Über der Schweriner Innenstadt kann man an trüben Abenden neben der allgemeinen Helligkeitsglocke einen deutlichen Lichtkegel sehen. Es ist nicht etwa das Schloss oder einer der vielen anderen schönen Bauten in der Innenstadt, was da angestrahlt wird, nein, es ist die Fassadenbeleuchtung eines Einkaufszentrums. Warum die Strahler direkt nach oben in den Himmel gerichtet sind, ist ein Rätsel. Erwartet die Landeshauptstadt Besuch von Außerirdischen? Oder soll das Einkaufszentrum womöglich größer aussehen, als es eigentlich ist? In Norddeutschland kennt man trübe Tage im Herbst und Winter, an denen die Sonne gar nicht richtig durch die Wolken scheint, nur zu gut. Wenn das Tagesgestirn dann schon um vier Uhr nachmittags untergeht, freut man sich über gemütliche Beleuchtung in den eigenen vier Wänden. Und weil sich der Mensch als tagaktives Wesen gerne im Licht aufhält, werden auch Bäume, Gebäude und Straßen beleuchtet. Neue Entwicklung der Glühlampen Die Nächte werden auf der ganzen Welt tendenziell von Jahr zu Jahr immer heller. Beim Energieverbrauch in Deutschland ist derweil zwar eine leicht rückläufige Tendenz zu beobachten, jedoch ist diese vor allem auf einen Effizienzgewinn zurückzuführen. Die Entwicklung der Leuchtmittel von Glühlampen hin zu LEDs macht eine durchgängige Beleuchtung besonders verlockend. Diese Dauerbeleuchtung bringt ökologische Folgen mit sich. Auch der Mensch wird dabei in seinem Tag-Nacht-Rhythmus gestört. Der ganze Hormonhaushalt gerät aus dem Gleichgewicht, denn das schlafanstoßende Hormon Melatonin wird normalerweise in der Dunkelheit produziert. Auch wenn vermehrte Helligkeit nicht der einzige Faktor ist, so zählt sie doch zu den Erklärungen für vermehrte Schlafstörungen. Pflanzen und Tiere werden durch Licht in der Dunkelheit gestört Nicht nur der tagaktive Mensch braucht Dunkelheit. Lichtverschmutzung hat vor allem für die Tier- und Pflanzenwelt gravierende Folgen. Nachtziehende Vögel und Fledermäuse werden nachweislich auf ihren Zugrouten irritiert und Insekten sterben zu Millionen an Lampen und Laternen, weil diese die Ausrichtung am Himmelszelt verhindern. Auch Bäume werden in ihrem natürlichen Lebenszyklus gestört, besonders wenn sie direkt beleuchtet werden. Sie merken durch das unnatürlich große Lichtangebot nicht, wann die Tage kürzer werden und sie ihre Blätter abwerfen müssten. Behält der Baum sein Laub zu lange und hat damit im Winter noch zu viel Wasser in den Zweigen, kann das zu Frostschäden führen. Auch im Sommer stehen angestrahlte Bäume unter Stress, da sie im Verhältnis größere Blätter bekommen, die mehr Feuchtigkeit verdunsten und dadurch hitzeempfindlicher werden. Für Singvögel und andere Tiere bieten unnatürlich beleuchtete Bäume keinen Schutz mehr. Nächtlich lebende Insekten wie Nachtfalter sterben in großer Zahl oder können sich nicht fortpflanzen. Die blauen Lichtanteile der LED-Lampen wirken besonders anziehend und locken die Falter in die Lichtquelle. Rechtliche Einschränkungen In Deutschland gibt es (noch) kein Gesetz, das die Lichtverschmutzung unmittelbar bekämpft. Indirekt gibt es aber Möglichkeiten: Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), das Baugesetzbuch (BauGB) und die Baunutzungsverordnung (BauNVO) können Auswirkungen haben, zu welchen Zeiten und mit welcher Helligkeit Beleuchtungsanlagen gebaut werden dürfen. So wird Licht, das auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser und die Atmosphäre einwirkt, als Immission bewertet. Immissionen sind schädliche Umwelteinwirkungen, die nach Stand der Technik auf ein Mindestmaß beschränkt werden sollen. Der Deutsche Bundestag bemüht sich nach dieser Feststellung zwar darum, dem Problem Aufmerksamkeit zu schenken. Wer nun jedoch denkt, es gebe Grenzwerte für die Lichtverschmutzung, der irrt: „Rechtsverbindliche Vorschriften zur näheren Bestimmung der immissionsschutzrechtlichen Erheblichkeitsschwelle bei Lichtimmissionen fehlen bislang. Daher hat die Beurteilung, ob Lichtimmissionen zumutbar sind, im jeweiligen Einzelfall zu erfolgen“, so der Wissenschaftliche Dienst des Parlaments. Manche Bundesländer nehmen dies zum Anlass, das Problem selbst anzugehen. Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat zum Beispiel seit 2020 mit einem neuen Leitfaden zur Eindämmung von Lichtverschmutzung das Thema zum Schutz von Insekten, Igeln und Vögeln unmittelbar ins Visier genommen. Damit will es die Kommunen dabei unterstützen, gemeinsam die Lichtverschmutzung einzudämmen. Das oberste Ziel: „[...] der Natur die Nacht zurückgeben.“ Lichtkegel für das Schweriner Einkaufszentrum Warum in Schwerin also ein Einkaufszentrum bis in den Himmel strahlen muss, bleibt fraglich. Wenn die Strahler höher angebracht und mit nur einem Lichtkegel ausschließlich nach unten strahlen würden, könnte man das Problem der nutzlosen Lichtverschmutzung ganz einfach beheben und gleichzeitig die Hälfte der momentan eingesetzten Energie sparen. Einen Schritt in diese Richtung haben die Betreiber:innen des Einkaufszentrums unternommen, indem sie nachts die Fassadenbeleuchtung ganz ausschalten. Ein Beispiel dafür, wie man den Nächten ihre Dunkelheit schrittweise zurückgeben kann. MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!