Die fast 200.000 Kund:innen der Sparkasse Vorpommern bekommen in diesen Tagen zu gleich zwei Belangen Post: Zum einen erwartet sie ein Negativzins, der bisher nur bei Geschäfts- und neuen Privatkund:innen üblich war. Zum anderen sollen sie neuen AGB und höheren Kontoführungsgebühren zustimmen. Aber der Reihe nach. Negativzins und Sparhöchstgrenze auch für Bestandskund:innen Bisher waren Negativzinsen lediglich für Geschäfts- und neue Privatkund:innen festgelegt. Seit Montag sind nun auch die Bestandskund:innen betroffen – Minderjährige und deren Konten ausgenommen. Den Negativzins in Höhe von 0,5 Prozent möchte die Sparkasse Vorpommern im Rahmen von Beratungsgesprächen mit den betroffenen Kund:innen vereinbaren. Teil dessen ist auch die Festlegung einer Sparhöchstgrenze für Sparkonten. Beides wird in einer Rahmenvereinbarung festgehalten. Für Alleinstehende umfasst die Rahmenvereinbarung nach Angaben der Sparkasse einen Freibetrag von 50.000 Euro, für Ehepaare oder eheähnliche Gemeinschaften 100.000 Euro. Dieser Betrag gilt sowohl für das Giro- als auch das Sparkonto zusammen. Wird der Betrag aus der Rahmenvereinbarung überschritten, fällt ein Negativzins für das überschüssige Geld an, sinkt der Betrag wieder darunter, entfällt auch der Negativzins. Für die Kund:innen, deren Sparguthaben bereits jenseits der Höchstgrenze liege, werde der aktuelle Wert als Höchstgrenze festgelegt, erklärt die Sparkasse. Bestandsschutz sozusagen. Sparkasse will Kosten weitergeben „Was soll das denn jetzt?“, fragen sich viele Kund:innen. Die Sparkasse Vorpommern sieht die Einführung des Negativzinses im Kontext der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die diesen Schritt notwendig mache. So gebe es bei der Sparkasse mehr Einlagen von Kund:innen, als sie auf der anderen Seite für Kredite herausgeben könnte. Dieser Überhang müsse irgendwohin, so Pressesprecher Gerald Bahr. Ein Teil werde dabei bei der EZB eingelegt. Stand 31. Dezember 2021 waren das nach Angaben der Sparkasse Vorpommern insgesamt 610 Millionen Euro. Davon konnten 325 Millionen frei – also ohne Kosten – eingelegt werden. Auf den Rest – 285 Millionen Euro – mussten von der Sparkasse Negativzinsen in Höhe von 0,5 Prozent an die EZB entrichtet werden. 1,4 Millionen Euro im Jahr. Aus diesem Grund gebe die Sparkasse diese 0,5 Prozent, die ihr „durch die Negativzinsen der EZB entstehen“, nun an ihre Kund:innen weiter. Kritik von der Verbraucherzentrale Die Verbraucherzentrale hinterfragt die Begründung der Sparkasse kritisch. Zwar spiele die EZB eine Rolle, aber eher eine untergeordnete, so Stephan Tietz, Leiter des Fachbereichs Finanzdienstleistungen der Verbraucherzentrale MV. Die Sparkasse müsse nämlich nicht zwingend Negativzinsen bei der EZB zahlen. Sie lege freiwillig mehr Geld dort ein, als zum einen verpflichtend und zum anderen zusätzlich unter den Freibetrag falle. Das stimme zwar, gibt die Sparkasse recht, allerdings koste beispielsweise die selbständige Verwahrung des Geldes weit mehr – etwa durch zusätzliche Sicherungskosten – als die Einlegung bei der EZB. Es gebe somit keine rentable Alternative. Vonseiten der Verbraucherzentrale steht außerdem die Frage im Raum, ob die Erhebung eines Negativzinses nicht auch mit den kleiner werdenden Gewinnen zusammenhängt. So habe sich durch die Niedrigzinspolitik