Die MIR Solutions GmbH ist eines von vier Unternehmen, die in MV E-Scooter verleihen. Anders als die Branchenriesen mit den Marken „Tier“, „Lime“ und „Voi“, stecken hinter dem Start-up die Jungunternehmer Adrian Merker und Jakob Richter. Die Rostocker gründeten die Firma im September 2017, um in ihrer Stadt einen Carsharing-Dienst anzubieten. Im September 2020 begannen Richter und Merker unter der Marke „Moin“ auch mit dem Verleih von E-Rollern in Rostock. Ein Jahr später kamen Schwerin, Stralsund, Greifswald und Neubrandenburg dazu. Das Prinzip ist simpel: Über eine App kann ein Roller ausgeliehen werden, die Rückgabe darf nur innerhalb vorgegebener Entleihzonen erfolgen. Die Hansestadt Wismar ist in den Apps des Unternehmens bislang nicht zu finden. Dass es dort weder Carsharing-Angebote noch E-Roller gibt, liegt aber nicht am fehlenden Interesse. Ganz im Gegenteil. MIR Solutions will durchaus nach Wismar expandieren. „Unser Eindruck ist, dass die Stadt Wismar neue Mobilitätsangebote nicht haben möchte“, erzählt MIR-Geschäftsführer Adrian Merker resigniert. Absage für „Moin“ in Wismar Merker und Richter waren im vergangenen Jahr an die Verwaltungen aller größeren Städte in MV mit dem Anliegen herangetreten, ihre Mobilitätsangebote dort einzuführen. Die Reaktionen seien sehr unterschiedlich ausgefallen, berichtet Merker. Während etwa aus Greifswald eine positive Rückmeldung kam und die Angebote dort nun verfügbar sind, erhielt das Unternehmen aus Wismar eine schriftliche Absage. Die Roller einfach so ohne Genehmigung aufzustellen, kommt nicht infrage. Diese „würden (...) sofort eingesammelt“, weiß Merker. Auf Dialogangebote des Unternehmens reagierte das Wismarer Rathaus abweisend. Möchte Bürgermeister Thomas Beyer (SPD) keine E-Roller in seiner Stadt? „Das ist der Eindruck, der sich bei uns eingestellt hat“, so Merker. Wismar: Voraussetzungen für Roller in der Altstadt ungünstig Während das Unternehmen noch auf einen Dialog mit der Stadtverwaltung hoffte, um einen Kompromiss auszuhandeln, gelangten die E-Roller im vergangenen Jahr auf die Tagesordnung der Bürgerschaft. Die Linksfraktion hatte im August 2021 einen Antrag gestellt. Der Bürgermeister sollte demnach prüfen, ob und wie Anbietern von Elektrokleinstfahrzeugen in Wismar ein geordnetes Angebot zu deren Vermietung gemacht werden könne. Die Initiative fand jedoch keine Mehrheit. Die Stadtverwaltung hatte sich zuvor abweisend positioniert. „Die Anbieter bedürften einer Sondernutzungserlaubnis“, hieß es. Aufgrund der Straßenverhältnisse in der Altstadt seien die Voraussetzungen für „das Befahren und die in Anspruch zu nehmenden Flächen zum Auf- bzw. Abstellen dieser Art der Elektrokleinstfahrzeuge nicht (ausreichend) gegeben“. Außerdem gingen damit „enorme Einschränkungen/Behinderungen für den bestehenden Fuß- und Radverkehr“ einher. Entsprechende Anträge auf eine Sondernutzungserlaubnis seien bisher zudem nicht gestellt worden. MIR Solutions stellte daraufhin seinen Antrag. Dabei hatte das Unternehmen der Stadt sogar angeboten, die gesamte historische Altstadt zur rollerfreien Zone zu erklären. In den sogenannten Sperrzonen lassen sich die Mietroller des Unternehmens dann nicht parken. Alternativ hätten sie dem Rathaus auch die Einrichtung von festen Mobilitätsstationen vorgeschlagen. Doch auch dafür fehlt es in Wismar im öffentlichen Raum angeblich am notwendigen Platz. Der Antrag wurde deshalb im März abgelehnt. Gegenüber KATAPULT MV war die Verwaltung trotz zweimaliger Anfrage nicht zu einer Stellungnahme bereit. Regulieren statt verbieten In Meck-Vorp sind die Städte, in denen es E-Roller zum Mieten gibt, auf Regulierung bedacht. So arbeitet etwa die Hansestadt Rostock statt mit Genehmigungen mit freiwilligen Vereinbarungen