In Mecklenburg-Vorpommern kam es im Jahr 2021 zu 1.736 Fällen politisch motivierter Kriminalität. Darüber informierte MVs Innenminister Christian Pegel (SPD) bei einer Pressekonferenz am Dienstag. „Die politisch motivierte Kriminalität ist ganz stark geprägt vom Wahljahr und vom Pandemiegeschehen“, fasste Pegel die Ergebnisse zusammen. 292 Delikte mit Corona-, 300 mit Wahlkampfbezug Allein im Zusammenhang mit dem Thema Corona wurden 292 Delikte verübt, 234 mehr als im Vorjahr. Davon ausgehend konnten 42 Straftaten dem rechten Täterspektrum zugeordnet werden und 27 dem linken, erläutert Pegel. Die übrigen Taten konnten mit keinem Phänomenbereich in Zusammenhang gebracht werden. Etwa 300 der registrierten Delikte seien zudem „wahlkampfspezifisch“ gewesen, so der Minister. Darunter fielen zum Beispiel Sachbeschädigungen an Wahlplakaten. Weil derartige Straftaten jedoch nur schwer aufzuklären seien, betrage die Aufklärungsquote nur rund 50 Prozent. Die Aufklärung von Gewaltdelikten insgesamt konnte laut Pegel allerdings von 70,9 Prozent im Jahr 2020 auf 79,6 Prozent 2021 signifikant gesteigert werden. Delikte, die keinem Phänomenbereich – beispielsweise links oder rechts – zugeordnet werden konnten, fanden sich vor allem im Zusammenhang mit dem Pandemiegeschehen und den Wahlen. „Bei diesen Straftaten ist die eindeutige Zuordnung zu den üblichen Kategorien wegen des unklaren politischen Hintergrunds und oft diffuser ideologischer Muster schwierig“, so Pegel. Die Statistik weist in diesem Bereich insgesamt 505 Taten auf, gegenüber 172 im Vorjahr. Dabei hätten 164 dieser Delikte Bezug zu den Wahlen im vergangenen September gehabt. Weniger Delikte aus dem rechten, mehr aus dem linken Spektrum Die Anzahl rechtsmotivierter Delikte sank von 1.012 auf 971 Fälle. Darunter waren auch 49 Gewaltdelikte. Im Vorjahr waren es noch 53. Die Zahl der Straftaten aus dem linken Spektrum stieg von 174 im Vorjahr auf 226 in 2021 – eine Zunahme um circa 30 Prozent. Der zugehörige Anteil von Gewaltdelikten sank jedoch von 17 auf zwölf Fälle. „Hier sehen wir einen deutlichen Zusammenhang mit den Wahlen“, erklärte der Direktor des Landeskriminalamtes (LKA), Rogan Liebmann, dazu am Dienstag. Den größten Anteil der Straftaten aus dem linken Spektrum machten Sachbeschädigungen aus. Die Zahl der antisemitischen Straftaten sank 2021 um einen Fall von 73 auf 72. Bei den fremdenfeindlichen Delikten konnte ein Rückgang von 280 auf 270 registriert werden. Die Zahl der Straftaten im Phänomenbereich ausländische Ideologie stieg von 20 auf 26 Fälle. Im Phänomenbereich religiöse Ideologie verzeichnete das LKA, ebenso wie 2020, acht Straftaten und kein Gewaltdelikt. Mehr Straftaten im Internet Die Zahl der Straftaten im Zusammenhang mit dem Internet einschließlich Sozialer Netzwerke stieg von 194 auf 211. Im vergangenen Jahr konnten 124 Taten dem rechten Spektrum (2020: 139), 13 dem linken (2020: zehn) und 63 nicht zugeordnet werden (2020: 41). Acht Taten fallen in den Bereich der religiösen Ideologie (2020: vier) und drei in den Bereich ausländischer Ideologie (2020: null). Zurückgegangen ist im vergangenen Jahr die Zahl der registrierten Hass-Postings, von 57 auf 46. Hass und Hetze „in unerträglicher Niveaulosigkeit“ Trotzdem hätten „Hass und Hetze im Netz gegen Andersdenkende und insbesondere gegen Amts- und Mandatsträger:innen (...) eine unerträgliche Niveaulosigkeit erreicht“, beklagte Pegel. Kritik, insbesondere im politischen Diskurs, müsse erlaubt sein. Aber üble Beleidigungen, Verleumdungen und Hetze sowie Bedrohungen mit der Androhung körperlicher Schädigungen bis hin zum Tod seien nicht hinnehmbar. So sei auch die Zahl der Straftaten gegen Amts- oder Mandatsträger gestiegen, von 61 im Jahr 2020 auf 69 im vergangenen Jahr. „Das waren überwiegend Delikte wie Beleidigung, Bedrohung, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten oder Volksverhetzung“, berichtete Pegel. Zudem registrierten die Behörden 24 Straftaten gegen Wahlkreisbüros, drei weniger als 2020. Davon ließen sich acht keinem Phänomenbereich zuordnen, drei dem rechten und 13 dem linken Spektrum. Zwölf der 13 Straftaten von links richteten sich gegen Büros der AfD. Der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag, René Domke, fordert angesichts dieser Zahlen einen besseren Schutz von Mandatsträger:innen. „Es sollte in Zukunft ein größeres Augenmerk darauf gelegt werden, diesem Trend stärker entgegenzusteuern“, so der Landespolitiker in einem Pressestatement. Gerade durch Hass und Hetze im Internet und speziell in Sozialen Medien würden diese hauptsächlich ehrenamtlich Aktiven vermehrt abgeschreckt, sich vor Ort zu engagieren. Die Linkspartei verlangt eine intensivere Bekämpfung rechtsmotivierter Gewalt. Diese „besorgniserregenden Zahlen zu Straftaten aus dem extrem rechten Spektrum“ seien nicht nur ernstzunehmen, vielmehr müsse der „Polemik und Gewalt aktiv entgegentreten“ werden, erklärte der Landtagsabgeordnete Michael Noetzel. Die unzähligen rechten, antisemitischen und verschwörungsideologischen Inhalte in den Chatgruppen der Corona-Leugner-Szene müssten bei der politischen Einordnung berücksichtigt werden, meint Noetzel. „Ein exakter Blick auf die Hintergründe dieser Taten ist unabdingbar, um die Verteilung der politisch motivierten Kriminalität realitätsnah darzustellen und angemessene wie notwendige Gegenmaßnahmen zu ergreifen.“ Auch der AfD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Nikolaus Kramer, ordnet die angestiegene Zahl an Straftaten als „ besorgniserregend“ ein. Zwar sei diese Entwicklung auch typisch für ein Wahljahr, doch seien „gerade Wahlen (...) Ausdruck der demokratischen Willensbildung“. Aber: „Das Abreißen von Wahlplakaten ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Angriff auf den demokratischen Prozess“, so Kramer. Und ergänzt: „Wahrscheinlich sähe die Statistik auch anders aus, wenn linke Symbole – gleich ihren rechten Konterparts – in der Statistik erfasst würden.“ Die dadurch hervorgerufene Verzerrung habe die AfD bereits mehrfach kritisiert. Die Statistik erfasst, entgegen Kramers Aussage, jedoch gar nicht das Zeigen rechter Symbole als solches. Pegel betonte am Dienstag, gezählt würden Ermittlungsverfahren, die die Behörden aufgrund des Verdachts von Straftaten einleiteten. So verbietet das Strafgesetzbuch etwa das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Der entsprechende Paragraf erfasst dabei vornehmlich Symbole, die besonders häufig von Rechtsextremist:innen verwendet werden. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!