der EZB die Einnahmesituation der Banken beim Ausreichen von Krediten verändert, so Tietz. Mit Blick auf die Zahlungen der Sparkasse Vorpommern an die EZB im Vergleich zu den von der Sparkasse geschätzten Einnahmen durch die Negativzinsen der Kund:innen ergibt sich durchaus eine Differenz. So zahlte die Sparkasse der EZB circa 1,4 Millionen Euro Negativzinsen im Jahr. Dagegen stehen rund eine Million Euro aus Negativzinsen der Firmenkund:innen und zukünftig geschätzt eine weitere Million von den Privatkund:innen. Es kommt demnach mehr Geld herein, als an die EZB gezahlt wird. Für die Sparkasse zählen jedoch in die gleiche Rechnung noch andere Zahlungen hinein. So hält sie beispielsweise auch bei anderen Kreditinstituten Geld, was wiederum Zinskosten in Höhe von circa 2,3 Millionen Euro im Jahr verursache. Auch hier wirke die Zinspolitik der EZB negativ, schreibt die Sparkasse. Negativzinsen der Sparda-Bank Berlin unrechtmäßig Trotz der Erklärungsversuche der Banken sieht die Verbraucherzentrale in der Erhebung eines Negativzinses, also Verwahrentgelts, für Girokonten ein generelles Problem. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen klagte unter anderem vor dem Landgericht Berlin gegen die Sparda-Bank Berlin und deren Negativzinsklauseln und bekam im Oktober vergangenen Jahres Recht. Aus Sicht des Gerichts seien die Beträge unrechtmäßig erhoben worden. Die Sparda-Bank müsse alle Beträge zurückerstatten. Ein Girokonto habe man schließlich, damit davon Zahlungen auf- und abgehen können, erklärt Stephan Tietz. Dass dafür Geld auf dem Konto sein müsse, also dort „verwahrt“ werde, ist sozusagen ein Nebeneffekt des Girokontos. Ist noch eine Kontoführungsgebühr zu entrichten, stellen zusätzliche Negativzinsen außerdem eine unzulässige Doppelbepreisung dar. Das Urteil des Landgerichts ist noch nicht rechtskräftig, der Fall geht nun in die nächste Instanz. Und anschließend wohl auch weiter bis zum Bundesgerichtshof (BGH). „Würde mich wundern, wenn nicht“, kommentiert Stephan Tietz die Lage. Auf eine finale und rechtssichere Entscheidung muss also noch gewartet werden. Und damit auch darauf, ob die Vereinbarungen bezüglich der Entgelte widerrufen werden müssen. „Wir wissen wohl erst in ein paar Jahren, was Sache ist“, schätzt Tietz. Sparkasse bittet um Zustimmung zu ihren AGB Neben den Negativzinsen werden zudem sowohl Privat- als auch Firmenkund:innen der Sparkasse seit Montag analog oder digital kontaktiert und um Zustimmung zu den AGB gebeten. Grund dafür ist die Entscheidung des BGH vom letzten April: Bestimmte Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Postbank seien unwirksam. So hatte die beklagte Postbank bis dahin die Zustimmung der Kund:innen zu einer Änderung der AGB angenommen, wenn sie nicht in einer von der Bank gesetzten Frist widersprachen. Bei dieser „Zustimmungsfiktion“ konnte das gesamte Vertragsverhältnis umfassend und ohne aktive Zustimmung der Kund:innen geändert werden, erklärt Stephan Tietz. Demgegenüber bestätigte der BGH nun, dass für größere Änderungen am Konto, wie etwa eine Preiserhöhung, eine aktive Zustimmung nötig ist. Nachdem Postbank, Deutsche Bank und Co. bereits im vergangenen Jahr begannen, die BGH-Entscheidung umzusetzen, folgt die Sparkasse Vorpommern seit Montag nun ebenfalls sichtbar dem Urteil. Mit den neuen Regelungen