Es betrifft einen vergleichsweise kleinen Anteil der Geflüchteten aus der Ukraine, aber diese ein- bis zweitausend Menschen in MV stehen jetzt vor einem existenziellen Problem: Weil sie keinen ukrainischen Pass haben und ab dem 1. September neue Regelungen gelten, laufen sie Gefahr, ausreisepflichtig zu werden. Davor warnt der Landesflüchtlingsrat. Bisher sah die sogenannte Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung (UAÜV) vor, dass sich alle Geflüchteten aus der Ukraineohne Visum und Aufenthaltstitel in Deutschland aufhalten dürfen. Das ändert sich ab morgen. Dann sieht eine Neuregelung der UAÜV vor, dass Menschen ohne einen ukrainischen Pass, die sich länger als 90 Tage in Deutschland aufgehalten haben und noch keine Aufenthaltserlaubnis vorweisen können, ausreisepflichtig werden. Es geht um den Pass Dazu gehören Studierende zum Beispiel aus West- und Nordafrika und der Türkei, die sich zuvor in der Ukraine aufgehalten haben und denen ein Studium in ihrem jeweiligen Herkunftsland aus politischen oder sozioökonomischen Gründen verwehrt ist, erklärt Ulrike Seemann-Katz vom Landesflüchtlingsrat. Zur Gruppe gehören zudem Geschäftsleute aus Vietnam und Menschen, die sich den repressiven Regimen in Minsk und Moskau entzogen haben, aber auch Arbeitnehmer:innen aus Usbekistan und anderen Staaten. Hinzu kommen staatenlose Menschen, unter anderem Angehörige der Rom:nja-Minderheit, die ihr gesamtes Leben in der Ukraine verbracht haben. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums umfasst die betroffene Gruppe ohne Pass etwa drei Prozent der geflüchteten Menschen aus der Ukraine, das sind etwa 29.000 Personen. Aber egal, um welche Gruppe es sich handelt, nach Auffassung der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und der Flüchtlingsräte der Bundesländer sind sie „vor denselben Bomben aus der Ukraine geflohen und müssen gleich behandelt werden“. Wiebke Judith, Teamleiterin Recht und Advocacy bei Pro Asyl, fordert, dass alle Geflüchteten den gleichen Schutz bekommen „und die Sicherheit, sich in Deutschland eine Perspektive aufbauen zu können“. Das gehöre zu dem von der Bundesregierung versprochenen Kurswechsel in der Asyl- und Migrationspolitik. Bis dahin können Betroffene durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis wenigstens bis zur Entscheidung darüber legal im Land bleiben, heißt es vom Flüchtlingsrat MV. Dann gelte eine sogenannte Fiktionsbescheinigung. Berlin als Vorbild Das Land Berlin erteilt zumindest allen studierenden Drittstaatsangehörigen aus der Ukraine bereits eine solche Fiktionsbescheinigung, mit der sie sich sechs Monate lang weiterhin legal in Deutschland aufhalten dürfen. Der Berliner Flüchtlingsrat sieht in dieser Regelung einen „Schritt in die richtige Richtung“. Aber auch der sei nicht langfristig gedacht. Denn für viele sei es in sechs Monaten bürokratisch kaum möglich, einen Hochschulzugang zu bekommen. Sei es wegen zu hoher Sprachanforderungen oder Bewerbungsfristen an den Hochschulen.
Man müsse langfristig eine bundesweit geltende Regelung finden und dürfe nicht unterschiedliche Regelungen pro Bundesland entwickeln, meint Wiebke Judith von Pro Asyl. Fiktionsbescheinigung als Übergangslösung verlängern Laut der Menschenrechtsorganisation und den Landesflüchtlingsräten wäre eine Fiktionsbescheinigung für ein Jahr ein erster hilfreicher Schritt. In zwölf Monaten gebe es eine realistische Chance, die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis zu erfüllen. Es geht auch um Fachkräfte Während es den einen um den Schutz der Menschen vor einer Abschiebung in ein Kriegsgebiet geht, sehen die anderen auch das Fachkräftepotenzial für Deutschland: Viele Geflüchtete bemühen sich um Arbeit, Ausbildung oder ein Studium. Deutschland wiederum brauche jährlich etwa 400.000 Menschen, um den Bedarf an Fachkräften zu decken, geben Pro Asyl und die Flüchtlingsräte in einer gemeinsamen Erklärung zu bedenken. „Es wäre also ein paradoxer Schritt, Menschen, die bereits hier sind, abzuschieben“, ergänzt Seemann-Katz vom Flüchtlingsrat MV. In der Ukraine sei die Erwerbslosigkeit gerade extrem angestiegen. Dabei seien vor allem Menschen aus anderen Staaten sowie Rom:nja betroffen. Daher wolle es ein Großteil von ihnen in sicheren anderen Ländern versuchen. Die jetzt betroffenen Menschen aus der Ukraine sind eine neue Gruppe, die sich einreiht in eine lange Liste: Denn nicht nur dort herrscht gerade Krieg. Auch in Syrien, Afghanistan oder Eritrea ist es so. Und auch Menschen, die aus diesen Ländern geflüchtet sind, laufen nach wie vor Gefahr, abgeschoben zu werden und wieder dorthin zurückkehren zu müssen. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!