Stralsund – Stadt der Sterne. Die sieben Meter hohen leuchtenden Sterne, die im Lockdown und an Weihnachten für Zusammenhalt und Licht stehen sollten, sind nach knapp zwei Monaten wieder da. Aber nicht in der ganzen Stadt, sondern vor dem Rathaus. Diesmal hat die Stadt pünktlich vor der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag die „Gigasterne“ auf dem Alten Markt platziert. Nach und nach wurden seit dem 26. April zwölf beleuchtete Sterne aufgebaut. Drei Tage vor der Wahl sind sie nun komplett und sollen die Sterne der Europaflagge anlässlich des Europatages symbolisieren. Kritiker:innen vermuten dahinter eine Wahlkampfmaßnahme von Amtsinhaber Alexander Badrow. Als Werbegeschenke verteilt der 48-Jährige die Sterne im Kleinformat seit Monaten in der ganzen Stadt. Stralsund im Wahlkampf: Zwischen Volksfesten, Hausbesuchen und geklauten Plakaten So viele Sterne der Firma Masson standen bislang noch nicht auf dem Alten Markt in Stralsund. An Weihnachten beleuchtete einer der zwölf sieben Meter Riesen die Eisbahn auf dem Platz. Foto: Anna Hansen Badrow hat für seine Wiederwahl so einiges aufgefahren: Auf eigenen Wahlkampf-Volksfesten bei Bier, Bratwurst, kostenlosen Karussells, Riesenrad, Bungee-Trampolin und Popcorn lockte der Oberbürgermeister in sämtliche Stadtteile der Hansestadt. Finanziert seien die Volksfeste aus Spenden, so der Bauingenieur aus Stollberg im Erzgebirge. Für die Besucher:innen gab es die Stralsunder Gigasterne als Mini-Version vom Bürgermeister persönlich ausgeteilt. Dass die Sterne auf dem Alten Markt jetzt für den Wahlkampf instrumentalisiert würden, will sich der Oberbürgermeister nicht vorwerfen lassen. Sie sollen Zusammenhalt und Frieden in Europa symbolisieren. Begründet wird die Aktion mit einem Beschluss der Bürgerschaft vom 7. April. In einem Dringlichkeitsantrag forderte damals Bürgerschaftsmitglied und Inhaber des Sportgeschäfts „Jump In“, Ralf Klingschat (CDU/FDP-Fraktion), zum Europatag ein Zeichen des Friedens zu setzen. Mit Beschluss der Bürgerschaft wurde der Oberbürgermeister beauftragt, „anlässlich des Europatages am 9. Mai ein Zeichen für Frieden, Freiheit und europäische Werte zu setzen“. Was für ein Zeichen es sein soll, und ob die Riesensterne, die erst Mitte Februar abgebaut wurden, dafür zur Wahl wieder aufgebaut werden sollen, stand allerdings nicht in dem Beschluss. Unterstützt wird Badrow von der FDP und dem Bündnis „Bürger für Stralsund“ – und natürlich seiner eigenen Partei, der CDU –, auch wenn die kleinen Logos der Parteien auf den Plakaten kaum erkennbar waren. Der Fokus lag auf dem Slogan „Ein klares Ja für Stralsund“ und seiner Person. Eine Version seiner XXL-Plakate musste nachträglich geändert werden. Fast 80 stadtbekannte Namen aus Wirtschaft, Gesellschaft, Sport und Kultur standen auf einem Plakat unter dem Titel „Wir wählen Badrow“. Das Problem: Mehr als jede fünfte Person auf dem Plakat ist in Stralsund gar nicht wahlberechtigt und hat ihren Wohnsitz außerhalb der Hansestadt, teilweise sogar in anderen Bundesländern. Ein Versehen? Vielleicht. Nachträglich wurde der Titel der Plakate der Wirklichkeit angepasst, sodass schlussendlich über den 78 Unterzeichnenden zu lesen war: „Wir wollen Badrow“. Möbelhauschefin Rocksien-Riad will erste Frau an der Spitze Stralsunds werden „Wenn man irgendeinen Vorteil beschreiben will, wenn eine Kandidatin nicht ursprünglich aus der Stadt kommt, dann dass es keine tiefe Verbandelung gibt“, sagt Melanie Rocksien-Riad im Interview mit KATAPULT MV. Sie will „die erste Bürgermeisterin Stralsunds seit 788 Jahren“ werden. Damit wirbt Badrows Herausforderin für sich als erstes weibliches Stadtoberhaupt der Geschichte. Obwohl sie Anfang 2021 als langjähriges Mitglied und ehemalige Büroleiterin von Rainer Wend im Bundestag aus der SPD ausgetreten ist, wird ihr Wahlkampf von SPD und Grünen unterstützt. Die vierfache Mutter und Geschäftsführerin einer Möbelkette gestaltete ihren Wahlkampf neben klassischen Infoständen, Vor-Ort-Gesprächen und Hausbesuchen auch mit einem Bürgerfestwochenende im Bürgergarten am Knieperteich. Dazu befragte die Kandidatin 10.000 Bürger:innen in einer Umfrage zu ihren Vorstellungen für die Hansestadt. Im Laufe des Wahlkampfs verschwanden Rocksien-Riads Plakate in mehreren Straßenzügen über Nacht. Die Kandidatin stellte daraufhin Strafanzeige gegen Unbekannt. Dass während eines Wahlkampfes Plakate unerlaubt entfernt werden, sei nichts Neues, heißt es aus ihrem Wahlkampfteam. So viele Plakate wie zur diesjährigen Oberbürgermeisterwahl seien jedoch noch nie geklaut worden. Der Kandidat der Linken, Rechtsanwalt Marc Quintana Schmidt, beließ es gleich bei einigen wenigen Plakaten in der Hansestadt. Auf Großplakate verzichtete der Kandidat ganz. Er wolle nicht mit Pappe, sondern mit Argumenten punkten, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken in der Stralsunder Bürgerschaft. Unruhe in den Linken-Wahlkampf brachte zudem die Instagram-Seite „Die Linken Stralsund“, die im typischen Linken-Design Werbung für Gegenkandidatin Rocksien-Riad machte. Quintana Schmidt verurteilte die Aktion der unbekannten Seitenbetreiber:innen und fühlte sich als „nicht wählbar“ verunglimpft. Die Einschätzung des Wahlleiters dazu steht noch aus. Am Sonntag haben die 31 Stralsunder Wahllokale von 8 bis 18 Uhr geöffnet. An der Oberbürgermeisterwahl können Personen, die seit mindestens 37 Tagen in der Hansestadt ihren Wohnsitz haben und mindestens 16 Jahre alt sind, teilnehmen. Ab 18 Uhr wird dann im Löwenschen Saal des Rathauses das vorläufige Ergebnis präsentiert. Sollte es zu einer Stichwahl kommen, behalten die Wahlbenachrichtigungen ihre Gültigkeit. Stattfinden würde sie am 22. Mai. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!