In Kleingartenvereinen finden soziale Begegnungen statt. Die Parzellen bieten Raum zur Entspannung, zum Anbau von frischen Lebensmitteln und für körperliche Aktivitäten. Sie sind ein 150 Jahre altes Kulturgut. Klaus-Peter Chapelier, Kleingartenbesitzer in Rostock, ist besorgt um den Erhalt der Kleingärten in Meck-Vorp. Sein Wunsch: Auch nachfolgende Generationen sollen die Möglichkeit bekommen, einen Kleingarten zu pachten, um an diesem Kulturgut teilzuhaben. Es bedrückt ihn, dass immer mehr Kleingartenpächter:innen mit ihren Parzellen Bauprojekten weichen müssen. „Die Romantisierung der Kleingärten in der Presse bildet nicht ab, welche Probleme wirklich im Vereinswesen vorherrschen“, bemängelt Chapelier. Die Zahl der Kleingartenbesitzer:innen in Meck-Vorp wird auf etwa 80.000 geschätzt. Sie sind in rund 1.000 Vereinen organisiert und bewirtschaften eine Fläche von etwa 3.700 Hektar. Der Landesverband der Gartenfreunde vertritt davon über 900 Vereine. Mehr als 62.000 Kleingartenbesitzer:innen sind in ihm organisiert. Bauprojekte vs. Kleingärten Der Ablauf ist häufig der gleiche: Gemeinde- oder Stadtverwaltungen entwickeln Bebauungspläne für Flächen, die von Kleingartenvereinen genutzt werden. Einige Bauausschusssitzungen und Beratungsausschüsse später stellen Verwaltung und Baufirma die Pächter:innen der Kleingartenanlagen vor vollendete Tatsachen. Meist ohne vorgewarnt, an Planungsprozessen beteiligt oder angemessen entschädigt zu werden, müssen sie dann ihren Kleingarten räumen. Im Nachgang kommt es teilweise zu Gesprächen mit Entscheidungsträger:innen in der Verwaltung. Oft wird lediglich über mehr Zeit bis zum Ende des Pachtverhältnisses oder eine Entschädigungszahlung verhandelt. In Ribnitz-Damgarten werden aktuell mehrere Kleingartenvereine zentralisiert, um leerstehende Parzellen als Grundstücke für Wohn- oder Wochenendhäuser zu nutzen. Wenn aus einem Kleingarten ein Wochenendhaus wird, steigen die Pachtpreise erheblich. Während ein Quadratmeter Kleingarten circa 16 Cent kostet, zahlen Pächter:innen bei Wochenendhäusern schon einen Euro pro Quadratmeter. Auf ein Jahr hochgerechnet kann ein Erholungsgrundstück dann 20.000 Euro kosten. Für Kleingartenbesitzer:innen, deren Parzelle in ein geplantes Wochenendhausgebiet fällt, kann das auf Dauer teuer werden. Auch die Kleingärtner:innen in Kröpelin sind von einem Flächennutzungsplan betroffen, der für sie das Aus bedeuten könnte. Die Leute vor Ort fühlen sich von der Politik nicht gehört. Auf der Fläche des betroffenen Kleingartenvereins soll ein Kindergarten errichtet werden. Weitere Parzellen in einem Kleingartenverein in Greifswald sind von einem Bauprojekt betroffen. Einige mussten Platz machen für eine neue Schule mit Parkplätzen und Busschleife. Im November sollen die Bauarbeiten beginnen, 2024 soll die Schule fertig sein. Die Stadt übernahm die Beräumungskosten der Kleingärten und zahlte eine kleine Entschädigung. Die Pächter:innen des Kleingartenvereins Broda in Neubrandenburg hatten Glück. 2018 sollte die historische Gartenanlage zugunsten eines Bauprojekts geräumt werden. Nach Protesten der Kleingärtner:innen und viel Kommunikation mit der Politik einigte man sich, um die Kleingärten herumzubauen. Selbst Ministerpräsidentin Manuela Schwesig war damals vor Ort und setzte sich dafür ein. Wie sieht’s in den Vorständen aus? Unter dem Dach der Gartenfreunde Mecklenburg-Vorpommern sind 15 Regionalverbände mit insgesamt 900 Vereinen organisiert. Die Vorstände der Regionalverbände sind allesamt ehrenamtlich tätig, außer im Stadtverband Rostock. Da Rostocks Regionalverband sehr viele Kleingartenvereine einschließt und dies mehr organisatorischen Aufwand bedeutet, gibt es neben dem Vorstand noch eine Geschäftsstelle. Heiko Werner, Vorstand des Regionalverbands Demmin, setzt sich für die Erhaltung von Kleingartenanlagen ein: „Manchmal ist das gar nicht so einfach. Der Mitgliederschwund wurde zwar etwas durch Corona aufgefangen, aber eher in Großstädten und nicht im ländlichen Raum.