Deutsche Ermittlungsbehörden konnten rekonstruieren, wie der Sprengstoffanschlag auf die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 in der Nacht zum 26. September vergangenen Jahres vor der dänischen Insel Bornholm vorbereitet wurde. Das ergaben Recherchen von Zeit, ARD und SWR. Demnach sollen sechs Personen – ein Kapitän, eine Ärztin, zwei Taucher und zwei Tauchassistenten – am 6. September von Rostock aus in See gestochen sein, mit einer mit Sprengstoff beladenen Jacht. Der genaue Hafen bleibt unklar, es wird über den Fischereihafen, Schmarl, Gehlsdorf und Warnemünde spekuliert. Unklar ist außerdem die Nationalität der Beteiligten, da diese gefälschte Reisepässe beispielsweise für die Anmietung des Bootes nutzten. Dabei handelte es sich um die Jacht einer deutschen Charterfirma, die von einer polnischen Firma gemietet wurde, die wiederum offenbar zwei ukrainischen Personen gehört. Mit dem Boot könnte der Sprengstoff transportiert worden sein, der an den Pipelines explodierte. Es ist von bis zu zwei Tonnen die Rede. Am 7. September soll das Boot in Wiek sowie nahe der dänischen Insel Christiansø lokalisiert worden sein. Die gecharterte Segeljacht war offenbar kürzer als 30 Meter, weshalb laut Seeschifffahrtsordnung keine Meldepflicht bei den Hafenbehörden bestand. Daher wurde das Boot weder beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt in Stralsund noch im Rostocker Hafen- und Seemannsamt registriert. Täter:innen, Motive und staatliche Beteiligung weiterhin unklar Neben den Recherchen von Zeit, ARD und SWR berichtet auch die New York Times, dass Hinweise aus Geheimdienstkreisen darauf hindeuten, dass eine proukrainische Gruppe für den Anschlag auf die Pipelines verantwortlich sein könnte. Wer die Zerstörung der Pipelines in Auftrag gegeben hat, beispielsweise Ukrainer:innen oder russische Dissident:innen, bleibe allerdings weiterhin unklar. In Sicherheitskreisen werde nicht ausgeschlossen, dass Spuren bewusst auf die falsche Fährte deuten sollen. Doch auch für diese Vermutungen gebe es keine Hinweise. Die politische Führung in der Ukraine habe keine Beziehung zu der Gruppe, heißt es in den Recherchen. Auch die ukrainische Regierung selbst dementierte eine Beteiligung. In der Nacht auf den 26. September 2022 waren drei der vier Stränge der Ostseepipelines der russischen Firma Gazprom durch Explosionen zerstört worden. Durch drei Gaslecks gelangten Millionen Kubikmeter Gas in Meer und Atmosphäre. Die USA und Russland beschuldigten sich gegenseitig, auch die Ukraine und Großbritannien wurden mitunter verdächtigt. Es wurde und wird in Europa von staatlichen oder quasistaatlichen Akteur:innen ausgegangen, da es sehr anspruchsvoll sei, unentdeckt die nötigen großen Mengen an Sprengstoff in 70 Metern Tiefe kontrolliert an mehreren Stellen explodieren zu lassen. Bericht zum aktuellen Stand gefordert Es bleiben viele Fragen offen. Am heutigen Freitag kommt das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages zu einer Sondersitzung zusammen. Es hat 13 Mitglieder und ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig. Die Bundesregierung muss das Gremium über die Tätigkeiten der Geheimdienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichten. Der Vorsitzende des Gremiums, Konstantin von Notz (Grüne), fordert von Generalbundesanwalt und Bundesregierung umfassende Informationen: „Es besteht eine Auskunftspflicht gegenüber Parlament und Öffentlichkeit.“ Über Nord Stream 1 versorgte das russische Unternehmen Gazprom Deutschland und Europa seit 2011 mit Erdgas, Deutschland erhöhte so seine Energieabhängigkeit. Die zweite Ostseepipeline Nord Stream 2 wurde trotz Widerständen mithilfe der sogenannten Klimaschutzstiftung MV im Jahr 2021 fertiggestellt, in Betrieb ging sie aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine jedoch nie. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!