Bislang verteidigte MVs Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) vehement die Wichtigkeit der Inbetriebnahme der deutsch-russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2. Nach dem SPD-Spitzentreffen am Montag wurde nochmals deutlich: Dies entsprach angesichts des sich zuspitzenden Konflikts um die Ukraine nicht der Position der SPD-Führung. Am Montagabend lud SPD-Parteichef Lars Klingbeil zum Gespräch nach Berlin. Das Ziel: eine gemeinsame Linie in der Russlandpolitik zu finden – mitten im Ukraine-Konflikt, mit 20 geladenen sozialdemokratischen Spitzenkräften aus Bund und Ländern. Und vor allem: einen Krieg in Europa verhindern. MVs Ministerpräsidentin Manuela Schwesig kommt dabei innerhalb der Partei eine Sonderrolle zu. Sie betonte auch nach der Zuspitzung der Ukraine-Krise ihren Willen, die Inbetriebnahme der Erdgaspipeline Nord Stream 2 durchzusetzen. Trotz angekündigter Sanktionen des Westens gegen Russland bei einer Eskalation an der russisch-ukrainischen Grenze, hielt Schwesig an der Pipeline fest. Beifall aus der Opposition im Landtag für ihre prorussische Haltung gab es für sie bislang nur von der AfD. Der grüne Fraktionsvorsitzende Harald Terpe kommentierte am Montag dazu: „Jeder Tag, an dem die SPD-Verantwortlichen die Fragen zu ihrem Russlandkurs und Nord Stream 2 nicht eindeutig beantworten, schwächt die Position Deutschlands und seiner Verbündeten.“ Rüffel für den NDR – Schwesig zurückhaltend in Nord-Stream-Debatte Nach dem SPD-Spitzentreffen nun die Kehrtwende: Schwesig betont, den Kurs der Bundesregierung zu unterstützen, und mahnt per Pressemitteilung den NDR wegen falscher Berichterstattung ab. Was der NDR ausgelassen habe: Schwesig gab am 20. Januar ein Interview in der Zeit, in dem sie ihre Sorge über den Ukraine-Konflikt verdeutlichte, so Regierungssprecher Andreas Timm. Der Fehler aus Sicht Schwesigs: der NDR schrieb, Schwesig habe sich bislang nicht zum russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze geäußert. Die Behauptung des NDR, die Ministerpräsidentin weiche vom gemeinsamen Kurs der Bundes-SPD ab, sei nachweislich falsch, so Timm weiter. Schwesigs Russlandkurs unterschied sich bis Montagabend jedoch durchaus von dem ihrer Parteikollegen, etwa indem sie trotz möglicher Sanktionen öffentlich weiter für eine Inbetriebnahme der Erdgasleitung warb. Ausreichend Anlass, als journalistisches Medium kritisch über die Ministerpräsidentin zu berichten. Für Schwesig steht viel auf dem Spiel: Die circa 30 bis 40 entstehenden Arbeitsplätze durch den Gastransport von Wyborg in Russland nach Lubmin bei Greifswald. Vor allem aber die gefestigten deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen, an denen die SPD in Meck-Vorp keine Zweifel aufkommen lassen will. Ihr Festhalten an der Pipeline in der aktuellen Debatte will sie aktuell nicht weiter kommentieren. Zu heikel ist die aktuelle Lage an der russisch-ukrainischen Grenze, und zu sensibel innerhalb der Bundesregierung wäre es, nun vom Kurs abzuweichen. Es gelte schließlich einen Krieg inmitten von Europa zu verhindern. Direkter Draht von Schwerin über Lubmin nach Moskau Erst im vergangenen Jahr gründete das Land Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit dem russischen Energiekonzern Gazprom die „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ – mit 20 Millionen Euro Startkapital der Firma Nord Stream. Das Land MV beteiligt sich mit 200.000 Euro. Vorsitzender der Stiftung ist Schwesigs Vorgänger, Erwin Sellering (SPD). Über Sinn und Zweck der Klimastiftung wurde viel debattiert. Schon zur Gründung stand der Vorwurf einer Scheinstiftung zur Unterstützung der Erdgaspipeline im Raum, denn laut Satzung hat auch Nord Stream das Sagen. Etwa wenn es um die Bestimmung des Geschäftsführers des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Stiftung geht. Wie der Betrieb heißt, welche Geschäftsform er hat oder wer der von Nord Stream bestimmte Vorsitzende ist, darüber hüllt sich Vorstandsvorsitzender Sellering in Schweigen. Im vergangenen Jahr wurde bekannt, dass die Stiftung nicht nur indirekt, sondern auch direkt am Bau von Nord Stream 2 beteiligt war. Sie kaufte den 5.600-Tonnen-Frachter „Blue Ship“, der laut dänischer