“ Nachwuchspächter:innen würden fehlen. Interessieren sich jüngere Menschen jedoch für einen Kleingarten, vergessen sie schnell die im Kleingartengesetz festgeschriebene Drittelregelung. Das bedeutet: ein Drittel der Fläche Gartenerzeugnisse, ein Drittel Ziergarten und ein Drittel Erholung. Das Kleingartengesetz schützt Kleingärtner:innen auch vor hohen Pachtpreisen und ermöglicht Personen mit kleinem Geldbeutel, ihre Freizeit auf einem eigenen Stück Land zu gestalten. Doch es passiert immer wieder, das Kleingärten zugunsten von Bauland weichen müssen: „Wenn Bauvorhaben auf städtischen Grundstücken geplant sind, kann man meistens noch gut verhandeln. Gehören die Grundstücke einer Privatperson, ist das schwieriger – das sind für uns dann Wettbewerber“, so Werner. Während immer weniger Nachfrage nach Kleingärten besteht, fehlt auch der Nachwuchs für die Vorstände: „Ein Verein kann nur mit einem Vorstand existieren“, erklärt Werner, „und wenn es keiner aus den eigenen Reihen machen möchte, muss ein Anwalt diese Position einnehmen.“ Sobald er das den Vereinen des Regionalverbands Demmin klarmacht, findet sich meistens jemand für den Vorstand. Der Kleingärtner merkt aber auch an, dass jeder Verein eine eigene Institution ist. Er stehe immer für Unterstützung zur Verfügung, aber die Vereinsvorstände müssten auch Eigeninitiative zeigen: „Regionalverbände haben keine Aufsichtspflicht oder Disziplinarmöglichkeiten.“ Korruption im Verband der Gartenfreunde Stadt Rostock? Schon länger kritisieren Rostocker Kleingärtner:innen, dass sich in ihrem Stadtverband korrupte Strukturen gebildet hätten. Dabei stehen drei Personen im Fokus. Susann May ist hauptamtlich als Geschäftsführerin in der Geschäftsstelle des Rostocker Stadtverbands tätig. Zusätzlich ist sie ehrenamtliches Vorstandsmitglied des Verbands, genauer: zweite stellvertretende Vorsitzende und Finanz- und Vermögensverwalterin. Im Landesverband ist sie ehrenamtlich für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Den Posten als Geschäftsführerin hatte May bekommen, nachdem Vorgängerin Annette Rößler betriebsbedingt entlassen wurde. Matthias Schreiter ist ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender des Stadtverbands Rostock. Außerdem ist Schreiter angestellter Anwalt in einer örtlichen Kanzlei. Er bekam einen von zwei gut dotierten Beraterverträgen für die Gartenfreunde Rostock in Höhe von 8.000 Euro. Einen zweiten Beratervertrag über 9.000 Euro bekam Robert Kröger. Er ist selbstständiger Anwalt, Vorstandsvorsitzender des Landesverbands der Gartenfreunde Mecklenburg-Vorpommern und sitzt für die Linke in der Rostocker Bürgerschaft. Alle drei werden von einigen Rostocker Kleingärtner:innen heftig kritisiert. Ihnen wird vorgeworfen, sich am eigenen Verein zu bereichern. Konkret hätten sich Kröger und Schreiter aufgrund ihrer Position im Vorstand und als Anwälte die Beraterverträge selbst zugeschanzt. Der Vorstand der Rostocker Gartenfreunde würde sich aus den Mitgliedsbeiträgen der Kleingärtner:innen einfach bedienen. Das verstoße gegen die Satzung, in der steht: „Der Verband ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“ Da Kröger und Schreiter Vorsitzende des Landesverbands MV beziehungsweise des Rostocker Stadtverbands sind, befinden sie sich zumindest in der Position, über Beraterverträge zu entscheiden und sich diese selbst zuzuschieben. Was vor allem überraschend ist, sind die gestiegenen Rechtsberatungskosten, seitdem Kröger und Schreiter die Beraterverträge bekommen haben. Die Kosten für Rechtsgeschäfte lagen bis 2018 bei rund 25.000 Euro jährlich, jetzt sind sie um mehr als Viertel gestiegen. Der Verdacht liegt nahe, dass sie sich quasi selbst