21.000 gegen 8. So beschreibt Thomas Pilgram den Konflikt, der derzeit in Waren für Unruhe sorgt. Pilgram meint damit die Zahl der Einwohner:innen Warens gegen die der privaten Grundstücksbesitzer:innen eines Abschnitts der Straße Am Seeufer, die parallel zum Müritzufer verläuft. Denn zwischen diesen acht Grundstücken und der Müritz ist schon seit Längerem ein Uferwanderweg in Planung. Wanderweg entlang der Straße beschlossen Einige Abschnitte dieses potenziellen neuen Weges existieren bereits. So etwa der Panoramablick, ebenfalls parallel zu „Am Seeufer“, und ein Wegstück, das vom Stadthafen auf das Gelände der Müritz-Marina führt. Um die noch vorhandenen Lücken, einmal zwischen Kuhtränke und Panoramablick und auf der anderen Seite zwischen Panoramablick und der Grundstücksgrenze der Marina, geht es. Im Jahr 2003 beschloss die Stadtvertretung, dass der Müritz-Wanderweg zwischen Kuhtränke und Hafen „entlang der Straße Am Seeufer“ – also uferfern – geführt werden soll. Eine „klare Aussage“, findet die Fraktionsvorsitzende der SPD in Waren, Christine Bülow. Auf diese damalige Entscheidung berufen sich auch die FDP und ihr Fraktionsvorsitzender Toralf Schnur, der einen der beiden Anträge zum Wanderweg für die Stadtvertreter:innensitzung diesen Mittwoch eingebracht hat. Der Müritz-Wanderweg sei „mit dem Ausbau der Straße Am Seeufer fertiggestellt worden“, betont er. Von einem Lückenschluss am Müritzufer zu sprechen, sei also fachlich falsch. Dementsprechend fordert der FDP-Antrag, die Grundstücke entlang des Ufers der Müritz „vom Bereich des Hafens (…) bis zur Hafenanlage des Angelsportvereins ‚Bleiche-Waren‘ e.V. den betroffenen Anliegern (…) zum Kauf“ anzubieten, „sofern sie den Bau des wasserseitigen Wanderwegs (…) betreffen“. Darüber hinaus sollen alle Grundstücksrechte der Stadt Waren in diesem Abschnitt gelöscht werden. Die FDP verlangt von der Stadt außerdem, dass der bereits zwischen Hafen und dem Grundstück der Müritz-Marina gebaute Weg wieder entfernt wird. Dieser sei beim Ausbau des Hafens „widerrechtlich gebaut worden“, argumentiert Schnur. Ohne Zustimmung der Stadtvertretung. „Alles, was nicht rechtmäßig ist, kann nicht bleiben“, findet Schnur. Zusätzlicher Paragraf zur Verpachtung eingefügt Die acht Privatgrundstücke, die an der Straße Am Seeufer zwischen Kuhtränke und Vereinsbootsschuppen liegen, reichen, wie ein Detailplan der betreffenden Uferlinie zeigt, nicht bis ans Wasser. Der Bereich zwischen Wasser und Grundstücken ist vielmehr im Besitz des Wasser- und Schifffahrtsamtes Elbe und wird seit vielen Jahren an die Stadt Waren verpachtet. Dieses Pachtverhältnis, genauer die Verlängerung des Pachtvertrages zwischen Stadt und Amt, brachte die Diskussion um einen Uferweg wieder auf die Agenda, erzählen Mitglieder der Stadtvertretung Waren übereinstimmend. Der Vertrag soll bis 2050 verlängert werden. Darin enthalten: ein neuer Paragraf, der es der Stadt unter anderem erlauben würde, Unterpachtverträge mit den betroffenen Anwohner:innen zu schließen. Das scheint erst mal ein Widerspruch zu sein, denn die Stadt steht dem Ausbau des Weges, wofür die Stücke am Wasser benötigt werden, nach eigenen Angaben positiv gegenüber. Sollte der Paragraf, wie der Finanz- und Grundstücksausschusses Waren empfiehlt, jedoch herausfallen, könnten sich die Anwohner:innen wegen einer Pacht der Uferbereiche direkt an das Wasser- und Schifffahrtsamt wenden. Und womöglich Pachtverträge über Jahrzehnte abschließen. Mit dem Paragrafen trifft