Es herrscht reges Treiben am Abend der Eröffnung des AfD-Wahlkreisbüros in Rostock. Mehrere Dutzend Parteiangehörige, Mitstreiter:innen und Freund:innen des AfD-Landtagsabgeordneten und ehemaligen OB-Kandidaten Michael Meister haben sich Mitte Dezember in Rostocks Stadtmitte eingefunden, um die neuen Räumlichkeiten einzuweihen. Es habe ein gutes Jahr gedauert, sie zu finden, schließlich sei Rostock ein ohnehin „schwieriges Pflaster“, läutet Meister die Feier ein. Es gibt Reis, Nudeln, Soljanka und Chili con Carne. Die Stimmung ist ausgelassen, Berührungsängste mit der Presse gebe es keine, betont Meister. Der gebürtige Rostocker, der überwiegend in Vorpommern-Rügen verortet ist, wo er neben seinem Landtagsmandat auch im Kreistag sitzt, in diversen Ausschüssen arbeitet und Parteivorsitzender in der Stadtvertretung Ribnitz-Damgartens ist, zeigt sich zuversichtlich. „In dieser Legislatur ordentlich durchstarten für Rostock“, das sei es, was er und die Anwesenden sich für die nahe Zukunft wünschten, so der Landtagsabgeordnete. Würdenträger:innen der Partei aus Schwerin, Rügen und dem Rostocker Umland pflichten ihm bei. Im Schweriner Landtag sitzt Meister, der bis 2014 noch als Polizist beschäftigt war, seit 2021. Der Kreisverband Rostock – die AfD und ihre Grabenkämpfe Dass die Partei nun seitdem wieder über eine Adresse in der Hansestadt verfügt, ist keineswegs selbstverständlich: Befand sich doch vor diesem 14. Dezember 2022 die nächstgelegene Geschäftsstelle in Güstrow, als der Austritt von gleich fünf Abgeordneten im vergangenen Jahr die Fraktion im Kreistag halbierte. Für die Hansestadt zeigt sich ein ähnliches Bild: Nach der Bürgerschaftswahl 2019 zogen fünf AfD-Abgeordnete in das Stadtparlament ein, bereits ein halbes Jahr später wechselten zwei Mitglieder zur Fraktion Rostocker Bund und Anfang 2021 trat ein weiteres Mitglied aus der Partei aus. Damit hatte sich die Zahl der Abgeordneten innerhalb von nicht einmal zwei Jahren mehr als halbiert. Und 2020 enthob der AfD-Landesvorstand prompt den Kreisvorstand, nachdem ein Streit um die Ausrichtung der Partei entbrannt war. Auslöser war unter anderem der Umgang mit dem Rauswurf des brandenburgischen Fraktionschefs Andreas Kalbitz. Dabei habe der Rechtsextreme seinerzeit einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der Partei geleistet – so der mecklenburgische stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion, Leif-Erik-Holm. Der sich infolgedessen noch weiter zuspitzende Konflikt zwischen bürgerlich-konservativen, rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen in der Partei findet dennoch kein Ende. Der Kreisvorstand Rostock bezeichnete die vorangegangene Absetzung als „Säuberungswelle“. Weitere parteiinterne Verfahren, die sich um den Rauswurf des verurteilten Straftäters Stefan Treichel drehten, folgten. Auch die erst kürzlich öffentlich gewordenen Informationen, dass AfD-Bürgerschaftsmitglied Thomas Koch von 1982 bis 1985 als hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi tätig war, hilft dem angeschlagenen Image nicht. Meister will im Stadtgebiet präsent sein Ungeachtet aller Kontroversen gibt sich Meister zuversichtlich, in der Hansestadt durch das neue Wahlkreisbüro wieder mehr Präsenz zeigen zu können. „Das habe ich mir nicht ausgesucht, weil es einfach, sondern weil es eine Herausforderung ist“, verkündet der AfD-Mann bei der Eröffnung. Er spüre die Angriffe des politischen Gegners und selbst Übergriffe auf sein Eigentum seien ihm nicht erspart geblieben. „Dass mir daheim auf meinem Hof die Autoreifen aufgeschlitzt worden sind, ist etwas, das man einfach erst einmal zur Kenntnis nehmen muss.