auf Basis einer Vorlage des Deutschen Städte- und Gemeindebundes und des Deutschen Städtetages. An der Warnow konkurrieren gleich vier Anbieter um Kund:innen. Jeder darf maximal 500 E-Scooter aufstellen. Anbieterübergreifend hat die Verwaltung Kontingente für die Innenstadt (500 Roller) und Warnemünde (120 Roller) definiert. „Darüber hinaus wurde vereinbart, dass ein Drittel der Flotte jeweils außerhalb von Innenstadt und Warnemünde in Verkehr gebracht werden muss“, erläutert Steffen Nozon vom Amt für Mobilität. In welche Stadtteile die Anbieter gingen, sei ihnen überlassen. In Schwerin verwahrte sich die Verwaltung nach anfänglichem Dialog mit Merkers Unternehmen gegen die Roller. Die Landeshauptstadt vertritt wie das Wismarer Rathaus den Standpunkt, dass das Anbieten von Leihrollern eine Sondernutzungserlaubnis voraussetze. Die hatte MIR Solution nicht inne, als ihre Mitarbeiter:innen vergangenes Jahr in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die ersten Roller im Stadtgebiet verteilten. „Es handelte sich um ein Missverständnis“, sagt Merker heute. Schuld soll eine mehrdeutige Formulierung in einer Nachricht der Landeshauptstadt gewesen sein. Nach einer Aussprache wurden sich die Parteien nach Aussage Merkers dann aber einig. „Im Ergebnis wurden Eckpunkte mit dem Betreiber, ähnlich einer selbstverpflichtenden Vereinbarung, abgestimmt“, berichtet Heiko Hawel vom Fachdienst Verkehrsmanagement Schwerin. Die Verwaltung der Landeshauptstadt setzt auf eine zahlenmäßige Begrenzung der Leihroller. Nach internen Abstimmungen über Abstellverbotszonen, der Festlegung von Sammelstellen und einer für Schwerin bindenden Obergrenze (300 E-Scooter) erteilte die Verwaltung dem Unternehmen im März 2022 eine Sondernutzungserlaubnis für den Einsatz von 100 E-Scootern. „Auf behördliche Nachfragen reagiert der Betreiber seit jeher schnell und kooperationsbereit“, lobt Hawel. Mehr E-Roller, weniger Auto? Ob E-Roller tatsächlich zu einer Reduzierung des PKW-Verkehrs beitragen, ist umstritten. Verkehrsforscher:innen der ETH Zürich fanden jüngst heraus, dass Menschen zumindest in der Schweizer Metropole die E-Scooter vor allem zur Bewältigung kürzerer Wegstrecken nutzten. Diese legten sie zuvor zu Fuß, per Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Die Roller würden deshalb mehr CO2 ausstoßen als die Verkehrsmittel, die sie ersetzen. Anders verhalte es sich mit privaten E-Scootern. Diese würden auch häufiger mal anstelle des Autos genutzt, so die Studie. Adrian Merker sind solche Untersuchungen nicht verborgen geblieben. „Wir wollen ein zusätzliches Mobilitätsangebot schaffen“, sagt er gegenüber KATAPULT MV. Nachhaltigkeit sei den Rostocker:innen wichtig. Dass Menschen wegen der Leihroller von jetzt auf gleich den privaten PKW abschaffen, erwarte Merker jedoch nicht. Allerdings habe eine Befragung der Hansestadt Rostock ergeben, „dass 20 Prozent der Teilnehmer:innen (...) E-Scooter für Fahrten nutzen, die sie früher mit dem Auto zurückgelegt haben“. Außerdem verweist Merker darauf, dass die Zürcher Forscher:innen den Lebenszyklus eines Rollers nur mit 1,9 Jahren taxiert hätten. Seine Firma kalkuliere hingegen mit drei bis fünf Jahren Lebensdauer. „Wir können jedes der 200 Einzelteile austauschen.“ Aus Sicht der Schweriner Stadtverwaltung ist der Beitrag der E-Roller zur Verkehrswende als gering einzuschätzen. Die E-Scooter seien nur bedingt als ein weiteres Mobilitätsangebot im Zuge der Weiterentwicklung umweltfreundlicher und innovativer Mobilitätsformen anzusehen. „Von den Leihrollern profitiert eher der Freizeitbereich“, meint Verkehrsmanager Heiko Hawel. Dennoch stehe die Verwaltung einem Verleihsystem für E-Scooter nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!