Der Streit um das Containerterminal in Świnoujście (Swinemünde) spitzt sich zu. Anfang April gab es aus Polen eine öffentliche, wenn auch indirekte Antwort auf die deutschen Einwände. Marek Gróbarczyk, Staatssekretär für Infrastruktur, kündigte an, für das Terminal an der deutsch-polnischen Grenze eine neue Tiefseerinne und eine östliche Hafenzufahrt zu schaffen. Die würde möglichst weit von der Grenze entfernt liegen, sodass das Land Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr an der Planung beteiligt werden müsste. Gróbarczyk hatte sich wiederholt zu der Kritik aus Deutschland am Containerterminal geäußert. Im August letzten Jahres twitterte er: „Mecklenburg blockiert den Bau eines Containerterminals in Swinoujscie. Warum? Das muss wohl kaum erklärt werden... Ich möchte Sie daran erinnern, dass die mecklenburgische Regierung Russland und Gazprom beim Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 unterstützt hat.“ Rückblick Zur Erinnerung: Die polnische Regierung plant in Swinemünde ein gigantisches Containerterminal, das zum zweitgrößten Terminal der Ostsee werden und laut Staatssekretär Gróbarczyk in sechs bis sieben Jahren dem Hamburger Hafen Konkurrenz machen soll. Weil das Terminal nur 2,7 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt wäre, gibt es nach EU-Recht die Möglichkeit, eine binationale Umweltverträglichkeitsprüfung einzufordern. Das hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Herbst getan – aber statt eines Vorschlags für einen Termin, um ein gemeinsames Vorgehen zu planen, bekam sie vom polnischen Amt für Naturschutz ein 118 Seiten langes Gutachten vorgelegt, in dem jegliche grenzüberschreitenden Beeinträchtigungen bestritten werden. Bis Ende Februar sind rund ein Dutzend Einwendungen gegen das Gutachten beim Landeswirtschaftsministerium eingegangen. Sie sind online auf der Seite des Ministeriums veröffentlicht worden und kommen von Behörden, von den Gemeinden der Insel Usedom, von den Umweltverbänden BUND und Nabu, von Interessenverbänden wie dem Anglerverein und dem Tourismusverband. Und auch das Land hat eigene Eingaben gemacht: Das Lung, das Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie, sowie das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt haben Stellungnahmen abgegeben. Gutachten ist unvollständig Darin wird das Gutachten auch grundsätzlich kritisiert: So fehlen dem 118 Seiten langen Report alle Anhänge und Untersuchungen, auf die er sich bezieht. Darum bleibe laut dem Nabu beispielsweise offen, „wo genau Bodenproben entnommen wurden, nach welchem Standard und welchen Grenzwerten“. Die Umweltorganisation kritisiert auch die Struktur und den Aufbau des Textes, die schlechte Qualität der Übersetzung, fehlende Übersichts- und Detailpläne, die einen Überblick über die konkreten Planungen geben könnten. Das Fazit: „Der Nabu kann aufgrund der (…) Mängel die Einschätzung, dass der Standort des Containerterminals (…) für wertgebende Arten, geschützte Lebensräume und Schutzgebiete keine grenzüberschreitende Wirkung habe, nicht teilen.“ In dem sogenannten ESPOO-Bericht über die Umweltverträglichkeitsprüfung hatte es auf Seite 52 geheißen, dass ein monotoner Lebensraum, wie er momentan am Ort des Bauvorhabens vorhanden ist, für Fische weniger attraktiv sei als eine neu errichtete hydrotechnische Konstruktion. Das Terminal entfalte also nicht nur keine negativen Umweltauswirkungen, es verbessere sogar das Lebensumfeld der Fische. Das Lung weist diese Schlussfolgerung in seiner Stellungnahme zurück. Kritisiert wird auch, dass wichtige Aspekte in der Untersuchung ganz fehlen: So werde weder der zunehmende Schiffsverkehr untersucht noch die Auswirkungen auf betroffene europäische Schutzgebiete. Usedom setzt MVs Landesregierung unter Druck Am nachdrücklichsten gerät die Stellungnahme der Gemeinden