtvertretung Mitte April, dass dem Landkreis zwei Grundstücke zur Unterbringung Geflüchteter zur Verfügung gestellt werden sollen. Eins in der Sandstraße für die dauerhafte Unterbringung von 150 Menschen, eins in der Klützer Straße für eine Notunterkunft. Letztere war dabei ausdrücklich als Möglichkeit der Reduzierung in Upahl oder gar des Verzichts auf eine dortige Unterkunft gedacht. Ist die feste Unterkunft in der Sandstraße fertig, so soll die Notunterkunft wieder verschwinden, heißt es weiter im Beschluss.  Doch der Plan, den Landkreis und Stadt sich gemeinsam zurechtgelegt haben, scheiterte: Denn ähnlich wie in Greifswald, hatte sich auch in Grevesmühlen eine Bürgerinitiative gegründet, die einen Bürgerentscheid anstrebte – über die Verpachtung städtischer Flächen für Containerunterkünfte. Bei der Abstimmung am 27. August votierten über 91 Prozent der Teilnehmenden gegen die Verpachtung. Obwohl Grevesmühlens Bürgermeister Lars Prahler (parteilos) noch vor dem Entscheid davon sprach, weiterhin hinter dem Beschluss zu stehen, dem Landkreis die Grundstücke anzubieten und vor dem Hintergrund der möglichen Verhinderung Upahls betonte, sich „nicht aus der Gesamtverantwortung stehlen“ zu wollen, ruderte er nach dem Entscheid zurück. Nun wird es auch keine feste Unterkunft in der Stadt geben, hieß es aus dem Rathaus. Denn ein weiterer Entscheid auch gegen eine solche sei wahrscheinlich. Im Vorfeld des Entscheids hatte der Landkreis auf Nachfrage mitgeteilt, dass eine Ablehnung der Unterbringung Geflüchteter „ein schwerer Schlag für die Bemühungen des Landkreises, Asylsuchende außerhalb der Hansestadt Wismar unterzubringen“ wäre. Eine solche Entscheidung wäre „ein fatales Signal“ für die Upahler:innen, hieß es. Im Nachgang des Entscheids sprach Landrat Tino Schomann (CDU) gegenüber der DPA von einem Schwinden der Akzeptanz unter der Bevölkerung. Er ordnete das Ergebnis als „deutliches Votum“ der Bürger:innen ein. Nachdem Debakel von Grevesmühlen konzentriert sich der Kreis nun auf Upahl und noch eine weitere Möglichkeit der Unterbringung. Und zwar in Warin. Dort soll nach Angaben einer Sprecherin eine Unterkunft für 145 Asylsuchende – vor allem Familien – entstehen. Diese Plätze würden „dringend gebraucht“, hieß es auf Nachfrage. Wann genau die ersten Menschen dort einziehen können, ließ der Kreis offen. Es müssen bis dahin aber noch Umbauarbeiten an den betreffenden Wohnblöcken vorgenommen werden. Die entsprechende Baugenehmigung erging bereits Mitte August. Akzeptanz durch Einbindung der Bevölkerung Von Signalen und Zeichen wird im Streit um die Unterbringung Geflüchteter viel gesprochen. So ordneten CDU-Politiker, unter ihnen Vorpommern-Greifswalds Landrat Sack, das ablehnende Ergebnis des Greifswalder Bürgerentscheids als „deutliches Signal an das Land und insbesondere den Bund“ hinsichtlich deren Migrationspolitik ein. Es fehle in der Bevölkerung an Akzeptanz. Das müsse dringend erkannt werden, so Sack.  Wie diese Akzeptanz hergestellt werden soll, ist wohl eine der wichtigsten Fragen, die sich Politik und Gesellschaft stellen müssen. Gerade mit Blick auf die weiterhin ins Land kommenden Menschen, die angemessen aufgenommen und versorgt werden sollen. Das Positionspapier der PSZs plädiert dahingehend für eine stärkere Einbindung der Bevölkerung zum Beispiel bei neuen Gemeinschaftsunterkünften. Dazu gehört laut Wanitschke ein frühzeitiges Informieren der Gesellschaft vor Ort. Die Kommunikation des Kreises zur geplanten Unterkunft in Greifswald sei kein gutes Beispiel, auch die lokale Politik sei zu spät einbezogen worden, kritisieren linke Bürgerschaftsmitglieder. Die Menschen hätten mitgenommen, die Pläne offen diskutiert werden müssen. Wichtige Fragen müssen beantwortet sein. Und das, bevor Entscheidungen getroffen werden. Deshalb warfen die Fraktionen von Linke, Grünen, SPD und Tierschutzpartei dem Landrat im Falle Greifswalds auch eine unnötige Eskalation vor. Eine ähnliche Wahrnehmung gab es auch im Landkreis Nordwestmecklenburg in der Gemeinde Upahl. Hier äußerte Bürgermeister Steve Springer (Unabhängige Wählergemeinschaft Upahl) deutliche Kritik an der Kommunikation des Kreises. Und auch die Bürger:innen fühlten sich in die Entscheidung nicht genug einbezogen. Das zeige vielleicht auch eine gewisse Zögerlichkeit der politisch Verantwortlichen auf Landes- und Kommunalebene, überlegt Ulrike Wanitschke vom PSZ Rostock. So werde die Unterbringung „nicht rechtzeitig offen thematisiert“, weil die politisch Verantwortlichen statt Mut und entsprechendem Gestaltungswillen, eher in „ängstlicher Vermeidung des Themas ‚Flüchtlinge‘“ erstarren. Dahinter stehe häufig Angst vor der Auseinandersetzung und vielleicht auch vor eventuellen Stimmenverlusten, mutmaßt sie. Diese Vermeidung sei „ein gefundenes Fressen für Rassist:innen“, die die Not von Kommunen, aber auch der Schutzsuchenden, für ihre „rechte Hetze“ nutzen und Bürger:innen bei ihrem Protest gegen Unterkünfte unterstützen. Dass das gesellschaftliche Klima an vielen Stellen im Land sowieso nicht für die Aufnahme von Menschen offen ist, helfe dann wenig.
Dieser Artikel erschien in KATAPULT MV-Ausgabe 22. Er wurde am 29. September aktualisiert und ergänzt. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!