An Meck-Vorps Universitäten beginnt das neue Semester mit einem Paukenschlag. Verschiedene Instanzen der Hochschullandschaft in Mecklenburg-Vorpommern sind besorgt. Der Senat der Universität Greifswald sowie der Universität Rostock und die Landeskonferenz der Studierendenschaft (LKS) fordern die Landesregierung und insbesondere das Wissenschaftsministerium auf, finanzielle Hilfen zur Verfügung zu stellen, um den Weiterbetrieb der Universitäten in den nächsten Monat zu gewährleisten.  Wissenschaftsministerin Martin versichert Studierenden Unterstützung Durch die Inflation steigen die Lebenshaltungskosten von Studierenden um mindestens 23 Prozent an. Der Wohnungsmarkt in Greifswald und Rostock ist angespannt. Corona- und Energiekrise würden jetzt außerdem sehr deutlich die Defizite im Bildungssystem des Landes zeigen, so die LKS in einem offenen Brief. Studierendenwerke können nötige Preissteigerungen nicht abfedern, weil der Landeszuschuss für die Höhe der anfallenden Kosten zu gering ist. So kommen höhere Preise direkt bei den Studierenden an. Sowohl das Studierendenwerk Rostock-Wismar als auch Greifswald sahen sich gezwungen den Semesterbeitrag, das Mensaessen und die Wohnheimmieten zu erhöhen. Bereits im September setzten sich Studierende bei der Landesregierung für eine sofortige finanzielle Unterstützung der Studierendenwerke ein. Neben diversen Forderungen kritisiert die LKS außerdem kontinuierliches Wegschauen sowie eine unzulängliche Kommunikation der Landesregierung. Studierende prangern schon seit Jahren Probleme an, leiten sie weiter nach Schwerin. Trotzdem unternehme die Landesregierung viel zu wenig, bemängeln Studierendenvertretungen aus Greifswald, Wismar, Rostock und Stralsund.  Mit dem offenen Brief habe die LKS in Schwerin jedoch Gehör gefunden. So fand am Mittwoch ein Gespräch mit der Wissenschaftsministerin Bettina Martin (SPD) statt. Sie versicherte ihre Unterstützung, vor allem in den Punkten, die in ihrem Aufgabenbereich liegen. Im Übrigen bleibe aber vieles Bundessache, erklärt Janne Dörscher, Sprecher für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der LKS. So seien Martin bei der Umsetzung des Heizkostenzuschusses für Studierende oder der Gaspreisbremse die Hände gebunden.  Demo mit Rektor:innen und Studierendenwerken Am Samstag startet deshalb am Doberaner Platz in Rostock um 13 Uhr eine von den Studierendenschaften organisierte Bildungsdemonstration. Nach einer Begrüßung und anschließendem Zwischenstopp am Studierendenwerk Rostock-Wismar, endet die Demo am Neuen Markt. Auch von der Universität Greifswald planen die Studierendenwerke und der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA), gemeinsam mit Student:innen zur Bildungsdemonstration nach Rostock zu fahren. Kosten für Zugtickets könne man sich sogar über die sogenannte Reisekostenabrechnung rückerstatten lassen, heißt es vom AStA der Uni Greifswald. Die Rektor:innen der Universitäten und Hochschulen in Meck-Vorp werden ebenfalls vor Ort sein und die Kundgebung durch Redebeiträge begleiten.  Durch die anfänglich fehlende Kommunikation des Wissenschaftsministeriums habe sich die LKS als letzte Möglichkeit, jetzt für eine Bildungsdemonstration entschieden. „Da wir nicht anders gehört werden”, hieß es im Demonstrationsaufruf. Wissenschaftsministerin Bettina Martin wird ebenfalls anwesend sein. Insgesamt zählen die Universitäten und Fachhochschulen in Greifswald, Rostock, Neubrandenburg, Stralsund und Wismar zusammen 34.500 Studierende. Im Wintersemester 2022 haben sich 6400 neue Student:innen in MV im Erstsemester eingeschrieben.  „Zehn Seiten Bildungspolitik, aber keine Fortschritte” Laut Koalitionsvertrag setzen sich die Koalitionspartner „Aufbruch 2030” SPD und Linke für eine umfangreiche Reform des Bafögs ein. Das Vorhaben konnte bereits auf Bundesebene umgesetzt werden. Ab diesem Wintersemester können Studierende einen Höchstbetrag von 934 Euro, statt 861 Euro, erhalten. Auch die Freibeträge der Elterneinkommen wurden um circa 20 Prozent erhöht. Durch die Inflation vorangetriebenen Preissteigerungen, habe man aber als Studierender ähnlich wenig Geld zur Verfügung wie vorher, lautet die Kritik der Studierendenkonferenz. Die Anpassung des Bafögs nehme die LKS durchaus wahr, dennoch reiche dies nicht. 