der Insel Usedom: „Wir fordern Sie (…) auf, alles in Ihrer Macht stehende zu tun, um den Bau des Containerhafenterminals in Swinemünde zu verhindern“, heißt es darin. Dieser Appell richtet sich an das Land Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem die polnische Seite sich bislang nicht auf einen binationalen Prozess eingelassen hat, könnte MV nun bei der EU ein Schiedsverfahren anstrengen. Bisher ist unklar, ob sich das Land dazu entscheidet. Wenn nicht, gibt es einen Plan B: „Es kommt darauf an, wie entschlossen das Ministerium auf die Einwände reagieren wird“, sagt Simon Nagy, Mitarbeiter in Rechtsangelegenheiten der Gemeinde Heringsdorf. „Wenn das Land sich nicht für das Verfahren starkmacht, dann könnten wir selber als dritte Betroffene bei der EU klagen“, sagt er. „Und das behalten wir uns ausdrücklich vor.“ Landesregierung wartet ab Im Wirtschaftsministerium hofft man noch darauf, dass sich die polnische Regierung kooperativ zeigt. Es habe Ende Februar die fehlenden Unterlagen und Anhänge des Gutachtens angefordert und dabei noch einmal ausdrücklich bekräftigt, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern starkes Interesse an Konsultationen im Rahmen eines ESPOO-Verfahrens habe, heißt es auf Nachfrage. Jetzt wird gewartet. Simon Nagy von der Gemeinde Heringsdorf aber betont, dass es nun sehr schnell gehen müsse. „Sonst kann es sein, dass mit dem Baubeginn Fakten geschaffen werden.“ Noch aber gehe die Gemeinde davon aus, dass das Land sich auch für die Interessen der Insel einsetze. Auch wenn die von Polens Staatssekretär Gróbarczyk angekündigten neuen Pläne für eine östliche Zufahrt zum Containerterminal als Reaktion auf die Eingaben verstanden werden könnten. „Wir brauchen ein Containerterminal in Swinemünde – aber nicht dieses“ Aber die Schaffung einer neuen Tiefwasserrinne wäre aufwendig und würde Unsummen verschlingen. Wie wirtschaftlich das Terminal – nach alter wie nach neuer Planung – wäre und ob sich tatsächlich Investoren dafür finden, ist sowieso unklar. Rafał Zahorski ist Experte für maritime Wirtschaft und arbeitet als unabhängiger Berater des Marschalls der Woiwodschaft Westpommern für die See- und Binnenschifffahrtswirtschaft. Er befürwortet ein Terminal in Świnoujście grundsätzlich, hält aber die Größenordnung, von der Gróbarczyk ausgeht, für illusorisch: „Ich denke, Świnoujście könnte langfristig 500.000 Standardcontainer pro Jahr und damit etwa die Größe von Wilhelmshaven erreichen.“ Ein Gleichziehen mit Hamburg sei utopisch, eine neue, östlich gelegene Fahrrinne unnötig. Um ein richtig großer Hafen zu werden, fehle Swinemünde die Zugangsinfrastruktur: Autobahnen, Flussverkehr, vor allem aber eine Eisenbahnanbindung, die für den Containerverkehr geeignet sei. Das würden auch Investoren erkennen, die daher bisher auch ausblieben. Zahorski sagt, er würde der Ankündigung des Staatssekretärs von der östlichen Zufahrt nicht allzu viel Glauben schenken. „Im Herbst finden in Polen die Parlamentswahlen statt und was er sagt, klingt stark und entschlossen. Es ist im Prinzip aber nichts als Propaganda. Gróbarczyk hat schon das Blaue vom Himmel versprochen und nichts davon gehalten.“ Der Experte rät der polnischen Regierung, beim Containerhafen den Dialog zu suchen: „Ich denke, mit Diplomatie und gutem Willen würde sich eine Einigung finden lassen. Sowieso denke ich, dass wir in Europa viel mehr über europäische Strategien nachdenken und Probleme gemeinsam angehen sollten. Wir brauchen eine europäische Strategie für Logistik, zum Beispiel. Und dazu gehört auch der Containerhafen von Swinemünde.“ Weiterführende Artikel:

https://katapult-mv.de/artikel/die-grosse-hafenfrage

https://katapult-mv.de/artikel/ein-containerterminal-ohne-umwelteinfluesse-zu-schoen-um-wahr-zu-sein MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!