gebe es nun einen enormen Aufwand: „Wir verschicken [...] knapp 200.000 Anschreiben“, informiert Pressesprecher Bahr. Dazu mache man sich Sorgen, dass die Kund:innen die Sache einfach liegen lassen würden. Schon jetzt plant die Sparkasse deswegen mit einer Nachfassaktion Ende März, um alle diejenigen erneut anzusprechen, deren Zustimmung dann noch ausstehe. Dass es für die Banken, also auch für die Sparkasse, vor dem BGH-Urteil einfacher war, könne er gut nachvollziehen, kommentiert Stephan Tietz von der Verbraucherzentrale die Aussage der Sparkasse. Doch immerhin hätten die Banken dieses rechtswidrige Verfahren auch selbst eingeführt. Es sei demnach ein „selbstverschuldetes Elend“, so Tietz. Dass am Ende ein rechtskonformes System stehen müsse, stehe schließlich außer Frage. Zudem müssten die Abläufe natürlich erst mal implementiert werden und sich einspielen. Dann nehme der Aufwand mit der Zeit auch ab, prognostiziert er. Preisanpassung inbegriffen Nachdem die Sparkasse Vorpommern ihre Preise zum letzten Mal Anfang September 2019 angepasst hatte, wurden diese mit dem BGH-Urteil ebenfalls unwirksam. Sie mussten auf den Stand vom 31. August 2018 zurückgedreht werden. Die seit Montag laufende Zustimmungsaufforderung zu den AGB nutzt die Sparkasse deshalb auch, um eine Preisanpassung vorzunehmen. Diese wird die Girokonten betreffen. So steigt das Kontoführungsentgelt beim Inklusivkonto von monatlich 8,99 Euro auf 10,99 Euro und bei Individual- und Basiskonto von 2,99 Euro auf 4,99 Euro. Das Entgelt für das Internetkonto bleibt unverändert. Kostenfreie Konten von etwa Studierenden oder Schüler:innen bleiben weiterhin kostenlos. Für manche Kontomodelle sind zukünftig zudem bestimmte Leistungen in den Filialen mit einem (höheren) Preis versehen. Der Preis solle dort weitergegeben werden, wo er anfalle, kommentiert die Sparkasse. Die Preisveränderung bei Konten und Leistungen ergebe sich aus den veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – beispielsweise durch die Inflation, die im Dezember 2021 fünf Prozent betragen habe –, erklärt die Sparkasse weiter. Für die Preisanpassung, der die Kund:innen ebenfalls zustimmen müssen, gebe es zumindest die Zusage, dass sich daran bis Ende 2023 nichts ändern werde. Zustimmen oder warten? Schon bei Postbank und Co. stellten sich viele Kund:innen im vergangenen Jahr die Frage, was jetzt am besten zu tun ist: Zustimmen? Warten? Oder vielleicht widersprechen? Hinsichtlich der Sparkasse Vorpommern wird diese Frage also jetzt erneut aktuell. Vielleicht sei es gar nicht so schlecht, die Zustimmungsaufforderung als Chance zu betrachten, meint Stephan Tietz. Jetzt könne eben geschaut werden, „ob die Bank noch die richtige für einen ist“. So existieren durchaus noch kostenlose Angebote bei anderen Banken. „Die, die wechseln können, sollten das erwägen“, meint der Finanzexperte der Verbraucherzentrale. Könne oder wolle nicht gewechselt werden, so sei das Hinauszögern der Zustimmung eine Option. Doch am Ende werde auch dann die Zustimmung zu den AGB stehen, so Tietz. Oder die Kündigung. Diesen Schritt behalte sich die Sparkasse als letzten Weg bei Nichtzustimmung vor. Natürlich wolle man diesen nicht gehen, jedoch sei eine Zusammenarbeit ohne vertragliche Grundlage eben schwierig. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!