Lukas Voigt, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschuss (AstA) der Universität Greifswald, sieht in der Bafög-Anpassung ebenfalls keine Lösung: „Das Problem ist viel grundlegender. Ein Drittel der Studierenden leben in Armut. Da hilft auch so ein kleines Bafög-Reförmchen nicht weiter.” Eine wirkliche Investition in die Zukunft wäre laut Voigt ein elternunabhängiges Bafög. Auch im Antragsprozess müsse man bürokratische Hürden schnellstmöglich abbauen. Durch lange Bearbeitungszeiten würden bei Studierenden Zeiträume bis zu zwei Monaten entstehen, in denen sie nicht sicher wissen können, wie es mit ihrem Studium weitergeht. Auch der von der Bundesregierung beschlossene Heizkostenzuschuss in Form einer Einmalzahlung von 230 Euro sei nicht hinreichend, so die LKS. Der Staat müsse weitgreifender unterstützen: „Über zehn Seiten beschäftigen sich (im Koalitionsvertrag) mit den Themen Bildung und Wissenschaft, aber dennoch sehen wir fast keine Fortschritte.” Oberste Priorität: Studierende so wenig wie möglich belasten Bereits im August 2022 hat der Aufsichtsrat des Studierendenwerks Greifswald beschlossen: Der Semesterbeitrag für Studierende wird um acht Euro angehoben. Deshalb müssen Studierende an der Universität Greifswald, der Hochschule Neubrandenburg und Stralsund bald 83 Euro pro Semester bezahlen. Cornelia Wolf-Körnert, Geschäftsführerin des Studierendenwerks Greifswald, begründet die Beitragserhöhung mit Verlusten, die in den Einrichtungen der Hochschulgastronomie entstanden sind. Durch die gestiegenen Kosten der Bereiche Wareneinsatz, Energie und Personal gab es vor allem im Bereich der Mensen und Cafeterien Mehrkosten. Auch die Corona-Pandemie sorgte für weniger Einnahmen. Studierendenwerke erwirtschaften durch Hochschulgastronomie Eigenmittel und erhalten darüber hinaus Landeszuschüsse.   Das Wissenschaftsministerium hat für 2022 und 2023 die Zuschüsse für die Mensen erhöht: „In der aktuellen Situation reichen die Zuschüsse aber bei weitem nicht zur Deckung aller Aufwendungen”, heißt es vom Studierendenwerk Greifswald. Für die Greifswalder Hochschulgastronomie erwartet Wolf-Körnert im nächsten Jahr eine Verdreifachung der Kosten in Höhe von einer Millionen Euro.  Seit dem 17. Oktober  wurden die Preise in den Mensen des Studierendenwerks Greifswald um durchschnittlich 38 Cent angehoben. Weitere Preiserhöhungen würden finanziell schlechter gestellte Studierende treffen. Und gerade diese seien insbesondere auf das vergleichsweise günstige Essen in Mensen angewiesen, sagt Lukas Voigt: „Wenn der Sparkurs des Wissenschaftsministeriums so weitergeht, dann wird Bildung ein Wohlstandsprivileg”. Für Wolf-Körnert sei es gerade deshalb oberste Priorität, Studierende so wenig wie möglich zu belasten und so gut wie möglich weiter zu unterstützen. Auch das Studierendenwerk Rostock-Wismar musste die Wohnheimmieten, die Preise in den Mensen und die Semesterbeiträge erhöhen. Im Jahr 2023 rechnet der Geschäftsführer des Studierendenwerks, Kai Hörig, mit Mehrkosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro.  8 Millionen Euro Mehrkosten an der Universität Greifswald Auch die Senate der Universitäten Greifswald und Rostock appellieren an die Landesregierung, ihrer Verantwortung für die Hochschulen gerecht zu werden. Die Universität Greifswald erwartet im nächsten Jahr mindestens acht Millionen Euro an zusätzlichen Kosten, wie der Senat in einem Appell an die Landesregierung bekannt gab. Ähnlich wie bei den Studierendenwerken sei der hier vorgesehene Landeszuschuss unzureichend. Deshalb müsse das Wissenschaftsministerium sowohl für die Universität als auch für die Studierendenwerke Geldmittel auf den Weg bringen, um die zusätzlichen Bewirtschaftungskosten zu tilgen. Eine vom Wissenschaftsministerium angekündigte Kürzung der Rücklagen sei aktuell keine Möglichkeit: „Dies würde die Arbeitsfähigkeit der Universität Greifswald sowie die Fähigkeit zur Krisenbewältigung drastisch einschränken”, heißt es im Appell. Falls sich die Landesregierung dazu entscheidet, keine weiteren Hilfen auf den Weg zu bringen, sei die Attraktivität der Universität Greifswald sowie der gesetzlich verankerte Lehr- und Forschungsauftrag gefährdet. Gerade jetzt müsse man eigentlich in Universitäten investieren, meint Senatsmitglied Lukas Voigt: „In Krisen sind Universitäten eigentlich der Motor für Innovation und wissenschaftliche Ergebnisse, die tendenziell dazu beitragen, diese Krisen zu überwinden, und gerade da wird gespart”.  „Die Wettbewerbsfähigkeit ist scheinbar kein Problem mehr” Ein Problem, das die Studierendenschaft an MV’s Universitäten spätestens seit April beschäftigt: Die Kürzung der sogenannten Wohnsitzprämie. Grundsätzlich sollen Universitäten in MV von der Prämie profitieren. Sie bekommen zusätzliches Geld, wenn Studierende am jeweiligen Hochschulstandort ihren Hauptwohnsitz anmelden. Ziel ist es, Angebote zu finanzieren, die es an anderen Unis nicht gibt, um einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen. Wenn über 50 Prozent der Studierenden aus einem anderen Bundesland stammen, bekommt die Universität jährlich 1.000 Euro pro Student:in. Nach einem festgelegten Schlüssel werden die Gelder dann an drei Gruppen verteilt. Die einzelnen Institute bekommen 50 Prozent, die Hochschulleitung 30 Prozent und die Studierendenschaft 20 Prozent. So kann sich jeder Bereich eigene Projekte finanzieren.  Auf Initiative aller Allgemeinen Studierendenausschüsse in MV konnte durch ein Gespräch mit dem Wissenschaftsministerium eine Kürzung der Gelder für die studentischen Statusgruppen verhindert werden. Der AStA-Vorsitzende der Uni Greifswald, Lukas Voigt, betont, dass dies vor allem für „studentische Hilfskräfte, Unterrichtsmaterialien, Labor-Kittel, Büromaterialien und vieles mehr” wichtig sei.  Als Kompromiss wurde vereinbart, lediglich die Wohnsitzprämie der Institute zu kürzen. Insgesamt wurde die Prämie im verabschiedeten Doppelhaushalt der Landesregierung um zwei Millionen Euro gekürzt. Obwohl die Entscheidung bereits vier Monate zurückliegt, stehen die Universitäten, was die Umsetzung betrifft, bisher im Dunklen: „Zur Höhe des neuen Betrags liegen noch keine Informationen vor. Gleiches gilt hinsichtlich des Verteilungsschlüssels”, sagt  die kommissarische Kanzlerin der Universität Greifswald, Juliane Huwe. Eine entsprechende Haushaltsplanung sei dadurch ebenfalls nicht möglich, die Lage sehr ungewiss, ergänzt Voigt. Auch die Landesstudierendenkonferenz kritisiert das Vorhaben und mahnt, dass Einschnitte in Studium und Lehre die Folge sind. Darüber hinaus stellen sie für die Universitäten in MV im Vergleich zu anderen Bundesländern fest: „Die Wettbewerbsfähigkeit ist scheinbar kein Problem mehr”.  Präsenzlehre soll stattfinden, aber wie? Ein Großteil der Mehrkosten an den Universitäten wird im nächsten Jahr durch stark steigende Energiepreise entstehen. In den nächsten Wochen und Monaten sei es deshalb am wichtigsten, den Gaspreisdeckel auf Bundesebene so schnell wie möglich umzusetzen, so Janne Dörscher, Pressesprecher der LKS.  Eine Situation ohne Veränderungen fürchtet Lukas Voigt: „Falls es keine konkreten Lösungen und Pläne für dieses Finanzproblem gibt, wird man sich irgendwann die Frage stellen, wie die hohen Energiekosten umgangen werden können. Die einfachste Antwort darauf ist, die Gebäude der Universität nicht mehr zu heizen und auf Online-Lehre umzusteigen. Das darf auf gar keinen Fall passieren”. Auch das Studierendenwerk in Greifswald möchte ungern die Öffnungszeiten von Mensen und Cafeterien anpassen oder diese ganz schließen. Jedoch betonte die Wissenschaftsministerin Martin bei der Immatrikulationsfeier an der Universität Greifswald, Präsenzlehre sei durch nichts zu ersetzen. In diesem Kontext weist Janne Dörscher, Sprecher für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der LKS darauf hin, dass dem Wissenschaftsministerium häufig die Hände gebunden seien. Eine klare Kritik gehe daher an die Bundes- und Landesregierung. Insbesondere die Entscheidungen zu den Kürzungen im Doppelhaushalt vom Finanzministerium und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig würden jetzt sehr ungünstig zusammenwirken, so Dörscher.  Die Landesstudierendenkonferenz fordert von der Landesregierung außerdem mehr bezahlbaren Wohnraum, einheitliche Tarifverträge für studentische Hilfskräfte und ein 365-Euro-Ticket für Studierende. Um die hohen Abbrecherquoten im Lehramtsstudium zu überwinden, brauche es außerdem eine Erneuerung des Lehrerbildungsgesetzes. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!