die Stadt die Pachtentscheidungen, auch über die Laufzeit der Verträge. Damit halte sie sich alle Optionen offen, kommentiert Bülow. Es könnten zum Beispiel kürzere Pachtverträge geschlossen und damit der Uferwanderweg schlussendlich doch noch umgesetzt werden. So löse sich der Widerspruch durch die Hintertür auf. Gefährliche Verkehrssituation für Fußgänger:innen Dafür, dass auf dem Abschnitt zwischen Kuhtränke und Stadthafen ein durchgängiger, ufernaher Weg entsteht, setzt sich mit einem Antrag in der Stadtvertretungssitzung diesen Mittwoch die Fraktion der Grünen ein. Darin wird nicht nur eine Änderung des Beschlusstextes von 2003 gefordert – den Wortlaut „Vom Hafen bis zur Kuhtränke straßenläufig entlang der Straße am Seeufer“ zu „Vom Hafen bis zur Kuhtränke ufernah“ zu ändern –, sondern auch die unverzügliche Realisierung des ufernahen Weges mit Fertigstellung bis spätestens 2025. Zudem soll die Unterverpachtung an die Anlieger:innen der betreffenden Grundstücke „Am Seeufer“ aus dem Beschluss gestrichen werden. Die Grünen begründen ihren Antrag mit den über die vergangenen 20 Jahre veränderten Gegebenheiten vor Ort. Den Wanderweg an der Straße „Am Seeufer“ entlangzuführen, sei nicht mehr zeitgemäß und mit der gewandelten Verkehrssituation dort nicht mehr vereinbar. So habe sich in den letzten Jahren etwa die Zahl der Fahrradfahrer:innen, die dort unterwegs sind, verdoppelt, so der Fraktionsvorsitzende der Grünen in Waren, Stefan Dahlmann. Die ufernahe Wegeführung würde aus seiner Sicht die Gefahr für Fußgänger:innen senken, der derzeitige Weg an der Straße sei ein „inakzeptables Nadelöhr“. Die Stadtverwaltung stützt diese Argumentation. Es handele sich „trotz der Neuordnung des Fahrradverkehrs“ auch weiterhin um „eine stark frequentierte und belebte Straße“. Toralf Schnur von der FDP lässt diese Argumentation nicht gelten. Es gebe keine Belege für eine gefährliche Verkehrssituation, sagt er, zum Beispiel eine Unfallstatistik oder dergleichen. Letzteres habe ihm auch die Stadt bestätigt. „Reine Partikularinteressen“ der Anwohner:innen Für Dahlmann ist die Verkehrssituation jedoch nicht das einzige Argument für den Weg am Ufer. Denn der Wanderweg führe zum bald neu eröffnenden Heilwald. Werde er am Ufer geführt, so bilde er einen wesentlich attraktiveren Zugang für Besucher:innen als der Weg an der Straße. Das sieht auch Thomas Pilgram, Mitglied einer freien Bürgergruppe, so. Diese hatte sich im Januar 2022 gegründet und setzt sich mit ihren 19 Mitgliedern ebenfalls für den Ausbau des Uferwanderwegs ein. Das Ufer sollte den Menschen öffentlich zugänglich sein, findet er. Mit seiner Meinung steht Pilgram nicht alleine da. Sowohl im Integrierten Stadtentwicklungskonzept 2030 als auch im Kurortentwicklungskonzept der Stadt Waren findet sich der Ausbau des Uferwanderwegs als zentrale Maßnahme. Der Ort erfahre damit eine „touristische Attraktivitätssteigerung“, heißt es dort etwa. Partikularinteressen – in diesem Fall der acht privaten Grundstückseigentümer:innen – sollten nicht „vor Partizipation der Bevölkerung gestellt werden“, ist sich Pilgram sicher. Von „Partikularinteressen“, also Interessen Einzelner, spricht auch Stefan Dahlmann von den Grünen. Sowohl er als auch Pilgram betonen, dass der Streifen am Ufer nicht zu den Grundstücken der Anwohner:innen gehöre, es also dementsprechend keine Ansprüche ihrerseits oder Probleme im Hinblick auf den Weg geben sollte. Dass die Anlieger:innen sich jetzt vehement gegen den