Theoretisch hätte Brüssel am 25. März verbindliche Ziele zur Wiederherstellung der Natur verabschiedet. Überdüngte landwirtschaftliche Flächen, begradigte Flüsse und entwässerte Moore – bis 2030 wollte die EU mindestens 20 Prozent der geschädigten Ökosysteme wieder in einen gesunden Zustand bringen. Das Besondere: Nicht nur in Naturschutzgebieten – auch auf genutzten Flächen sollte sich die Natur wieder erholen können. Tatsächlich jedoch wurde die finale Abstimmung der Umweltminister, die in der EU eigentlich als Formsache gilt, am Montag abgesagt. Mehrere Mitgliedstaaten, darunter Ungarn und Italien, gaben bekannt, gegen das Gesetz stimmen zu wollen. Auswirkungen des EU-Gesetzes auf MVs Natur Das EU-Gesetz hätte auch in Mecklenburg-Vorpommern gegriffen – fast zwei Drittel der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Vizepräsident des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern Manfred Leberecht sieht das Gesetz als „Rückschritt für die Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz“. Zwar erkenne der Verband die Herausforderungen des Klimawandels und des Biodiversitätsschutz an, doch „der Ansatz des Gesetzentwurfs, der auf Wiederherstellung, Verboten und Auflagen basiert, ist aus unserer Sicht kontraproduktiv“.
Nach Schätzungen der EU sind rund 80 Prozent der Ökosysteme in der Europäischen Union in schlechtem Zustand. Das Gesetz hatte festgelegt, dass alle Länder in der EU bis 2030  mindestens 30 Prozent dieser Lebensräume wieder in einen guten Zustand bringen müssten. Weiterführend bis 2040 sogar 60 Prozent und bis 2050 90 Prozent. Besonders die Grünen Europaabgeordnete Jutta Paulus hatte sich für das Gesetz stark gemacht. Sie appelliert:  „Wir brauchen gesunde Ökosysteme für unsere langfristige Ernährungssicherheit. Nur mit gesunden Böden, nur mit ausreichend Insekten können wir zukünftig Ernten sichern.“ Gesetzentwurf sorgt seit Beginn für Streitigkeiten Als KATAPULT MV Jutta Paulus im Dezember 2023 trifft, erzählt sie, wie umstritten der Gesetzesvorschlag von Anfang an war. Bevor der Kommissionsvorschlag diskutiert wurde,  hatte die CDU/CSU-Gruppe in der EVP-Fraktion bereits im europäischen Parlament verkündet: „Die Flächenstilllegung könnte die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben und Ernährungssicherheit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln in Europa und der Welt gefährden“. Zeitgleich hatte die EVP eine Social-Media-Kampagne aufgesetzt, die unter anderem das Bild einer riesigen Schere zeigt, die einen Acker abschneidet. Weiterhin die Behauptung, es mache keinen Sinn für den Naturschutz Dörfer abzureißen. Anschließend hatte die Konservative den Gesetzesvorschlag in den Verhandlungen komplett blockiert und das Parlament die Ziele herunterschrauben müssen. Im Februar 2024 dann hatte die EU über eine abgeschwächte Form abgestimmt und das Gesetz eigentlich angenommen. Am 25. März nun aber stellten sich die Umweltminister:innen mehrerer Länder dagegen. 

Es ist ein Konflikt zwischen dem Bewahren von Freiwilligkeit und dem Setzen klarer Ziele. Der Bauernverband MV sagt: „Wirksamer Naturschutz in Kooperation mit der Landwirtschaft muss auf Anreizen basieren. Laut Green Deal aber will Europa bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden. Dafür müssen beispielsweise alle Moore wiedervernässt werden. Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrums, sieht in dem neuen Gesetz einen großen Fortschritt: Erstmals werden EU-weit „wirklich Zahlen“ für die landwirtschaftlich genutzten Moorböden genannt.

Die Abstimmung über das Gesetz, das bereits zwei Jahre in Verhandlung ist, wird durch die Umweltminister:innen nun noch einmal verschoben. Dieser Artikel wurde mit Unterstützung von Journalismfund Europe entwickelt. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!