bezuschussen, weshalb einige Gartenfreund:innen Strafanzeige gegen Kröger und Schreiter gestellt haben. Susann May auf der anderen Seite werfen die Kleingärtner:innen Fahrlässigkeit bei der Erledigung ihrer Aufgaben als Geschäftsführerin und als zweite stellvertretende Vorsitzende sowie als Finanz- und Vermögensverwalterin des Stadtverbands Rostock vorgeworfen. Aufgabe des Vorstands ist es, Haushaltspläne rechtzeitig und richtig zu erstellen. Anfang der Jahre 2020/2021 gab es nach Angaben von Rostocker Kleingärtner:innen noch keinen beschlossenen Haushalt. Dafür aber eine Gehaltserhöhung für May und ein Darlehen für ihr Fernstudium, um einen Bachelor of Law zu erlangen. Langfristig ist geplant, dass May als interne Rechtsberaterin vor Ort arbeitet. Erst in einigen Jahren wäre sie mit dem Studium fertig. Mit dem Abschluss Bachelor of Law dürfte May aber keine eigenständige Rechtsberatung machen. Dazu bräuchte es eine:n Volljurist:in. Die ehemalige Geschäftsführerin, Annette Rößler, war ausgebildete Volljuristin, weshalb die Kosten für die Rechtsberatung deutlich geringer ausfielen als heute. Sie erkrankte und wurde daraufhin betriebsbedingt entlassen. Rößler klagte vor dem Arbeitsgericht gegen die Entlassung und bekam letztlich eine kleine Abfindung. Günter Zschau und Cathrin Junck erstatteten später Anzeige gegen den Stadtverband Rostock wegen Vorteilsnahme und Untreue. Kröger, May und Schreiter hätten gegen die Satzung verstoßen. Da Susann May als stellvertretende Vorsitzende des Rostocker Vorstands gemeinsam mit den anderen vier Vorstandsmitgliedern über ihren eigenen Haushalt bestimme, könne sie sich selbst als Geschäftsführerin bevorteilen. Hinzu kommt, dass ihr Studiendarlehen vom Verband, also durch Mitgliedsbeiträge der Kleingärtner:innen finanziert wird. Die Satzung besagt, dass kein Mitglied bevorteilt werden darf. Das Strafverfahren gegen den Vorstand läuft noch. Zwei andere Projekte verstärken weiterhin den Zwist zwischen Vorstand und Rostocker Kleingärtner:innen: Zum einen wurde das Projekt Gärtnern mit Behinderten für 2020 geplant. Normalerweise werden die Kosten durch Fördermittel gedeckt. Die sind aber wegen Corona wegfallen. Trotzdem wurde vom Vorstand Personal eingestellt, um das Projekt zu veranstalten. Am Ende bedeutete das im Haushaltsjahr 2020 ein Minus. Diese Lücke konnte nur gefüllt werden, weil ein Rostocker Kleingartenverein aufgelöst wurde und noch Geld auf dessen Konto lag. Durch die Auflösung eines Kleingartenvereins wurden also Einnahmen generiert, die dem Rostocker Stadtverband zufielen. Zum anderen steht schon länger der Bau eines neuen Vereinshauses auf der Agenda des Vorstands der Gartenfreunde Hansestadt Rostock. Der Stadtverband hat dafür eigentlich kein Geld. Deshalb soll das Haus durch eine jährliche Mitgliedsumlage in Höhe von 60 bis 90 Euro finanziert werden. Das Vereinsheim würde Büroräume für vier Personen schaffen. Es soll auch einen Versammlungsraum geben, den alle Kleingartenvereine der Rostocker Gartenfreunde nutzen können. Kleingärtner:innen beschweren sich aber, dass der Versammlungsraum nicht genügend Platz für so viele Mitglieder und zusätzlich den Vorstand biete. Kosten für die Innenausstattung würden außerdem hinzukommen. Kleingärtner:innen stellen sich die Frage, wie sehr sie noch auf die Unterstützung des Verbands setzen können, wenn dieser sich selbst Gehaltserhöhungen und Studiendarlehen zuschanzt und von den Konten aufgelöster Vereine profitiert. Man habe Angst, dass wegen Fehler im Haushalt und Bevorteilung durch finanzielle Zuschüsse dem Verein die Gemeinnützigkeit entzogen wird. Das wäre das Aus für die Rostocker Kleingartenvereine. In der Zeitung Der Gartenfreund werden die Belange der Kleingärtner:innen thematisiert. Nun wird diese aber von Kröger und May lektoriert. Leserbriefe, die Handlungen des Vorstands hinterfragen, werden