Sie heißen Memelenburg, Vorpomeme oder Memeministerium MV. Stralememe, Rügenmemes, oder Neubrandenburgmemes. Es geht ihnen um Identität, Viralität, Politik und Provokation. Ihr Mittel: Klischees, Sarkasmus und urheberrechtsgeschützte Inhalte. Ihre Plattform: Instagram. Ihre Endgegner: Algorithmen und die Missgunst derer, die die Kanäle bei den Plattformbetreibern wegen Urheberrechtsverletzungen melden. Das Meme, ein zeitgenössisches Kultur- und Medienphänomen, geht zurück auf das griechische Wort „mimema“. Das bedeutet in etwa so viel wie „Nachahmung“. Um Memes verstehen und entziffern zu können, muss man mit dem Kontext vertraut sein. Meist wird ein Foto oder Detail reproduziert, abgeändert oder im Kontext verrückt, mit entsprechendem Witz oder Textinhalt ergänzt und dann im Netz verbreitet  – mit Erfolg. Memes haben es aus den Blasen der Subkulturen in die breite Öffentlichkeit geschafft. Sie sind mittlerweile mehr als witzige Bilder im Internet, haben massive Auswirkungen auf die Gesellschaft und sind ein zentrales Medium der Kommunikation geworden, über das gesellschaftliche Prozesse verhandelt werden. Memes helfen sogar bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, hat jüngst eine Studie herausgefunden: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass [...] Memes nicht nur ein alberner Spaß sind, sondern dass sie möglicherweise hilfreich sind, um den Stress einer globalen Pandemie zu bewältigen und uns psychologisch zu verbinden, während wir physisch getrennt bleiben“, lautet die Schlussfolgerung der beteiligten Wissenschaftler:innen. Gute Memes zum bösen Spiel Was man gut findet, worüber man lacht, was man ablehnt oder was als normal betrachtet wird, erörtern Memes heute auch im Mainstream – auf Kosten bekannter Personen wie Merkel, Laschet oder Trump und in MV eben mit Philipp Amthor, Patrick Dahlemann, Michael Sack und Manuela Schwesig. Denn auch Meck-Vorp bietet genügend Meme-Material für rund zwanzig aktive Profile, die sich mit Mecklenburg-Vorpommern, der Politik, der Dorfjugend, Nazis, Korruption oder „Wessi-Touristen“ auf humorvolle Art auseinandersetzen. Ihre Betreiber:innen bleiben zumeist anonym, eventuelle Parteizugehörigkeiten sind dabei nicht ausgeschlossen, denn das politische Tagesgeschehen bietet auch in Meck-Vorp viel Meme-Potenzial. Offiziell dementieren die Parteien in MV jedoch, eigene Meme-Seiten zu betreiben. Insgesamt folgen den aktiven Meme-Accounts aus Meck-Vorp bei Instagram um die 50.000 Menschen. Alle Landtagsfraktionen zusammen kommen dabei nur auf knapp 7.000 Follower.  Über ihren Sinn und Zweck gehen die Meinungen weit auseinander. Mal ist es Provokation, mal blanker Hedonismus und Pöbelei – von einer Medienwirkung und politischen Haltung können sie sich jedoch nicht frei machen. Sie nehmen teil am aktuellen Diskurs, an der Medienwelt und Politik, im Großen und vor allem im Kleinen. Am meisten zielen die Inhalte aus Meck-Vorp auf die lokale Politik oder die eigene Stadt oder gar Stadtteile ab. Plakativ, witzig und immer auch ein bisschen gemein oder sarkastisch. Sie beanspruchen keine Neutralität, halten sich an kein journalistisches Ethos, sondern vertreten eigene Meinungen, Werte und Interessen. „Memes haben die politische Kommunikation demokratisiert“, heißt es in einer Analyse. Denn jeder kann heutzutage eine Meme-Seite auf Instagram kostenfrei gründen und sich ein Publikum aufbauen. Geliebt, gelobt, gemeldet Mit einem passenden Meme auf tagesaktuelle Geschehnisse antworten zu können, ist eine Art Internet-Schlagfertigkeit, die keine Grenzen kennt. Auch nicht die des Gesetzes. Weil mit Memes Bilder, Töne oder Videos von Menschen verändert und ins Internet hochgeladen werden, kollidieren sie mit dem Urheberrecht. Eine aufstrebende Meme-Seite aus Vorp fiel dem gerade zum Opfer. „Stralememe“ aus Stralsund ging Mitte Oktober an den Start – mit Erfolg. „Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen und sind rasant gewachsen“, so die Stralsunder Meme-Macher:innen. Mitte November wurde die Seite von Instagram wegen Urheberrechtsverletzungen gesperrt.  Von wem sie gemeldet wurden, meinen die Betreiber:-innen zu wissen, ging der Sperrung doch ein längerer Disput mit der Hansestadt voraus. Denn vorrangiges Thema ihrer Memes war die städtische CDU um Oberbürgermeister Alexander Badrow. Man amüsierte sich über aktuelle Themen wie den Disco-Gipfel, die Aufforstungsbemühungen der Stadt, den Umweltskandal am Deviner Strand, den Niedergang der Baukultur, das geheime Rezept des Bismarckherings und über Badrow an sich. „Wenn die Ostsee-Zeitung es nicht schafft, kritisch über den Disco-Gipfel von Alexander Badrow zu berichten, ist das eben unser Auftrag“, sagen die Köpfe hinter Stralememe. „Die Stadt hat uns vorgeworfen, ein bloßer Bashing-Account zu sein, aber wir sind viel mehr.“ Sie teilten bei Instagram ihre bissigen Chats mit dem Account der Hansestadt – der aktuell den Wahlkampf für den langjährigen Oberbürgermeister Badrow zur Wiederwahl hochfährt. Die Stadt bloßgestellt, knackte Stralememe anschließend die tausend Follower. „Memes sind eben auch Kunst“, meinen sie dort. „Sie sind eine Art und Weise, wie unsere Generation politische Kritik und Diskurs übt – und das ist keine Kritik von Politikwissenschaftlern, sondern von verängstigten, jungen Menschen. Als Bürgermeister sollte man das aushalten können.“ Die Betreiber:innen hoffen, ihren Account bald wieder nutzen zu können. Durch den Austausch mit anderen Meme-Macher:innen aus Meck-Vorp wissen sie: Es könnte klappen. Mundtot machen könne man die Meme-Ersteller:innen nicht so einfach. Das zeigt auch die Neuauflage „Stralememe 2.0“: „Wir lassen uns nicht von zugezogenen Sachsen im Wahlkampfmodus fertig machen. Dann kommen wir eben aus der Versenkung wieder.“  Dieser Artikel erschien in Ausgabe 3 von KATAPULT MV.   MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!