Seefahrtsbehörde an Steinverlegungsarbeiten entlang der Pipeline beteiligt ist. Und auch die letzten Tage war die „Blue Ship“ um die fertiggestellte Pipeline in der Pommerschen Bucht unterwegs. Warum, lässt die Landesregierung auf Nachfrage von KATAPULT MV offen. Natürlich haben wir die Stiftung auch gegründet, um Nord Stream 2 zu Ende zu bauen. Erwin Sellering, Vorsitzender der „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ T-online deckt heimliche Treffen mit Schröder auf Die Vorwürfe, die nun in dem T-online-Artikel „Schwesigs Russland-Geheimnis“ erhoben werden, sind hart. Als „Russland-Versteherin“ und „Putins Geißlein“ wurde die Ministerpräsidentin bereits zuvor mehrfach betitelt. Jetzt jedoch gehen die Anschuldigungen ins Mark der SPD:  Zusammenarbeit mit Russland, um US-Sanktionen zu unterlaufen? Geheime Treffen mit dem früheren SPD-Kanzler und jetzigen Gazprom-Lobbyisten Gerhard Schröder in Berlin und St. Petersburg werden geschildert – ohne Dokumentation, ohne offizielle Notiz. Die Recherche von T-online deckt nun auf, dass Schwesig Schröder bereits 2019 in St. Petersburg beim russischen Internationalen Wirtschaftsforum zwischen ihre eng getakteten Termine geschoben haben soll – „zu persönlichen Treffen ohne Arbeitsbezug“, lässt die 47-Jährige über ihren Regierungssprecher Andreas Timm klarstellen. Dennoch steht der Vorwurf im Raum. Auch CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte am Montag Schröders gehäufte Besuche in Berlin und: Schwerin. Dabei hat sich der Altkanzler längst aus sämtlichen Parteiaktivitäten zurückgezogen. Merz’ Vorwurf: direkte Einflussnahme von Gazprom auf die Position der SPD. Schwesigs Regierungssprecher dementiert gegenüber KATAPULT MV: „Herr Schröder hat Frau Schwesig nicht in Schwerin besucht. Die Vermutung, Herr Schröder habe Frau Schwesig in ihrer Haltung zur Ostseepipeline beeinflusst, ist auch generell falsch.“ Gerhard Schröder selbst schreibt seit April 2021 als Gastautor in seiner Kolumne „Klartext vom Altkanzler“ für T-online. Das Onlineportal gehört längst nicht mehr zur Deutschen Telekom, sondern zu Ströer-Media. Das Unternehmen betreibt diverse Internetportale und ist darüber hinaus vor allem für die Vermarktung von Online- und Außenwerbung bekannt. Kritik an Ströers Werbepraxis wurde zuletzt im vergangenen Jahr laut, als ein Verein, der die AfD in Wahlkämpfen unterstützt, eine anonym finanzierte, über drei Millionen Euro schwere Plakatkampagne gegen Bündnis 90/Die Grünen über Ströer laufen ließ. Die Plakate hingen in rund 70 Städten im Vorfeld von neun verschiedenen Wahlen. Infolge von Recherchen von Correctiv, Spiegel und ZDF kündigte Ströer im September an, sich vollständig aus der politischen Werbung zurückzuziehen. Gemeinsamer Kurs der SPD: Frieden und Dialog haben oberste Priorität International geriet die SPD-geführte Bundesregierung in den letzten Wochen immer weiter in die Kritik. Man übe nicht genügend Druck auf Russland aus. Auch Bundeskanzler Scholz (SPD) zögerte lange, Nord Stream 2 als geopolitisches Instrument Russlands anzusehen, und sprach von einem „privatwirtschaftlichen Vorhaben, dass nun so weit getrieben wurde, dass dort nun eine Pipeline liegt“. Mittlerweile ist die Gasleitung jedoch auch für Olaf Scholz ein mögliches Sanktionsinstrument, sollte es zu einer Eskalation des Ukraine-Konflikts kommen. SPD-Parteichef Klingbeil betonte am Montagabend, oberste Priorität habe in den nächsten Wochen die Verhinderung eines Krieges mitten in Europa: „Wir sehen, dass die Provokationen von Russland ausgehen.“ Es gelte nun, die involvierten Akteure wie die Ukraine zu unterstützen und dafür jede politische Kraft zu mobilisieren. Dem stimmt auch Manuela Schwesig zu – trotz klaren Interesses an einem engen wirtschaftlichen Verhältnis zu Russland. Die SPD sei sehr geschlossen in der Russlandfrage. Gegenüber KATAPULT MV betont die Ministerpräsidentin: „Ich unterstütze den Kurs von Bundeskanzler Scholz, der alles dafür tut, dass der Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst wird. Dazu muss Russland seinen Beitrag leisten. Es ist jetzt das Allerwichtigste, dass wir Frieden haben und dass nicht Krieg in Europa entsteht.“ MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!