nicht abgedruckt. Von der Geschäftsführung des Verbands Rostocks werde Kritik meistens abgetan mit der Begründung, das sei alles Halbwissen, Missgunst oder Neid, erzählen Mitglieder. Susann May und Robert Kröger haben sich auf mehrfache Nachfrage nicht zu der aktuellen Lage geäußert. Unmittelbar danach wurde Susann May als zweite stellvertretende Vorstandsvorsitzende von der Internetseite der Gartenfreunde Rostock entfernt. Meck-Vorps Politik fördert Kleingartenwesen Im Mai 2021 gab Meck-Vorps Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt bekannt, dass sich die Kleingartenvereine auf eine kontinuierliche Förderung durch das Land verlassen könnten: „Das Ehrenamt im Kleingartenwesen ist genauso wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen ein wichtiger Grundpfeiler für den Erhalt unserer gesellschaftlichen Wertestruktur und des friedlichen sozialen Miteinanders“, lobte Minister Till Backhaus (SPD). In den vergangenen 22 Jahren wurden die Kleingartenvereine und -verbände mit mehr als 1,7 Millionen Euro gefördert. Jährlich haben sie Zugriff auf insgesamt 90.000 Euro. Kleingärtner Karl-Heinz Fehrmann war überrascht über die Förderung und schrieb in einem Leserbrief an den Greifswalder Blitz: „Im Vorstand des Landesverbandes der Gartenfreunde MV rieb man sich erstaunt die Augen und sah sich zu einem offenen Brief an den Minister veranlasst.“ Man habe sich eine Telefonkonferenz gewünscht, um über aktuelle Probleme zu sprechen. Es habe keine Antwort gegeben und ein Gespräch sei nie zustande gekommen, so der besorgte Gärtner. Zu den aktuellen Problemen gehöre, dass Städte und Gemeinden ihre Interessen entgegen dem Bundeskleingartengesetz durchsetzen würden. „Das setzt Kleingärtner:innen zunehmend unter Druck“, sagt Fehrmann. Der Landesvorstand habe den Eindruck, dass die finanzielle Förderung des Landes eingeschränkt werde. Im Mai war Nils Saemann, Landtagskandidat der SPD, zu Besuch bei dem Vorstand des Landesverbands der Gartenfreunde Mecklenburg-Vorpommern. Regina Witte, Finanzerin des Landesverbands, lobte die Förderung, merkte jedoch auch an: „Die Förderung könnte gerne etwas höher ausfallen.“ Vorstand der Rostocker Gartenfreunde stellt rechtsextreme Abrissfirma an Manchmal müssen Parzellen in Kleingartenanlagen abgerissen werden. Dafür braucht es ein Abrissunternehmen. Vom Vorstand der Rostocker Gartenfreunde wurde dafür die Firma Abriss Krüger bestellt. Chef der Firma ist der Rechtsextreme Sven Krüger. Er ist bekannt für die Organisation rechter Netzwerke in Meck-Vorp. Bei der Ausschreibung gingen laut Susann May keine anderen qualifizierten Angebote ein. Deshalb habe man Krüger beauftragt: „Die Firma Abriss Krüger hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seine Dienste in diversen Kleingartenanlagen zur vollsten Zufriedenheit der Beteiligten erledigt“, merkt May an und erklärt weiter: „Die weiteren Empfehlungen an die Kleingartenvereine erfolgten seitens des Verbands somit guten Gewissens.“ Was die Geschäftsführerin und zweite Stellvertreterin das Rostocker Regionalverbands aber vergessen hatte, war, dass laut Satzung ein ausdrückliches Verbot der Zusammenarbeit mit Vertretern extremistischer Organisationen gilt. Nachdem die Debatte aufgekommen war, habe man von Verträgen mit Krügers Firma abgesehen, so May in einer Stellungnahme. Vorher wusste der Vorstand nichts von Krügers Machenschaften. Wie kann ein Vorstand, der die Rechtsberatung eines Anwalts genießt, der für die Linke in der Rostocker Bürgerschaft sitzt, nicht wissen, dass Sven Krüger ein bekannter Neonazi aus Meck-Vorp ist? Auch die Kleingärtner:innen warten auf eine Stellungnahme von Kröger, May und Schreiter. Sie hoffen, dass die Strafanzeige Erfolg hat und der Vorstand die Kritik der Rostocker Kleingärtner:innen ernst nimmt. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!