Ausbau wehrten, liege daran, dass sie bisher auch die Stücke bis zum Seeufer, also über ihre Grundstücksgrenzen hinaus, privat genutzt hätten. FDP: Investitionshemmnis durch Grundstücksrechte der Stadt Sowohl die FDP als auch Christine Bülow von der Warener SPD glauben dagegen nicht an einen unproblematischen Lückenschluss. Ein Ausbau der „winzig kleinen“ Strecke bringe unendliche Probleme mit sich, so Bülow. Spaziergänger:innen müssten bei Nutzung des Weges nicht nur über das Betriebsgelände der Müritz-Marina, sondern auch hinter Bootsschuppen – nicht direkt am Wasser – hindurch. Dazu sei der Streifen am Ufer höchstens zwei bis drei Meter breit. Von Spazieren auf einem breiten Weg könne daher nicht die Rede sein. Zudem würde mit dem Ausbau auch die Fläche am Ufer versiegelt, wendet Toralf Schnur ein. Dass das im Sinne der Grünen sei, wundere ihn. Er gibt auch Bülow recht. Ein Uferwanderweg führe, seiner Einschätzung nach, zu 60 Prozent nicht am Ufer entlang. Nach Betriebsgelände, Fischereibetrieb und dem Vereinsbbootsschuppen gebe es erst am Panoramablick wieder eine Sicht auf die Müritz. Inwieweit dann überhaupt von einem Uferweg gesprochen werden könne, stelle er infrage. Für die FDP stehen aber auch wirtschaftliche Punkte einem Ausbau entgegen. So heißt es im Beschlussantrag, dass „das Vorhandensein von Grundstücksrechten der Stadt faktisch ein Investionshemmis“ insbesondere für größere Anlieger darstelle. Für eine wirtschaftliche Weiterentwicklung müsse dieses Hemmnis zwingend beseitigt werden. Namentlich genannt sind dabei die Müritz-Marina und die Müritzfischer. Auf Nachfrage von KATAPULT MV bestätigt der Geschäftsführer der Marina, Joachim Nierste, dass er dem weiteren Ausbau des Uferwanderweges ablehnend gegenüberstehe, und übt Kritik an der Stadt Waren. Der Verlauf sei bis heute nicht mit ihnen abgestimmt worden, man warte zudem seit einem Jahr auf das Bauamt, erzählt er. Spazieren im „Nirgendwo“ Der bereits bestehende kurze Weg vom Stadthafen verläuft bisher bis zu Nierstes Grundstücksgrenze. Der neue Abschnitt soll dann quer über sein Betriebsgelände führen. Sollte der Weg weiter wie geplant ausgebaut werden, müsse er diesen perspektivisch aus Sicherheitsgründen einzäunen. Aber schon jetzt, ohne Ausbau, landeten Tourist:innen bei ihm auf dem Gelände, zwischen Treckern und Geräten, wie er erzählt, und wundern oder beschweren sich über den Weg. So wie es jetzt ist, mache es keinen Sinn, findet Nierste. Sollte der Weg nicht weiter ausgebaut werden, unterstützt er den Vorschlag der FDP, das bereits bestehende Wegstück zwischen Hafen und seiner Grundstücksgrenze wieder zurückzubauen. Die Leute „landen ja im Nirgendwo“. Kommt es doch zur Entscheidung für den Ausbau, so betont er, dass das jetzige Vorgehen, immer Teilstücke fertigzustellen, aus seiner Sicht keinen Sinn ergebe. Sollte alles insgesamt ausgebaut werden, sei das aber wieder eine andere Frage. Hauptsache, Entscheidung Eine Gegenposition zum Ausbau des Uferweges nehmen aber, entgegen der Darstellung der FDP, nicht beide der angeführten Unternehmen ein. So äußerte der Geschäftsführer der Müritzfischer, Jens-Peter Schaffran, gegenüber KATAPULT MV, dass seine Firma durchaus mit beiden Varianten – mit oder ohne Ausbau – leben könnte. „Für uns ändert sich nichts“, sagt er. Nur eine Entscheidung solle bitte endlich getroffen werden. Und an die Entscheider:innen gerichtet: „Eiert doch bitte nicht 20 Jahre rum.“ MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!