Seit Freitagabend steht das CDU-Programm für die Landtagswahl. Die Union in Meck-Vorp verspricht den Wählern: „In diesem Wahlprogramm machen wir den Menschen ein ehrliches, umsetzbares Angebot.“ Das „ehrliche und umsetzbare Angebot“ der CDU beinhaltet auch eine nicht so leicht umsetzbare Idee: Der Wolf soll ins Jagdrecht aufgenommen und damit leichter „reguliert“, also geschossen werden können. Das Ansinnen ist nicht neu. Seit Jahren fordern Schafzüchter und Bauern einen Eingriff in die wachsende Wolfspopulation zum Schutz ihrer Nutztiere. Die Behörden lehnen dies jedoch nach wie vor ab und verweisen auf den strengen Schutzstatus des Wolfs seit 1979. Angst und Schrecken im Interview mit der Schweriner Volkszeitung Trotzdem zögert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Interview mit der Schweriner Volkszeitung nicht, den Wahlkampf ihrer Partei mit ein bisschen Angst und Panik zu würzen. Mit den Worten „Ich will keine Ängste schüren. Wenn Pferde und Kühe schon gerissen werden, kann ich sehr gut nachvollziehen, dass Eltern um ihre Kinder besorgt sind“ oder „Aber fragen Sie doch mal die Dorfbewohner, über deren Straßen Wölfe streifen, die Angst um ihre Kinder haben“ antwortet die Ministerin auf die Steilvorlage des SVZ-Redakteurs, der gefragt hatte: „Auf dem Land verbreitet der Wolf Angst und Schrecken. Kürzlich rissen wohl Wölfe eine Kuh. Unmittelbar daneben spielen normalerweise die Bauernkinder. Ist das die neue Realität auf dem Land, mit der man sich abfinden muss?“ Obergrenze für Wölfe in Deutschland umstritten bis unmöglich Die Realität, mit der man sich abfinden muss, auch wenn man einen Ministerposten innehat, ist nämlich eine andere. Das weiß auch Meck-Vorps Umweltminister Till Backhaus (SPD), der trotz stetiger Kritik nicht müde wird, immer und immer wieder die gleich Platte abzuspulen: Eine Obergrenze für Wölfe mache noch keinen Sinn. Der Wolf ist in der EU streng geschützt. Ein guter Erhaltungszustand, wie ihn Klöckner deklariert, sei noch nicht gegeben. Und: Die Maßnahmen zum Schutz der Weide- und Nutztiere müssen tatsächlich von den Tierhaltern umgesetzt werden. Und jeder, der einen „Problemwolf“ schießen möchte, muss seinen Antrag von der Staatsanwaltschaft prüfen lassen. Laut Klöckner sei ein guter Erhaltungszustand des Wolfs in einigen Bundesländern bereits erreicht. Ein Grund für die CDU, den Wolf ins Jagdrecht aufnehmen zu wollen, um so den Bestand unkomplizierter zu „regulieren“. Zahl der getöteten Nutztiere steigt wie die Zahl der getöteten Wölfe Das Problem: Allein in Mecklenburg-Vorpommern wurden im vergangenen Jahr bei Wolfsangriffen 441 Nutztiere getötet. Bundesweit waren es laut Backhaus 2.891. Betroffen seien neben Schafen auch Rinder, Pferde und Gatterwild. Bislang gibt es in Mecklenburg-Vorpommern 15 Wolfsrudel, etliche Wolfspaare und mehrere Einzelgänger. Dazu kommen im Frühjahr viele Jungtiere; 2020 waren es 36 Wolfswelpen, in diesem Jahr gibt es bislang 16 Welpen. Wenn die jungen Wölfe sich vom Rudel lösen, erweitern sie beim Auszug ihr Revier – auch über Landesgrenzen hinweg. Das Territorium mindestens eines Rudels aus MV erstreckt sich über das Bundesland hinaus. Experten zufolge steigt der Wolfsbestand in Deutschland jährlich um rund 30 Prozent. Die meisten Wölfe leben in Ostdeutschland und in Niedersachsen. Mit der Zahl der Wölfe steigt auch die Zahl der Nutztierrisse. Und: Ebenso steigt die Zahl der getöteten Wölfe – ganz ohne Klöckners Lizenz zum Töten. In den letzten 21 Jahren wurden in Mecklenburg-Vorpommern allein 29 Totfunde von Wölfen registriert. Laut der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) wurden davon vier Tiere illegal getötet, 22 Wölfe starben bei Verkehrsunfällen, ein Wolf auf natürliche Weise und bei einem Totfund sei die Ursache ungeklärt. Im Rahmen des Wolfsmanagements wurde in MV in diesem Zeitraum ein Wolf geschossen. Vor allem auf den Straßen werden die Wölfe auch immer öfter zur unfreiwilligen Zielscheibe. Allein in den letzten Monaten wurden in Mecklenburg-Vorpommern sechs Wölfe beim Zusammenstoß mit Autos und Lkw getötet, zuletzt auf der A24 bei Hagenow. Tötungsanordnungen selten und nur bei unmittelbarer Gefahr Im April letzten Jahres wurde bei Schwaan (Landkreis Rostock) eine Wolfsfähe auf Anordnung geschossen, die sich mehrfach mit einem Hund gepaart haben soll. Aus Angst vor einer Hybridisierung, einer Vermischung von Hund und Wolf, stimmte das Landesamt für Landwirtschaft und Umwelt der Tötung zu. Trächtig war die Fähe nach Angaben des Ministeriums zu dem Zeitpunkt nicht, vorherige Versuche, das Tier einzufangen, waren fehlgeschlagen. Tödliche Wolfsangriffe auf Menschen gab es in den vergangenen 70 Jahren gerade einmal vier. In ganz Europa. Die Rhetorik, man müsse den Wolfsbestand besser regulieren, damit niemand um seine Kinder fürchten muss, scheint mehr berechneter Wahlkampf der CDU zu sein, um die Wählerstimmen der Viehhalter und Bauern zu sichern, als begründeter Angst vor dem Wildtier Wolf. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!