Signalrote Rettungswesten im Schweriner Pfaffenteich. Als Auftakt zu den „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ organisierte die Schweriner BUND-Jugend am Montag eine Kundgebung unter dem Motto „Seenotrettung – JETZT“. Unterstützt wurde die Aktion vom Flüchtlingsrat MV und der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie (RAA).
Leere Rettungswesten im Schweriner Pfaffenteich als Mahnung an über 23.500 Menschen, die seit 2014 im Mittelmeer ertranken. (Foto: Peter Scherrer)
Die Teilnehmer:innen wollten damit auf die unverändert tödliche Situation für Flüchtende im Mittelmeer aufmerksam machen. Nicole Gernhard von der BUND-Jugend forderte „Fähren statt Frontex“ und die Schaffung von sicheren Häfen an den Küsten des Mittelmeeres. Ihnen sei wichtig, dass bei der völlig berechtigten Solidarität mit den Flüchtenden aus der Ukraine die Menschen, die übers Mittelmeer fliehen, nicht vergessen werden.
Zusammenhang von Rassismus und Flüchtlingspolitik
Die Vereinten Nationen haben den 21. März seit 1966 zum Internationalen Tag gegen den Rassismus erklärt. Anlass für diesen Aktionstag ist das Gedenken an das Massaker von Sharpeville. Einheiten der südafrikanischen Polizei im damaligen Apartheidstaat Südafrikanische Union hatten sechs Jahre zuvor an diesem Tag mit Maschinenpistolen auf schwarze Demonstrierende geschossen. 69 Menschen bezahlten ihren Protest gegen das politische System der sogenannten Rassentrennung mit ihrem Leben.
Wie sehr Rassismus und Flüchtlingspolitik zusammenhängen, wird besonders deutlich, wenn regelmäßig nicht nur rechtsextreme Politiker:innen zwischen „echten Flüchtlingen“ und beispielsweise „Wirtschaftsflüchtlingen“ oder „Scheinasylanten“ unterscheiden.
Antirassismusbeauftragte des Bundes aus MV
Ende Februar berief die Bundesregierung Reem Alabali-Radovan (SPD), Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration, zur Antirassismusbeauftragten. Die Schwerinerin stellt sich damit der Aufgabe, die auf mehrere Ressorts verteilten Maßnahmen der Bundesregierung gegen Rassismus künftig im Bundeskanzleramt zu koordinieren. Sie hat angekündigt, einen „Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus“ vorzulegen.
KATAPULT MV wollte von der Bundestagsabgeordneten wissen, wie sie dazu beitragen will, dem alltäglichen Rassismus in unserer Gesellschaft zu begegnen.
KATAPULT MV: Frau Staatsministerin Alabali-Radovan, Sie haben zu mehr Zivilcourage aufgerufen. Was wollen Sie tun, um mutige Menschen, die für Flüchtende und gegen Rassismus eintreten, zu unterstützen?
Reem Alabali-Radovan: Ein starker Staat und eine aktive Zivilgesellschaft müssen gemeinsam den Kampf gegen Rassismus und für Zusammenhalt angehen. Wer sich für andere einsetzt und Zivilcourage zeigt, muss den Staat an seiner Seite wissen. Das ist der Bundesregierung und mir als Beauftragter für Antirassismus sehr wichtig.
Darum werden wir jetzt das Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, damit die vielen Initiativen vor Ort auch finanziell dauerhaft und verlässlich finanziert werden. Darum werde ich ein Beratungszentrum einrichten, an das sich alle von Rassismus Betroffenen, ihre Familien und Unterstützer:innen wenden können, jederzeit.
Aktuell zeigen die Internationalen Wochen gegen Rassismus, wie viele Menschen sich gegen Rassismus einsetzen. Bundesweit finden über 3.000 Veranstaltungen statt – auch in Mecklenburg-Vorpommern, ob in Stralsund, Parchim, Schwerin oder Güstrow. Mit Diskussionen, Konzerten, Lesungen, Workshops oder Spendenläufen – richtig toll!
Es mehren sich Zwischenfälle, bei denen Russ:innen und Aussiedler:innen aus Russland beleidigt, bedroht und tätlich angegriffen wurden. Wie können wir einer zunehmenden „Russenfeindlichkeit“ begegnen?
Wir müssen gemeinsam klare Haltung zeigen! Wir verurteilen jede Feindseligkeit, Hetze und Verschwörungspropaganda. Klar ist: Das ist Putins verbrecherischer Krieg. Wir dürfen ihn nicht in unsere Mitte tragen und uns spalten lassen. Wir stehen solidarisch zusammen. Wir nehmen alle Menschen bei uns auf, die aus der Ukraine fliehen und bei uns Schutz suchen. Und auch Menschen mit russischer Einwanderungsgeschichte müssen sich hier sicher fühlen.
Wer Beleidigungen mitbekommt, muss den Opfern zur Seite stehen, im Zweifel auch die 110 anrufen. Polizei, Staatsschutz und unser Rechtsstaat verfolgen jede Bedrohung, jede Straftat.
Wie könnte Ihre Heimatregion Mecklenburg-Vorpommern die geografische und historische Nähe zu osteuropäischen Ländern nutzen, um ein Vorbild für Integration und Antirassismus zu sein?
Mecklenburg-Vorpommern setzt auf Integration und Antirassismus. Das habe ich auch als Integrationsbeauftragte meines Heimatlandes erlebt. Unsere polnischen Nachbarn leisten in diesen Wochen Herausragendes, um Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen, sie zu integrieren.
Polen und Deutschland haben nach dem Beschluss des Europäischen Rates sofort die Grundlagen geschaffen, um den Menschen im jeweiligen Land schnell einen Aufenthalt zu sichern und auf erste Integration zu setzen, auch am Arbeitsmarkt. Überall in Deutschland wird im Schulterschluss von Staat und Gesellschaft angepackt, um die Integration und den Zusammenhalt zu stärken. Die Solidarität ist überwältigend.
Im Sommer werden erfahrungsgemäß wieder mehr Menschen versuchen, übers Mittelmeer nach Europa zu kommen. Wie können Sie verhindern, dass das Schicksal dieser Flüchtenden nicht in Vergessenheit gerät?
Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Wir verlieren das nicht aus dem Blick. Auch hier geht es um Haltung und Humanität. Es ist eine zivilisatorische und rechtliche Verpflichtung, Menschen nicht ertrinken zu lassen.
Die zivile Seenotrettung darf nicht behindert werden und wir streben eine staatlich koordinierte und europäisch getragene Seenotrettung im Mittelmeer an, anschließend geht es um faire Verantwortungsteilung zwischen den Anrainerstaaten des Mittelmeers bei der Seenotrettung und der gesamten Europäischen Union. Dazu haben wir uns im Koalitionsvertrag bekannt.
Veranstaltungen im Rahmen der Internationalen Wochen gegen den Rassismus finden unter anderem statt in:
GreifswaldGüstrowParchimLandkreis RostockSchwerinStralsund
Weitere Informationen zu Hilfen für Geflüchtete aus der Ukraine gibt es auf der Website der Landesregierung.
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