“ „Ich glaube, dass ich nicht der bin, für den man uns hält“, bekräftigt der ehemalige Polizist die Entscheidung, in der Hansestadt mehr Präsenz zu zeigen. Seine Rolle im politischen Geschehen hat er dabei offenkundig gefunden. „Ich betreibe Politik, keine Propaganda. Ich persönlich sehe mich weniger auf der Straße. Meine Arbeit findet im Landtag statt. Für den Fall, dass ich dauerhaft nach Rostock umziehe – und das ist eine Option – würde das bedeuten, dann auch konstruktive Arbeit in der Bürgerschaft zu zeigen.“ Den Protesten im vergangenen Winter von diversen Gruppen, die sich gegenüber den Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kritisch positionierten, stehe er prinzipiell nicht nahe, sagt Meister. Kontakt zum Anmelder der Demonstrationen und ehemaligen OB-Mitkandidaten Jens Kaufmann habe er nicht, betont er. Auch Angehörige des „Flügels“ und der Identitären Bewegung vor Ort Dass sich längst nicht alle bei der Büroeröffnung Anwesenden auf konstruktive politische Arbeit beschränken, hat die Vergangenheit gezeigt. So waren auch Mitglieder der Identitären Bewegung, darüber hinaus auch ein stadtbekannter Anhänger des sogenannten Flügels der AfD vor Ort. Einschlägige Unvereinbarkeitsbeschlüsse der AfD, die explizit eine Zusammenarbeit mit derartigen Strukturen untersagen, scheinen am Eröffnungsabend keine Rolle zu spielen. Ebenso wenig, dass der „Flügel“ offiziell aufgelöst ist. Kommunalpolitik gibt sich kämpferisch Dass die Neueröffnung des Büros bislang dennoch keine größere Präsenz der AfD in Rostock mit sich gebracht hat, dessen ist sich Sybille Bachmann sicher. Die Fraktionsvorsitzende des Rostocker Bundes in der Bürgerschaft bekräftigt: „Offensichtlich verfolgt die AfD die Strategie, in der größten Stadt des Landes stärker Fuß zu fassen. Bisher hat sie hier nur durch interne Streitereien Schlagzeilen gemacht, nicht durch politische Sacharbeit.“ Von ehemals fünf AfD-Abgeordneten in der Rostocker Bürgerschaft seien drei aus der Partei ausgetreten. Für Bachmann ist allein das ein klarer Beleg für die Zerrüttung der Partei in der Hansestadt. Rostock ist es gelungen – als wohl einziger großer Stadt –, keine AfD-Fraktion in der Gemeindevertretung zu haben. Deren Existenz währte nur drei Monate. Sybille Bachmann, Fraktionsvorsitzende Rostocker Bund Ein Urteil, das in der Partei Die Linke offenkundig geteilt wird. Der neue Fraktionsvorsitzende Christian Albrecht, der nach der Wahl von Eva-Maria Kröger zur Oberbürgermeisterin kürzlich zu ihrem Nachfolger gewählt wurde, spricht von einer AfD, die „in den Ausschüssen mehr mit Abwesenheit als mit konkreten Ideen von sich reden macht“ und „in der Bürgerschaft nahezu unsichtbar ist“. Für die Zukunft geben Albrecht und seine Fraktion sich selbstsicher: „Wir glauben nicht, dass sich an dem Bild, das die AfD hier in Rostock abgibt, durch die Eröffnung eines Wahlkreisbüros etwas ändern wird.“ MV braucht mehr als nur eine Zeitung pro Region. Holt euch ein KATAPULT-MV-Abo! KATAPULT MV abonnieren!